28.02.2020

Update: Schleswig-Holstein – Moratorium für Windenergieanlagen verfassungsgemäß

Mit seiner Entscheidung vom 26.02.2020 (Az.: 5 LB 6/19) erachtet das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht die in § 18a Landesplanungsgesetz (LaplaG) neugefasste Verlängerung des Moratoriums für Windenergieanlagen bis 31.12.2020 für verfassungsmäßig.

Windenergie-Moratorium verfassungsgemäß – Was heißt das?

Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht hat damit bestätigt, dass die Errichtung von Windenergieanlagen gemäß § 18a Abs. 1 S. 2 LaplaG auch bis zum 31.12.2020 flächendeckend in Schleswig-Holstein unzulässig ist.

Die Moratoriums-Regelung in § 18a LaplaG gilt bereits seit 2015 und dient dazu, die laufenden Aufstellungsverfahren des Landes- und der Regionalpläne vor faktischen Veränderungen abzusichern. Zu diesem Zweck wird die Errichtung von Windenergieanlagen (vorläufig) für unzulässig erklärt wird.

Kritik am Windenergie-Moratorium

Durch die erneute Verlängerung der Moratoriums-Regelung gilt das landesplanerische Verbot, im gesamten Landesgebiet Windenergieanlagen zu errichten, insgesamt 6 Jahre. Von „Vorläufigkeit“ kann dabei keine Rede mehr sein.

Das stößt auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken: Durch die Moratoriumsregelung werden die Grundrechte auf Berufsfreiheit und Baufreiheit der Betreiber von Windenergieanlagen eingeschränkt. Dass das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht die Fortdauer dieser Grundrechtseinschränkung dennoch weiter für gerechtfertigt hält, ist nicht nachvollziehbar.

Selbst im Bauplanungsrecht tritt etwa eine Veränderungssperre von Gemeinden (§ 17 BauGB) bereits nach Ablauf von 2 Jahren außer Kraft. Eine Verlängerung ist nur um ein Jahr und bei Vorliegen besonderer Umstände um ein weiteres Jahr möglich.

Die Moratoriums-Regelung in § 18a LaplaG hat diesen Zeitraum jedoch bereits weit überschritten. Vor diesem Hintergrund ist auch erstaunlich, dass das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht eine Vorlage an das Landes- oder Bundesverfassungsgericht ablehnte.

Fazit

Schleswig-Holstein bleibt damit auf absehbare Zeit faktisch für die Windenergienutzung gesperrt.

 

Meldung vom 26.04.2019

Das Moratorium für Windenergieanlagen soll nach dem Willen der Landesregierung von Schleswig-Holstein erneut verlängert werden. Hierzu will die Landesregierung  § 18a Landesplanungsgesetz (LaplaG) ändern und das Moratorium bis zum 31.12.2020 verlängern. Die Landesregierung hat hierzu einen Gesetzentwurf vorgelegt.

Sichtweise des Landesregierung von Schleswig-Holstein

Nach Auffassung der Landesregierung sei die erneute Verlängerung des Moratoriums rechtmäßig. Zwar weiche man mit dieser Dauer von der zulässigen Höchstdauer der Untersagung raumbedeutsamer Maßnahmen gemäß § 12  ROG ab. Hierzu sei der Landesgesetzgeber aber berechtigt.

Dabei sei nach Aussage der Begründung für den Gesetzentwurf (Schleswig-Holsteinischer Landtag Drucksache 19/1347 finden Sie hier) Folgendes zu berücksichtigen: Die Planung erstrecke sich in bundesweit einzigartiger Weise auf das gesamte Landesgebiet. Sie soll unmittelbare Wirkung für die Zulässigkeit von Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entfalten. Dazu müsse die Planung anspruchsvollen inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Anforderungen gerecht werden. Außerdem müsse die Landesplanung aufgrund der räumlichen Reichweite der Planung und ihrer politischen Bedeutung eine sehr hohe Zahl von Stellungnahmen abarbeiten. Hinzu komme, dass die Regionalpläne aus dem zu beschließenden Landesentwicklungsplan zu entwickeln sind (§ 5 Abs. 11 LaplaG, § 13 Abs. 2 ROG).

Die Planung sei schon bisher in der Landesplanungsbehörde unter hohem Aufwand an Personal und Arbeitszeit betrieben worden. Gleichwohl sei es aufgrund der geschilderten Anforderungen noch nicht gelungen, die Planung so weit voranzutreiben, dass mit einem rechtswirksamen Abschluss des Planungsverfahrens bis zum 5. Juni 2019 gerechnet werden könne. Es gelte daher weiterhin, einen „Wildwuchs“ an Windkraftanlagen zu verhindern.

