03.06.2021

Update: Zappenduster – keine Härtefallentschädigung bei EEG-Netzausbau

Kein Licht am Ende des Tunnels – auch BGH lehnt Härtefallentschädigung bei EEG-Netzausbau ab

Anlagenbetreiber können (leider) keine Entschädigung für die Reduzierung der Einspeiseleistung ihrer Anlagen im Zuge von Netzausbaumaßnahmen verlangen! Nachdem schon die Vorinstanz am OLG Brandenburg (siehe hier) die Zahlung einer Härtefallentschädigung verneinte, hatte die hiergegen eingelegte Revision des Betreibers eines PV-Parks in Brandenburg auch beim BGH keinen Erfolg. Das Urteil vom 26.01.2021 (den Volltext lesen Sie hier) ist angesichts der nicht gerade betreiberaffinen Haltung des obersten deutschen Zivilgerichts dem Grunde nach nicht überraschend. Allerdings gaben sowohl der Wechsel der Zuständigkeit für EEG-Fragen vom VIII. auf den XIII. Senat sowie ein erfreulicherweise fein differenzierendes Urteil vom 11.02.2020 (wir berichteten hier) in der Branche durchaus Anlass zu vorsichtigem Optimismus.

Wenig Neues

Mit relativ deutlichen Worten erteilte der BGH nun allerdings all jenen eine deutliche Abfuhr, die nicht zuletzt mit Blick auf die durchaus hörbaren Argumente der Clearingstelle EEG in einem Votum aus dem Jahr 2016 (siehe hier) gehofft hatten, der Bundesgerichtshof könnte das OLG Brandenburg zumindest in diesem Fall überstimmen. Inhaltlich – und deshalb war das aktuelle Judikat so letztlich durchaus erwartbar – schreibt der BGH die von ihm aufgestellten Leitlinien bei der sehr engen Auslegung der Härtefallentschädigung in § 15 EEG 2021 (vormals § 12 EEG) bedauerlicherweise fort. Demnach stelle die netzausbaubedingte Spannungsfreischaltung eines Netzabschnitts schon keinen entschädigungsfähigen Netzengpass dar. Auch eine analoge Anwendung der Härtefallregelung auf derartige Fälle scheide aus. Schließlich schulde der Netzbetreiber auch keinen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB, weil er mit Netzausbaumaßnahmen seiner gesetzlichen Pflicht zur Verstärkung und Optimierung des Netzes nachkommt. Alles keine neuen Argumente, sondern Altbekanntes.

Ansatzpunkte für Windenergieanlagenbetreiber?

Aufhorchen lässt jedoch, dass der BGH davon ausgeht, Netzbetreiber träfen bei der Durchführung und Planung von Netzausbaumaßnahmen grundsätzlich Rücksichtnahmepflichten. Demnach müssten Netzbetreiber im Rahmen des ihnen nach einer Interessenabwägung Zumutbaren, die Interessen der Betreiber der an ihr Netz angeschlossenen EE-Anlagen berücksichtigen. Sie seien daher bei der Organisation der Baumaßnahmen verpflichtet, die Belange der Anlagenbetreiber in den Blick zu nehmen sowie insbesondere die Trennung vom Netz auf den notwendigen Zeitraum zu beschränken. Gegebenenfalls müssten sie dem Anlagenbetreiber insbesondere bei längerfristigen Maßnahmenauch technische Überbrückungsmaßnahmen ermöglichen. An dieser Stelle dürften vor allem Betreiber von Windenergieanlagen hellhörig werden. Bietet sich gestützt auf diese Aussagen doch ein Ansatzpunkt, den Netzbetreibern künftig abzuverlangen, Netzausbaumaßnahmen möglichst in windschwachen Zeiten durchzuführen.

Unternehmerischer Spielraum für Netzbetreiber – keine gute Nachricht für Anlagenbetreiber!

Dem im hiesigen Fall konkret klagenden Betreiber eines PV-Parks in Brandenburg hingegen half dies indes alles nichts. Denn nach dem Motto „Ein Schritt vor und zwei Schritte zurück“ schränkte der BGH seine verheißungsvollen Ausführungen sofort wieder ein. Im Rahmen der Interessenabwägung sei nämlich zu beachten, dass Netzbetreibern bei der Durchführung von Netzausbaumaßnahmen ein großer unternehmerischer Spielraum zustehe. Die Ausfüllung dieses Spielraums sei dabei in erster Linie an dem öffentlichen Interesse an einem zügigen und effizienten Netzausbau zu orientieren. Denn letztlich habe der Netzbetreiber nicht nur die Interessen einzelner Anlagenbetreiber, sondern die sämtlicher Einspeisewilliger und Stromabnehmer zu berücksichtigen. Das Interesse der Allgemeinheit an der Errichtung und dem v.a. wirtschaftlichen Betrieb von EE-Anlagen findet, wie schon zu oft, keine Erwähnung. Das ist umso bedauerlicher, als es gerade private Investoren sind, die mit eigenem, nicht ganz geringem finanziellen Risiko die Energiewende zu einer Erfolgsgeschichte machen.

