26.11.2021

Abschaltzeiten zur Senkung des Tötungsrisikos geeignet

Abschaltzeiten für Windenergieanlagen im Genehmigungsbescheid können nach einer Entscheidung des OVG Greifswald aus dem Oktober einen Verstoß gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot auch im empfohlenen Mindestabstand bzw. Ausschlussbereich verhindern. Ferner bilde das Helgoländer Papier nicht den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft ab.

Artenschutzrechtliches Tötungsverbot

Das Gericht musste sich in seiner Eilentscheidung unter anderem mit der Frage des Tötungsverbotes für Rohrweihe und  Rotmilan befassen. Das Tötungsverbot gem. § 44 Abs. 1 BNatSchG bedeutet konkret: geplante Windenergieanlagen dürfen das Risiko, dass Tiere zu Tode kommen (z.B. durch Kollision mit Rotorblättern), nicht signifikant erhöhen.

Ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko der Rohrweihe wird in Mecklenburg-Vorpommern etwa vermutet, wenn sich eine Windenergieanlage innerhalb des 500-Meter-Radius um den Brutplatz des Vogels befindet. Dann liegt das Vorhaben im sog. Ausschlussbereich nach der „Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen (AAB-WEA), Teil Vögel, Stand: 01.08.2016“ des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern.

Abschaltzeiten im Ausschlussbereich geeignet

Auch für diesen Ausschlussbereich erachtet das OVG Abschaltzeiten grundsätzlich als geeignet, um ein erhöhtes Tötungsrisiko unter die Signifikanzschwelle zu senken.

Zeitraum der Abschaltzeiten

Dabei konkretisiert das OVG den Zeitraum der erforderlichen Abschaltung. Der Gesamtzeitraum der Abschaltung muss die maßgeblichen Aufenthalts- und Aktionszeiten des Vogels erfassen: Im vorliegenden Fall hatte die Genehmigungsbehörde zum Schutz der Rohrweihe eine Abschaltung der Windenergieanlagen von März bis Oktober eine Stunde vor Sonnenaufgang bis eine Stunde nach Sonnenuntergang festgelegt. Dies sah das Gericht als ausreichend an. Die Zeit der Brutplatzbesetzung, der Balz, der Eiablage und der Jungvögelfütterung des tagaktiven Zugvogels seien hiermit erfasst.

Tötungsrisiko betriebsbezogen

Unter dieser Maßgabe dürfe Windenergienutzung auch innerhalb eines Ausschlussbereichs, der von der Bebauung mit Windenergieanlagen freigehalten werden soll, stattfinden. Entscheidend sei allein, ob die Windenergieanlage tatsächlich das Tötungsrisiko geschützter Arten signifikant erhöhe. Das OVG weist zutreffend darauf hin, dass Kollisionsgefährdungen nicht durch die Errichtung, sondern durch den Betrieb von Windenergieanlagen entstehen. Eine Betriebspause zu Zeiten erhöhten Vogel- und Flugaufkommens sei somit grundsätzlich ein wirksames Mittel zur Senkung dieses Risikos.

Wirtschaftlichkeitsfragen durch Abschaltzeiten unerheblich

Dass in der Folge Windenergieanlagen im Ausschlussbereich eventuell ihre „Atypik“ verlieren, stehe der Eignung von Abschaltzeiten nicht entgegen. Unerheblich sei auch die Frage der Wirtschaftlichkeit. Denn die liege im Unternehmerrisiko des Betreibers und sei für die Frage der Privilegierung der Windenergienutzung nicht relevant.

Helgoländer Papier kein allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft

Ferner bekräftigt das OVG in seiner Entscheidung, die „Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten, Stand April 2015“ der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarte gelte nicht als „der“ Stand der Wissenschaft. Daher durfte die AAB-WEA des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern von den Regelungen des sog. Helgoländer Papiers unter Berücksichtigung der besonderen regionalen Verhältnisse abweichen. Die AAB-WEA sieht einen Mindestabstand zwischen Windenergieanlagen und Brutplätzen bzw. Brutvorkommen des Rotmilans von lediglich 1.000 m vor, das Helgoländer Papier hingegen 1.500 m.

Fazit

Nach der viel beachteten Entscheidung des OVG Münster hat mit dieser Entscheidung nun ein weiteres Obergericht festgestellt, dass ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko jedenfalls durch Abschaltzeiten über einen längeren Zeitraum vermieden werden kann und demzufolge eine Verweigerung der Genehmigung ausgeschlossen ist. Es bleibt zu hoffen, dass sich weitere Gerichte in diese Rechtsprechung einreihen und damit ein weiterer Baustein zur Stärkung des Windenergieausbaus hinzukommt.

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