Rechtliche Kritik

Die Landesregierung lässt in ihrer Begründung zur Verlängerung des Moratoriums unberücksichtigt, dass es sich bereits um die zweite Verlängerung dieser Art handeln würde. Sie setzt sich in der Begründung des Gesetzentwurfs  nicht damit auseinander, was eine zweite Verlängerung bis Ende 2020 für die grundsätzlich vorgesehene „Vorläufigkeit“ der Regelung bedeutet.

Vorläufigkeit geht für das Moratorium verloren

Denn auch das Verwaltungsgericht Schleswig stellte in den wesentlichen Entscheidungen zum Moratorium vom 10.09.2015 (Az.: 6 A 190/13 – hier -) sowie vom 22.11.2017 (Az.: 6 A 133/14 – hier -) maßgeblich auf den vorläufigen Charakter des Moratoriums als landesplanerisches Sicherungsinstrument ab. Dabei bringt das Verwaltungsgericht zum Ausdruck, dass ein endgültiges Erlöschen des Genehmigungsanspruchs durch das Moratorium zur Verwirklichung des Sicherungszwecks nicht erforderlich wäre. Zudem würde es einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff darstellen würde, da bereits eine vorübergehende Suspendierung zur Zweckerreichung ausreiche.

Allerdings wirkt das seit 2015 bestehende Moratorium bei einer erneuten Verlängerung bis Ende 2020 faktisch anspruchsvernichtend. Die durch das Verwaltungsgericht Schleswig im Beschluss v. 10.09.2015 vorgenommene Überprüfung des Moratoriums auf seine Verfassungsmäßigkeit kann angesichts der bereits erfolgten sowie der nunmehr geplanten Verlängerung keine Gültigkeit mehr beanspruchen. Das Verwaltungsgericht hatte seine damalige  Überprüfung für das Moratorium unter anderen Vorzeichen vorgenommen, nämlich der Vorläufigkeit des Sicherungsmittels. Denn auch landesplanerische Sicherungsinstrumente sui generis müssen verfassungsmäßige Grundsätze beachten. Zu denen gehört vor allem der Grundsatz der  Verhältnismäßigkeit. Hinzu kommt Folgendes:  Je länger ein Sicherungsinstrument ein Vorhaben blockiert, umso höher werden die Hürden, damit sich dieser Eingriffs in die Grundrechte der Windenergieanlagenbetreiber rechtfertigen lässt.

Vergleich mit einer Veränderungssperre

Hierbei bietet sich auch der Vergleich zum bauplanungsrechtlichen Sicherungsinstrument der Veränderungssperre an. Der Bundesgesetzgeber hat dort erkannt, dass man ein Sicherungsinstrument nicht grenzenlos verlängern  kann, ohne dass eine zu sichernde Planung wesentliche Fortschritte macht. Nach § 17 BauGB tritt daher eine Veränderungssperre nach Ablauf von zwei Jahren außer Kraft. Eine Verlängerung ist lediglich um ein Jahr und bei Vorliegen besonderer Umstände um ein weiteres Jahr möglich. Die Verlängerung des Moratoriums bis Ende 2020 würde die Planungen der Windenergieanlagenbetreiber allerdings bis zu 6 Jahre „vorübergehend“ suspendieren, ohne dass der Landesgesetzgeber eine echte zeitliche Begrenzung des Moratoriums überhaupt in Erwägung zieht.

Andere Planungsinstrumente möglich

Schließlich erkennt die Landesregierung von Schleswig-Holstein in ihrer Gesetzesbegründung selbst, dass bei einer Aufhebung des Moratoriums andere Instrumente des Landesplanungsgesetzes die Gesamtkonzeption der Regionalplanung, so die landesplanerische Untersagung nach § 18 LaPlaG, sichern könnten. Inwieweit diese im Einzelfall unter Berücksichtigung des bisherigen Moratoriums noch angewandt werden können, bedarf selbstverständlich stets einer genauen Prüfung.

Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass auf der Ebene der Bauleitplanung Flächennutzungspläne möglich sind. Diese können eine eigene Steuerungswirkung nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB für die Windenergienutzung in den jeweiligen Gemeindegebieten entfalten. Für deren Aufstellung stehen ebenfalls Plansicherungsinstrumente zur Verfügung. Ohne die Verlängerung des Moratoriums würde man daher nicht, wie in der Gesetzesbegründung behauptet, allein auf die Privilegierung der Windenergienutzung gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zurückfallen. Eine Verlängerung für das Moratorim ist somit auch angesichts der weiteren Sicherungsmöglichkeiten nach dem LaPlaG sowie der Steuerungsmöglichkeit durch Flächennutzungspläne nicht erforderlich.

Fazit

Vor diesem Hintergrund erscheint es zweifelhaft, ob das Verwaltungsgericht Schleswig auch eine erneute Verlängerung des Moratoriums für rechtmäßig erachten würde. Unabhängig hiervon sollte die erneute Verlängerung auch mit Blick auf die gewünschte Energiewende und die gesteckten Klimaziele unterbleiben.

 

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