Gerade das Zugeständnis eines  „großen unternehmerischen Spielraums“ der Netzbetreiber lässt nicht Gutes erahnen. Erinnert dieser Terminus doch stark an den schon verwaltungsrechtlich nur schwer zu fassenden und vor allem gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Und welcher Anlagenbetreiber hat schon Einblick, welche tatsächlichen und organisatorischen Möglichkeiten einem Netzbetreiber konkret zur Verfügung stehen. Auch die Klägerin im hiesigen Verfahren scheiterte letzten Endes mit dem Einwand, sie könne nicht nachvollziehen, warum bestimmte Änderungen der Bauplanung nicht möglich waren oder bestimmte andere Einspeisemöglichkeiten nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand hätten geschaffen werden können. Aus diesem Grunde bleibt abzuwarten: Handelt es sich bei der Rechtsprechung des BGH lediglich um ein wohlfeil formuliertes Feigenblatt, oder lässt sich das oberste deutsche Zivilgericht zu Zeiten in Sachen Härtefallentschädigung auch beim Wort nehmen? Wir halten Sie sicher auf dem Laufenden!

Meldung vom 03.09.2019

Keine Härtefallentschädigung bei EEG Netzausbau

Pro Jahr werden mehrere Gigawatt an Erzeugungsleistung von EE-Anlagen aufgrund zu hoher Einspeisung ins Netz abgeregelt, etwa wenn der Wind kräftig weht oder die Sonne scheint. Das EEG regelt entsprechende Maßnahmen der Netzbetreiber seit seiner Fassung aus dem Jahr 2009 mit dem sogenannten Einspeisemanagement. Die Einnahmeverluste der Anlagenbetreiber werden bis zu einem gewissen Grad und unter bestimmten Voraussetzungen durch die aktuell in § 15 EEG 2017 verankerte Härtefallregelung (zur anstehenden Überführung der Regelungen des Einspeisemanagements in das EnWG berichteten wir zuletzt hier) entschädigt.

Neben Maßnahmen des Einspeisemanagements regulieren die Netzbetreiber die Netzeinspeisung sehr häufig aber auch im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Versorgungssicherheit der öffentlichen Stromversorgung nach dem EnWG. Hierfür ist allerdings nicht in allen Fällen eine Entschädigung vorgesehen. Es überrascht daher wenig, dass gerade die Frage, ob Netzschaltungen zu entschädigen sind, immer wieder zu Streitigkeiten führen.

BGH: Keine Entschädigung bei Wartungsarbeiten

Eine der wohl wesentlichsten Fragen in diesem Zusammenhang hat der BGH zwischenzeitlich entschieden. Für Netzschaltungen aufgrund von Wartungs- und Reparaturmaßnahmen kann der Anlagenbetreiber die Härtefallentschädigung nach dem EEG demnach nicht verlangen (das Urteil vom 11.05.2016 lesen Sie hier). Das höchste deutsche Zivilgericht begründet dies vor allem damit, dass ein für die Härtefallentschädigung gemäß EEG notwendiger Netzengpass in derartigen Fallgestaltungen schon nicht gegeben sei. Auch eine analoge Anwendung der EEG-Entschädigungsvorschriften kommt wegen des weitgehend abschließenden Charakters des Gesetzes nicht in Betracht. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass Netzbetreiber im Falle von Wartungs- und Reparaturmaßnahmen ihren gesetzlichen Pflichten nach dem EnWG nachkämen. Deshalb läge auch kein schadenersatzbegründender Verstoß gegen die Abnahmepflicht nach dem EEG vor.

Lichtblick von der Clearingstelle EEG

So weit, so schlecht!„, mag sich der geneigte Rechtsanwender angesichts dieser – im Übrigen wenig erstaunlich – betreiberfeindlichen Rechtsprechung gedacht haben. Was aber gilt in Fällen, in denen Netzschaltungen nötig sind, weil das Netz gerade für die weitere Einspeisung aus EE ausgebaut wird? Hierzu hatte sich der BGH im vorgenannten Urteil nicht verhalten. Die Clearingstelle EEG widmete sich dieser Frage daher in einem Votum aus dem Jahr 2016 (siehe hier). Sie kam zu dem Ergebnis, dass Reduzierungen der Einspeiseleistung, die angeordnet werden, um Maßnahmen zur Erweiterung der Netzkapazität durchzuführen, grundsätzlich als entschädigungspflichtige Maßnahme des Einspeisemanagements qualifiziert werden können.

