24.06.2019

UNESCO Welterbe – OVG Koblenz erklärt Windenergieanlagen für zulässig

Das OVG Koblenz hat mit Urteil v. 06.06.2019 dem Antrag des Klägers auf erneute Verbescheidung über den Genehmigungsantrag für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen in der Nähe vom UNESCO Welterbe „Oberes Mittelrheintal“ stattgegeben. Das OVG Koblenz stellte in seiner Grundsatzentscheidung klar, dass nicht jede mögliche Blickbeziehung zwischen Windenergieanlagen und schützenswerter Landschaft zu einer optischen Beeinträchtigung eben dieser Landschaft führt.

Das Verfahren wurde von den Kollegen der prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich über zwei Instanzen betreut. Daher freuen wir uns umso mehr, über die wesentlichen Hintergründe des wegweisenden Urteils berichten zu dürfen. Dieses wird die Fachdiskussionen um die Errichtung von Windenergieanlagen in der Nähe von UNESCO Welterbestätten in Zukunft maßgeblich mitbestimmen:

Zum Sachverhalt

Der Genehmigungsantrag der Klägerin für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen wurde seitens des Beklagten bereits im Jahr 2015 aus Gründen des Landschaftsbildes sowie Denkmalschutzes abgelehnt. Nach Auffassung des Beklagten führe das Vorhaben zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes.  Zudem sei eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und ein Entgegenstehen von Belangen des Denkmalschutzes gegeben. Eben solche ergäben sich daraus, dass die geplanten Windenergieanlagen in der Nähe zum UNESCO Welterbe „Oberes Mittelrheintal“ errichtet werden sollen.

Das VG Koblenz wies die Klage der Antragstellerin in der ersten Instanz mit Urteil v. 24.07.2018 (748/17.KO) – hier – ab, ohne jedoch eine entsprechende Ortsbesichtigung durchzuführen. Aus diesem Grund ließ das OVG Koblenz mit Beschluss v. 30.11.2018 die Berufung gegen das Urteil des VG Koblenz zu. Nun gab das OVG Koblenz mit Urteil v. 06.06.2019 der Klage statt und verpflichtete den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides der beantragten Windenergieanlagen zur Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Zu den Gründen

Keine Verunstaltung des Landschaftsbildes

Unter genauer Herausarbeitung des Prüfungsmaßstabes sowie der erhöhten Anforderungen, die an ein Entgegenstehen von Belangen des Landschaftsbildes im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für ein privilegiertes Vorhaben zu stellen sind, kommt das OVG Koblenz in seinem Urteil v. 06.06.2019 zu dem Schluss, dass die geplanten Windenergieanlagen zu keiner Verunstaltung des Landschaftsbildes im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB führen werden.

Optische Beziehung notwendig

Hierbei stellt das OVG fest, dass das Gebiet UNESCO Welterbe „Oberes Mittelrheintal“ zwar vom Grundsatz her eine besonders schutzwürdige Landschaft darstelle. Allerdings gehe es bei der Frage nach der Verunstaltung des Landschaftsbildes immer um eine Beeinträchtigung optischer Natur. Aus diesem Grunde bedarf es, so das OVG weiter, zumindest einer bestimmten optischen Beziehung der baulichen Anlage zum Landschaftsbild, damit das Landschaftsbild überhaupt beeinträchtigt werden könne.

Relevante Betrachtungspunkte

Die Annahme einer solchen optischen Beziehung zwischen der baulichen Anlage und dem schützenswerten Landschaftsbild setze zunächst Betrachtungspunkte voraus, von denen aus das schützenswerte sowie das potentiell störende Objekt in den Blick genommen werden könnten. Hierbei bedürfe es Blickpunkte, die für die Wahrnehmung des Landschaftsbildes für einen dort stehenden Betrachter bedeutsam seien. Hierfür sei zum einen eine gewisse Häufigkeit der Frequentierung des Betrachtungspunktes durch potentielle Betrachter erforderlich. Zum anderen müsse das Aufsuchen des Betrachtungspunktes zu einem Zweck erfolgen, der mit dem schützenswerten Landschaftsbild in einem inneren Zusammenhang steht.

