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News
29.07.2022

Artenschutzrechtlichen Ausnahme für Windenergieanlagen

Die artenschutzrechtliche Ausnahme für Windenergieanlagen rückt zunehmend in den Focus von Gesetzgebung und Rechtsprechung. Während die seit jeher in § 45 Abs. 7 BNatSchG enthaltene Ausnahmemöglichkeit bis vor Kurzem eher ein Schattendasein führte, gewinnt sie in den letzten Monaten akut an Bedeutung. Zuletzt hatte der Gesetzgeber am 07.07.2022 das im „Osterpaket“ enthaltene „Vierte Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes beschlossen. Dies soll u.a. speziell die Ausnahmeerteilung für Windenergievorhaben erleichtern und rechtssicherer gestalten. Man wird sehen, ob diese teilweise hochkomplexen Neuerungen bei den Genehmigungsbehörden zu einer größeren „Anwendungsfreude“ führen werden.

Neue Verordnungsermächtung für befristete artenschutzrechtliche Ausnahmen für Windenergieanlagen

Dass der Gesetzgeber selbst daran Zweifel haben könnte, darauf deuten zumindest die ebenfalls am 07.07.2022 beschlossenen Änderungen des Energiesicherungsgesetzes hin. Darin sind diverse Verordnungsermächtigungen enthalten. Zur „Vermeidung einer unmittelbaren Gefährdung oder Störung der Energieversorgung, insbesondere im Fall einer drohenden Knappheit von Kohle, Erdgas oder Erdölkann die Bundesregierung in einer solchen Verordnung u.a. Vorschriften erlassen über „befristete Abweichungen oder Ausnahmen (…) von den Regelungen des Abschnitts 3 des Kapitels 5 des Bundesnaturschutzgesetzes (…), soweit sie den Betrieb von Windenergieanlagen betreffen„. So sperrig diese Formulierung, so kryptisch bleibt sie inhaltlich. Zwar gilt dies ausdrücklich nur für den Betrieb von Anlagen, soweit diese zwingend erforderlich sind, „um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie zu sichern, oder für den Betrieb sonstiger Anlagen, insbesondere um diesen zu ermöglichen, den Einsatzbrennstoff zu wechseln, damit dieser für die Sicherstellung der Energieversorgung zur Verfügung gestellt werden kann„. Der zeitliche Anwendungsbereich – die drohende Knappheit von Kohle, Erdgas oder Erdöl – dürfte nach der eigenen Begriffsdefinition in der Novelle bereits jetzt eröffnet sein.

Ob die Bundesregierung daher bald von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch machen wird?

Restriktive Rechtsprechung zur artenschutzrechtlichen Ausnahme

Wünschenswert dürfte das schon deshalb sein, da die Rechtsprechung die artenschutzrechtliche Ausnahme nach wie vor ziemlich restriktiv anwendet. So wollte kürzlich das OVG Lüneburg einem von einer nachträglichen Fledermaus-Abschaltanordnung betroffenen Genehmigungsinhaber keine artenschutzrechtliche Ausnahme zugestehen, da „durch Nutzung von Reserven bereits vorhandener WEA“ auf alternativen Standorten (im gesamten Gebiet des jeweiligen Trägers der Regionalplanung!) der durch die Abschaltzeiten verursachte geringere Energieertrag ohne Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG generiert werden könnte!

In einer weiteren aktuellen Entscheidung widersprach das OVG Lüneburg der Rechtsprechung des OVG Münster, wonach kraft der Konzentrationswirkung gem. § 13 BImSchG eine artenschutzrechtliche Ausnahme in der Genehmigung „automatisch“ mitenthalten und von Amts wegen deren Erteilung zu prüfen sei (wir berichteten hier). Das OVG Lüneburg hingegen lässt keinen Zweifel daran, dass seiner Auffassung nach die Genehmigungsbehörde schon im Laufe des Verwaltungsverfahrens (auch) gegenüber dem Vorhabenträger deutlich machen und spätestens im Bescheid eindeutig zum Ausdruck kommen muss, ob sie das Vorhaben ohne Weiteres für genehmigungsfähig erachtet oder nur im Wege der (ggf. mit dem Bescheid zugleich erteilten) Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG legitimiert. In den Genehmigungsbescheid könne „nicht (nachträglich) die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung „hineingelesen“ bzw. gerichtlich eingefügt werden.“

All dies bedeutet für Vorhabensträger und Behörden in nächsten Wochen erstmal: Viel Arbeit, die komplexen Neuregelungen zu durchdringen. Und wichtiger denn je: Eine etwaige artenschutzrechtliche Ausnahme für Windenergieanlagen im Genehmigungsverfahren sorgfältig abzuarbeiten. Und sich auf baldige weitere Neuregelungen einzustellen.