17.01.2020

Bundeswehr – Klagebefugnis bei ersetzter luftverkehrsrechtlicher Zustimmung?

Das OVG Lüneburg hat sich in seinem Berufungsurteil vom 13.11.2019, Az.: 12 LB 123/19 insb. mit der Frage der Verletzung subjektiver Rechte der Bundeswehr auseinandergesetzt.

Sachverhalt

Die Bundeswehr als Nutzerin einer militärischen Tiefflugstrecke klagt gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Mit dieser Genehmigung ist die Errichtung und der Betrieb von drei WEA gestattet. Die Standorte der WEA befinden sich innerhalb eines Tiefflugkorridors der Bundeswehr. Der Abstand zur Tiefflugstrecke beträgt circa 600m.

Die Bundeswehr trainiert an dem betreffenden Standort anspruchsvolle militärische Manöver für Hubschrauberbesatzungen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens teilte die Bundeswehr der Genehmigungsbehörde ihre Bedenken mit. Diese liegen innerhalb des 1,5 km Korridors der Nachttiefflugstrecke. Dabei wird die Streckenführung in diesem Bereich durch einen Taleinschnitt und eine Hochspannungsleitung kanalisiert. Die Errichtung der drei geplanten WEA innerhalb des Schutzkorridors führt zu einer konkreten Gefahr des Luftverkehrs. Zudem ist der Ausbildungszweck massiv gefährdet. Die Hubschrauberbesatzungen sind dadurch in ihren Übungen erheblich eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund ist die erforderliche luftverkehrsrechtliche Zustimmung nach § 14 Abs.1 LuftVG durch die zuständige Luftfahrtbehörde zu versagen.

Schließlich steht ihm der unbenannte, aber anerkannte öffentliche Belang der Verteidigung im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB entgegen. Eine Korrektur der Lage der Tiefflugstrecke zugunsten der Windenergie ist nicht vorgesehen. Außerdem erfolgt die Festlegung der Tiefflugstrecken im Rahmen des verteidigungspolitischen Beurteilungspielraums.

Für die Genehmigungsbehörde ist die luftverkehrsrechtliche Zustimmung zu unrecht versagt und das Fehlen folglich unbeachtlich. Von den genehmigten WEA geht keine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs aus. Außerdem stehen der Bundeswehr nördlichere Teile der betreffenden Tiefflugstrecke für die Übungen zur Verfügung. Außerdem geht die Genehmigungsbehörde davon aus, dass die fehlende Zustimmung nach § 14 Abs.1 LuftVG im Anfechtungsprozess ebenso wie ein Verpflichtungsbegehren des Vorhabenträgers gerichtlich ersetzt werden kann.

Die Genehmigungsinhaberin stellt den Drittschutz der Bundeswehr in Frage. Der in Art.87a Abs. 1 S.1 GG verankerte Drittschutz ist demnach beeinträchtigt, wenn die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beeinträchtigt ist. Das ist betreffend der Tiefflugstrecke aber ausgeschlossen. Außerdem darf die Bundeswehr nach Nr. 3.3. ENR 1.1 militärisches Luftfahrthandbuch nur aus zwingenden Gründen tiefer als 150 m fliegen. Auch nimmt der öffentliche Belang der Verteidigung mit zunehmender Entfernung von der Tiefflugstrecke ab. Deshalb müssen die WEA am Rand des Korridors höher gewichtet sein.

Das Verwaltungsgericht Hannover hat der Klage vom 6.12.2018 stattgegeben (Az.: 12 A 828/17).

Entscheidungsgründe

Die gegen das Urteil des VG Hannover vom 6.12.2018 (Az.: 12 A 828/17) eingelegte Berufung ist unbegründet.

Zustimmungsvorbehalt gem. § 14 LuftVG

Das OVG Lüneburg unterstreicht zunächst das Erfordernis von § 14 Abs. 1 LuftVG. Zu der durch den Zustimmungsvorbehalt nach § 14 LuftVG geschützten Sicherheit der Luftfahrt gehört nach dem Wortlaut der Norm der gem. Art. 87a Abs.1 GG von der Bundeswehr wahrgenommene Luftverkehr. Das gilt zwingend auch für den Luftraum, der durch Tiefflüge besonders in Anspruch genommen wird. Zudem ist anerkannt, dass die Bundeswehr im Rahmen der Erfüllung hoheitlicher Verteidigungsaufgaben einen verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraum hat. Dieses Privileg wird zudem durch die verfahrensrechtliche Sonderbestimmung in § 30 Abs. 2 LuftVG flankiert.

