08.02.2023

Zurückstellung von Anträgen bei vorwerfbaren Verzögerungen der Bauleitplanung

Gemeinden müssen sich bei ihrer Bauleitplanung schon ein bischen ranhalten, denn bei Verzögerungen könnte es mit einer Zurückstellung schwierig werden. So könnte man einen aktuellen Beschluss des OVG Lüneburg zusammenfassen. Konkret ging es um die erneute Zurückstellung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheidsverfahrens für fünf Windenergieanlagen nach § 15 Abs. 3 S. 4 BauGB um ein weiteres Jahr. Wegen „besonderer Umstände“, wie es § 15 Abs. 3 S. 4 BauGB verlangt. Diese sah das Gericht hier aber nicht als gegeben an und ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Zurückstellungsbescheid an.

Denn die „besonderen Umstände“ dürfen der Gemeinde nicht anzulasten sein. Beispielsweise haben Gerichte Verzögerungen gerügt, die auf fehlenden zeitliche Vorgaben in Verträgen mit einem Planungsbüro beruhen. Oder darauf, dass die Kommune aufgrund eigener „Entscheidungsschwäche“ die Fertigstellung der Planung vor sich hergeschoben hat. Oder auch, dass sie es unterlassen hat, sich frühzeitig über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu informieren und eigene Wissenslücken aktiv durch die Einholung von Rechtsrat zu schließen. Das sind schon einigermaßen strenge Anforderungen, der sich wohl auch nicht jede Gemeinde immer bewusst ist. Das OVG Lüneburg stellte nun klar, dass „als Fehlverhalten einer Kommune auch solche Ursachen von Verzögerungen in Betracht kommen, die zeitlich vor der ersten Zurückstellung gesetzt worden sind, aber im Zurückstellungszeitraum fortwirken.“

Gemeinde muss Bauleitplanung vorausschauend vorantreiben

Denn eine Gemeinde muss ihr Planverfahren  „unter Einsatz ihrer Verwaltungskraft, mit der notwendigen Umsicht vorausschauend und in intensiver Bearbeitung“ betreiben. Und dabei darf sie nicht etwa (vorsorglich) Dispositionen unterlassen, die geeignet sind, verzögernd (auch) in Zeiträume einer Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB hineinzuwirken. Eine Kommune, die eine Konzentrationsflächenplanung für Windenergieanlagen betreibt, müsse nämlich „infolge der geänderten Energiepolitik („Energiewende“) schon seit einigen Jahren generell ins Kalkül ziehen, dass zur Absicherung dieser Planung eine Zurückstellung von Vorhaben der Windenergienutzung notwendig werden kann.“

Wenngleich nach Auffassung des OVG Lüneburg nicht jede geringe Verzögerung, die die Gemeinde zu vertreten hat, die Anwendung des § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB sperrt. Die von ihr zu vertretenden (geringen) Verzögerungen seien dann aber bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen. Hierfür sei die Summe der zu vertretenden Verzögerungen, die innerhalb des ersten Zurückstellungszeitraumes verursacht wurden, gedanklich vom beantragten „Verlängerungs-Jahr“ abzuziehen. Beibt dann noch überhaupt ein Zeit-Kontingent übrig, muss die Behörde die zu vertretenden Verzögerungszeiten zwar nicht regelhaft im Verhältnis 1:1 vom beantragten Zurückstellungszeitraum abziehen. Über die genaue Länge der Frist sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Hier forderte das Gericht neutrale Objektivität, „also weder Beckmesserei noch allzu verständnisvolle Milde“.

Behörde muss vorwerfbare Verzögerungszeiträume ermitteln

Diese Maßstäbe muss die zuständige Behörde beachten und ermitteln, ob der Gemeinde etwaige Verzögerungen vorwerfbar sind. Tut sie dies nicht und stellt trotzdem einen Antrag nochmal um ein Jahr zurück, ist die Zurückstellung von vornherein ermessensfehlerhaft und rechtwidrig.

Im zu entscheidenden Fall erschien dem Gericht schon generell die Zeitspanne von rund zwei Jahren zwischen Aufstellungsbeschluss und dem Beginn der frühzeitigen Beteiligung „auffällig – und tendenziell vorwerfbar zu lang.“ Dabei bot auch das anhängige Normenkontrollverfahrens gegen das übergeordnete Regionale Raumordnungsprogramm nicht zwingend eine „tragfähige Begründung dafür, dass eine Samtgemeinde den Ausgang des Gerichtsverfahrens abwartet und deshalb der eigenen Flächennutzungsplanung für die Windenergie nicht zügig Fortgang gibt.

All das hätte die Genehmigungsbehörde veranlassen müssen, ein Fehlverhalten der Gemeinde zu prüfen. Ein solches erblickte das OVG Lüneburg darin, dass die Gemeinde erst ein fehlerhaftes Planungskonzept erstellt hatte, das sie dann erstmal korrigieren musste. Konkret hatte die Gemeinde Gastvogellebensräume fehlerhaft den harten Tabuzonen zugeordnet. Hier kannte das Gericht keine Gnade: Derartige Flächen seien schließlich schon im Windenergieerlass nicht zu den anerkannten harten Tabuzonen gerechnet worden und „waren zudem schon Gegenstand einer über das Stichwort „Gastvogellebensräume“ in Datenbanken recherchierbaren Rechtsprechung des beschließenden Senats„! Die Gemeinde hätte daher die Notwendigkeit einer entsprechenden Korrektur zügiger erkennen und umsetzen müssen.

Ein klassischer Fall, der zeigt: Kommunen haben es in der Hand, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten – oder eben nicht zu leisten. Projektierer, deren Genehmigungsanträge wegen einer unguten Kombination aus Zurückstellung und Verzögerungen der Bauleitplanung auf Eis liegen, stärkt das OVG Lüneburg mit dieser Entscheidung den Rücken. Gemeinden, die jahrelang ihre Planungen schleifen lassen, macht es mit klaren Worten Beine.

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