06.12.2019

Kein Grund mehr zur Kranichabschaltung

Das OVG Koblenz hat sich mit der Frage der Rechtmäßigkeit der im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid angeordneten Kranichabschaltung auseinandergesetzt (Urteil vom 31.10.2019 – 1 A 11643/17.OVG). Im Ergebnis hat der Senat die Abschaltauflage zum Schutz von Kranichen in der Genehmigung für eine Windenergieanlage als rechtwidrig angesehen und diese aufgehoben. Dieses Ergebnis begründet das Gericht wie folgt:

Keine signifikante Gefahrerhöhung für Kraniche durch Windenergieanlagen

Der Senat hat folgende Überlegung angestellt:

„Die Kombination aus einer hohen Zahl regelmäßig ziehender Kraniche und mehreren tausend Windenergieanlagen ohne Kranichabschaltauflagen im Zugkorridor ließe eigentlich eine hohe Zahl von Schlagopfern erwarten. Tatsächlich ist die Zahl dokumentierter Schlagopfer aber sehr gering.“

Hinzu kommt, dass es bislang zu keinem einzigen (dokumentierten) Massenunfall von Kranichen an einer Windenergieanlage gekommen ist, obwohl diese in sog. „Trupps“ ziehen. Aus diesem Zusammenhang zieht der Senat den Schluss, dass ziehende Kraniche an Windenergieanlagen nur einem sehr geringen Kollisionsrisiko ausgesetzt sind.

Bisher keine Gefahrrealisierung

Auch im konkreten Einzelfall bestand nach Feststellung des OVG kein Anlass für eine Kranichabschaltung. In Zugrichtung der Kraniche befinden sich vor dem Standort der streitgegenständlichen Windenergieanlage noch weitere Windenergieanlagen, die ohne eine Kranichabschaltung betrieben werden und vor dieser von Kranichen passiert werden. An diesen zahlreichen, teilweise exponierten und nicht abgeschalteten Anlagen ist bislang trotz teilweise jahre- und jahrzehntelanger Betriebsdauer kein einziges Schlagopfer des Kranichs bekannt geworden.

Konkrete Auflage zur Kranichabschaltung verstieß zudem gegen Gleichbehandlungsgebot

Letztlich verstieß die Auflage zur Kranichabschaltung an Massenzugtagen auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG. Insoweit hat die Immissionsschutzbehörde bis in jüngere Vergangenheit in unmittelbarer Nachbarschaft zur streitigen Windenergieanlage zahlreiche Genehmigungen ohne Kranichabschaltungen erteilt. Ein sachlicher Grund für diese Vorgehensweise lag jedoch nicht vor.

Ausblick

Im Laufe der Jahre haben sich die Abschaltungen zum Schutz von Kranichen in die Genehmigungspraxis der Behörden eingeschlichen. Teilweise werden diese nicht mehr kritisch geprüft und als richtig hingenommen. Gerade unter Berücksichtigung der oben vorgestellten Entscheidung des OVG Koblenz sollte daher dieses Vorgehen der Behörden in laufenden Genehmigungsverfahren kritisch hinterfragt werden.

Im Hinblick auf solche Genehmigungen, in welchen Kranichabschaltungen inzwischen bestandskräftig geworden sind, wäre die Frage einer Betriebsänderung in Erwägung zu ziehen. Diese wird jedoch gegenüber der zuständgen Naturschutzbehörden einer Überzeugungsarbeit benötigen.

Copyright by prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH | All rights reserved. | Impressum | Datenschutz | Sitemap