Das OVG macht zudem deutlich, dass sich der luftverkehrsrechtliche Zustimmungsvorbehalt von der Einstellung entsprechender militärischer Belange in die Abwägung nach § 35 Abs. 1 BauGB unterscheidet. Schließlich obliegt die Versagung der luftverkehrsrechtlichen Zustimmung einer anderen Behörde (Luftfahrtbehörde). Die Luftfahrtbehörde hat das aus luftverkehrsrechtlichen Gründen faktisch ausgesprochene „Bauverbot“ materiellrechtlich eigenständig zu verantworten.

Ersetzungs der fehlenden Zustimmung?

Auch kann die fehlende Zustimmung nach § 14 Abs. 1 LuftVG im Anfechtungsprozess nicht ersetzt werden. Die Anfechtungsklage ist kassatorisch auf die Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsaktes gerichtet und nicht auf die inhaltliche Änderung.

Eine solche Änderung ist obendrein auch nicht vom Klagebegehren nach § 88 VwGO gedeckt. Vorliegend rügt die Klägerin gerade das Fehlen der luftverkehrsrechtlichen Zustimmung. Im Fall der gegenständlichen Drittanfechtung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides abzustellen. Bezogen darauf müsste die Zustimmung rückwirkend ersetzt werden. Eine entsprechende Rechtsgrundlage ist nicht ersichtlich.

Subjektive Rechte der Bundeswehr?

Die Bundeswehr ist aus Gründen der militärischen Luftsicherheit auch in ihren Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO verletzt (grundsätzlich dazu: BVwerG, Urt. v. 27.9.2018, Az.: 7 C 23/16).

Anknüpfend an die Rechtsprechung des BVerwG vermittelt der Zustimmungsvorbehalt des § 14 Abs. 1 LuftVG bei einer Verweigerung der Zustimmung aus Gründen der nationalen militärischen Flugsicherheit ein subjektives, gerichtlich durchsetzbares Abwehrrecht. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Normierung, allerdings ergibt sich aus den konkretisierten Tatbestandsmerkmalen der Norm, dass diese die Sicherheit des militärischen Luftverkehrs der Bundeswehr schützen soll. Dieser Schutz des Luftverkehrs soll sich im Konfliktfall gegenüber einer „abweichenden“ Ansicht der Immissionsschutzbehörde durchsetzen. Dies ergibt sich überdies auch daraus, dass die fehlende Zustimmung die Genehmigungsbehörde bindet und damit ein unüberwindbares Genehmigungshindernis darstellt. Für die Durchsetzung des Schutzes des militärischen Luftverkehrs ist die Bundeswehr somit materiell Betroffener und somit mit eigenen Rechten ausgestattet.

Zusätzlich ergibt sich der Drittschutz der Bundeswehr aus dem ihr mit Urteil vom 14.12.1994 des BVerwG zugestandenen verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraums. Die Bundeswehr kann im Rahmen ihrer Aufgaben das Gefährdungspotenzial einer Windenergieanlage im Korridor einer Tiefflugübungsstrecke beurteilen. Demnach zählen zu den unter Hoheitsträgern geschützte Rechtsposition gerade auch die Sicherung von Mitwirkungs- und Verfahrensrechten zur Optimierung von Entscheidungen. Außerdem bestimmt sich der Schutz des militärischen Luftverkehrs vor störenden Bauwerken vorrangig nach dem Luftverkehrsgesetz und nur nachrangig nach ungeschriebenen Grundsätzen im Rahmen des allgemeinen Bauplanungsrechts. Für das allgemeine Bauplanungsrecht ist der Drittschutz der Bundeswehr anerkannt. Vor diesem Hintergrund muss die erst Recht für die speziellen Regelungen des LuftVG gelten.

Fazit

Mit der Entscheidung des OVG Lüneburg ist die Drittbetroffenheit der Bundeswehr im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren noch einmal unterstrichen wurden.

Leider hat sich das Gericht nicht mit der Frage der Rechtmäßigkeit des festgelegten Tiefflugkorridors auseinandersetzen müssen. Dies ist und bleibt für die Branche eine elemtenare Frage.

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