29.07.2021

Abschaltzeiten für den Artenschutz als Nebenbestimmungen

Häufig genehmigen deutsche Behörden den Betrieb von Windenergieanlagen nur mit der Maßgabe, bestimmte Abschaltzeiten einzuhalten. Stillstehende Rotorblätter sollen beispielsweise Fledermäuse oder Vögel schützen und damit einen Verstoß gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot vermeiden. Am 19.05.2021 hat nunmehr das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass es sich bei diesen Abschaltzeiten um Nebenbestimmungen handelt. Diese können vom Betreiber der Anlage isoliert mit einer Klage angefochten werden.

Rückblick

Bisher war das OVG Berlin-Brandenburg davon ausgegangen, dass die Anordnung von Abschaltzeiten in einem Genehmigungsbescheid bedeutet, die erteilte Genehmigung gelte von vornherein nur zeitlich begrenzt. Es hatte daher die Abschaltzeiten als Inhaltsbestimmungen gewertet, die sich nicht von der Genehmigungsentscheidung lösen ließen. Eine isolierte Anfechtung von Fledermausabschaltzeiten ließ das OVG daher bisher nicht zu. Vielmehr verwies es auf die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Neubescheidung.

Abschaltzeiten als Auflage

In seinem Beschluss vom 19. Mai dieses Jahres hat das OVG seine Auffassung nun revidiert. Es betrachtet die Anordnung von Abschaltzeiten nunmehr als bloße Nebenbestimmung zur Genehmigung.

Abschaltzeiten als selbsständige Handlungspflichten

Die Änderung seiner Rechtsprechungspraxis begründete das OVG vor allem damit, dass ein Anlagenbetreiber selbst aktiv werden und die Anlage zu den vorgegebenen Zeiten abschalten müsse. Weiterhin habe er beständig die Witterungsverhältnisse zu kontrollieren und gegebenenfalls wiederum mit Abschaltung zu reagieren. Damit seien ihm selbstständige Handlungspflichten auferlegt, die nicht den Regelungsgehalt der Genehmigung modifizieren.

Abschaltzeiten führen zu keinem Aliud

Die angeordneten Abschaltzeiten verwandelten die Genehmigung auch nicht in ein aliud im Vergleich zum begehrten Bescheid. Der Betreiber begehrte eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Errichtung und Betrieb von 11 Windenergieanlagen. Genau das hätte ihm die Genehmigungsbehörde qualitativ gewährt.

Vergleich zu OVG Weimar

Im Jahr 2015 hatte bereits das OVG Weimar (Az.: 1 EO 356/14) Abschaltzeiten  für Flederäuse als Nebenbestimmungen qualifiziert. Es war davon ausgegangen, eine Genehmigungsbehörde habe bei der Wahl der Mittel zur Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen einen gewissen Gestaltungsspielraum. Anforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dürften danach sowohl durch Inhalts- als auch durch Nebenbestimmungen erfüllt werden. Im zu entscheidenden Fall hatte die Behörde u.a. die Bezeichnung „Nebenbestimmung“ verwendet.

Falschbezeichnung als Inhaltsbestimmung irrelevant

Die aktuelle Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg geht darüber hinaus. Einer Klassifizierung als Nebenbestimmung stehe es explizit nicht entgegen, wenn der Genehmigungsbescheid die Abschaltzeiten fälschlich als Inhaltsbestimmung bezeichnet. Eine objektive Betrachtung der Handlungspflichten zur zeitweisen Abschaltung aus Empfängersicht lasse nur deren Typisierung als neben der Genehmigung bestehende Auflage zu.

Bedeutung für die Genehmigungserteilung

Die Qualifizierung von Abschaltzeiten als Nebenbestimmung durch das OVG Berlin-Brandenburg ist im Übrigen bereits für die Genehmigungserteilung relevant. Lässt sich ein Genehmigungshindernis nämlich durch eine Nebenbestimmung ausräumen, ist nach der Rechtsprechung die Genehmigung mit diesen Bestimmungen zu erteilen. Die Entscheidung des OVG zeigt auf, dass Behörden über dieses Mittel bei artenschutzrechtlichen Problemstellungen, denen mit zeitweisen Abschaltungen begegnet werden kann, verfügen.

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