Die Clearingstelle EEG begründet dieses Ergebnis letztlich vor allem mit einem durchaus nachvollziehbaren Argument. Der Netzausbau diene ja dazu, Netzengpässe künftig zu reduzieren bzw. zu vermeiden. Fehlende Netzkapazitäten aufgrund hoher Einspeisung und nicht proportional voranschreitenden Netzausbaus seien strukturell bedingte Defizite, auf die mit der erforderlichen Kapazitätserweiterung zu reagieren ist, die wiederum Folge des strukturellen Defizits ist. Daher seien sowohl Abregelungen im Planungsstadium des EEG-Netzausbaus als auch bei der konkreten Umsetzung des geplanten EEG-Netzausbaus grundsätzlich entschädigungspflichtige Maßnahmen.

Nix is! – OLG Naumburg und OLG Brandenburg lehnen Härtefallentschädigung ab

Mit diesem Lichtblick im Rücken forderten einige Anlagenbetreiber auch im Falle von EEG-Netzausbaumaßnahmen Entschädigungen für abgeregelte Strommengen. Die jeweiligen Klageverfahren, in denen es um 78 bzw. 30 Netzschaltungen ging, wurden nun durch die Oberlandesgerichte Naumburg (Urteil v. 05.10.2018 – Az. 7 U 25/18) und Brandenburg (Urteile v. 30.07.2019 – Az. 6 U 27/18 und 6 U 28/18) im Einklang mit den Vorinstanzen zulasten der Anlagenbetreiber entschieden. Kurzum: Für Netzschaltungen im Zuge von Netzausbaumaßnahmen können Anlagenbetreiber die Härtefallentschädigungen gemäß EEG nicht verlangen.

Wie schon der BGH in seinem Urteil aus dem Jahr 2016 verneinten die Gerichte das Vorliegen eines für die Entschädigung nötigen Netzengpasses. Die Regelungsmaßnahmen seien nämlich nicht aufgrund zu hoher Einspeisung aus Erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz erfolgt. Es gelte insoweit das Gleiche wie für Netztrennungen, die wegen Reparatur-, Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen erforderlich sind. Während sich das OLG Naumburg mit der entgegengesetzten Argumentation der Clearingstelle EEG zumindest noch auseinandergesetzte, war dem OLG Brandenburg das Votum nicht einmal eine Erwähnung wert. Das ist umso bedauerlicher, als die Argumente der Clearingstelle EEG durchaus nachvollziehbar sind. Wirtschaftlich gesehen wäre es aus Sicht der Anlagenbetreiber nämlich paradoxerweise besser, die Netzbetreiber ertüchtigten die Netze nicht. Das kann aber niemand ernsthaft wollen.

Zudem wäre dies Wasser auf die Mühlen derer, denen es ohnehin ein Dorn im Auge ist, dass EE-Anlagen auch vergütet werden, wenn sie keinen Strom erzeugen. Es darf aber an dieser Stelle das gesetzgeberische Versprechen nicht aus dem Blick verloren werden. Denn den wirtschaftlich erheblich in Vorleistung gehenden Anlagenbetreibern sollte durch die Härtefallregelung das mit einem unausgebauten Netz verbundene Risiko weitgehend genommen werden, die vom Gesetzgeber ausgelobten Vergütungen nicht in Anspruch nehmen zu können. Gerade angesichts dessen leuchten die Judikate der beiden Oberlandesgerichte nicht wirklich ein. Denn es ist gerade nicht unbillig, dass sich die Anlagenbetreiber auf das im EEG verankerte Vergütungsversprechen auch berufen.

Was ist nun zu tun?

Ist damit das letzte Wort gesprochen? Wohl noch nicht. Beide Oberlandesgerichte haben nämlich die Revision zum BGH zugelassen. Angesichts der bisher – gelinde gesagt – doch recht restriktiven Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in EEG-Vergütungsfragen ist aktuell allerdings nicht zu erwarten, dass er die Rechtsfrage inhaltlich grundlegend anders bewerten wird. Wir werden Sie in jedem Fall auf dem Laufenden halten.

In der Zwischenzeit sollten Anlagenbetreiber allerdings in Fällen von Netzschaltungen oder sonstigen Anlagenregelungen unbedingt Rechtsrat einholen. Vielfach sind nämlich Entschädigungsfragen vom Einzelfall abhängig. Zudem ist sorgfältig danach zu differenzieren, welche Ursache die einzelne Regelungsmaßnahme hat und welche Ansprüche sich daraus ergeben. Auf das Votum der Clearingstelle EEG kann an dieser Stelle nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden. Zum einen ist es noch zum EEG 2009 ergangen. Diesbezüglich hat sich auch der Gesetzeswortlaut zwischenzeitlich nicht ganz unerheblich geändert. Demnach lässt sich in der Tat hinterfragen, ob bzw. wie weit die Entscheidung auf die aktuelle Rechtslage übertragbar ist. Zum anderen kommt gerade Voten, anders als Empfehlungen oder Hinweisen, nicht die Rechtswirkung nach § 57 Abs. 5 EEG 2017 zugute. Zu Detailfragen beraten wir Sie gern.

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