Blickbeziehung

Schließlich sei eine schützenswerte optische Beziehung an den bedeutsamen Betrachtungspunkten umso eher dann anzunehmen, sofern man von dem Standort beide Komponenten, d. h. das schützenswerte Objekt sowie das potentiell störende Objekt „auf einen Blick“ wahrnehmen könne. Je weiter man allerdings den Blick horizontal oder vertikal schweifen lassen müsse, um neben dem Landschaftsbild auch das potentiell störende Objekt wahrzunehmen, umso weniger wahrscheinlich sei eine ins Gewicht fallende optische Beeinträchtigung des zu schützenden Landschaftsbildes.

Ortstermin

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind nach Auffassung des OVG Koblenz die durch den Beklagten sowie das VG Koblenz angenommenen erheblichen Beeinträchtigungen nicht gegeben. Das OVG stützt sich dabei auf die bei dem Ortstermin vorgenommene Inaugenscheinnahme von vier Betrachtungspunkten. Die Betrachtungspunkte wurden auf der Grundlage der in der Sichtachsenstudie „Windkraft und UNESCO Welterbe Oberes Mittelrheintal“ – hier – genannten Punkte ausgewählt. An keinem der benannten Sichtpunkte konnte nach Aussage des OVG eine Verunstaltung des Landschaftsbildes festgestellt werden.

Kein Entgegenstehen der Eigenart der Landschaft

Weiter stellte das OVG Koblenz fest, dass auch eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB  der Zulässigkeit der Windenergieanlagen nicht entgegenstünde. Es seien keine zureichenden Anhaltspunkte ersichtlich, die insbesondere unter Berücksichtigung der Privilegierung der Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB eine andere Einschätzung rechtfertigen könnten.

Kein Verstoß gegen Landschaftsschutzgebietsverordnung

Ebenso stünde die Landesverordnung über das „Landschaftsschutzgebiet Rheingebiet von Bingen bis Koblenz“ v. 26.04.2978 dem Vorhaben nicht als öffentlich-rechtliche Vorschrift nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG entgegen. Das OVG sah in diesem Fall bereits den Schutzzweck der entsprechenden Verordnung nicht berührt.

Kein Entgegenstehen von Belangen des Denkmalschutzes

Schließlich stünden dem Vorhaben keine Belange des Denkmalschutzes entgegen. Das OVG Koblenz erkannte bereits angesichts eines Abstandes von mehr als 5 km keine Anhaltspunkte dafür, dass die nach dem Regionalen Raumordnungsprogramm zu schützenden, landschaftsprägenden Gesamtanlagen mit erheblicher Fernwirkung in einer bestimmten optischen Beziehung zu den Windenergieanlagen stünden. Mithin käme eine optische Beeinträchtigung der Bauwerke nicht in Betracht.

Nach Auffassung des OVG Koblenz trugen die vom Beklagten herangezogenen Gründe für die Ablehnung der beantragten Genehmigung allesamt nicht. Demnach hob das Gericht den Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid auf. Gleichzeitig verpflichtete es den Beklagten zur Neuverbescheidung des in der Prüfung steckengebliebenen Genehmigungsantrags.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz hat noch einmal bestätigt:

Bei konsequenter Anwendung der in der Rechtsprechung anerkannten Maßstäbe zur Feststellung einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB ist auch bei der Errichtung von Windenergieanlagen in der Nähe eines UNESCO Welterbe ausschließlich darauf abzustellen, ob überhaupt relevante Sichtbeziehungen vorhanden sind. Anderenfalls ist eine optische Beeinträchtigung auch bei der Annahme einer besonders schützenswerten Landschaft ausgeschlossen.

Zudem zeigt das Urteil auf, dass jedenfalls für die hier geprüften Betrachtungspunkte die Bewertungen in der Sichtachsenstudie „Windkraft und UNESCO Welterbe Oberes Mittelrheintal“ nicht plausibel und nicht vertretbar sind. Es stellt sich daher auch für andere Standorte ernsthaft die Frage, ob die Sichtachsenstudie überhaupt eine geeignete Grundlage bilden kann, die Vereinbarkeit von Windenergieanlagen in der Nähe des Welterbes einzuschätzen.

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