Altmaiers Aufgabenliste für mehr Ausbau und Akzeptanz der Windenergie
Auf dem Windenergiegipfel am 05.09.2019 hatten zahlreiche Verbände und Umweltschutzorganisationen auf den massiven Rückgang der Genehmigungen für Windenergieanlagen hingewiesen. Gerade der Bundesverband Windenergie e.V. hatte schnelle Maßnahmen nicht nur gefordert, sondern konkret vorgeschlagen. Nun ist das Bundeswirtschaftsministerium aktiv geworden. Es hat diese Woche eine „Aufgabenliste“ zur Stärkung des Ausbaus der Windenergie an Land vorgelegt (abrufbar hier).
Aufgabenliste für die Ministerien
Mit diesem 18 Maßnahmen umfassenden Arbeitsplan will das Bundeswirtschaftsministerium den Ausbau der Windenergie vorantreiben und gleichzeitig die Akzeptanz der Windenergienutzung steigern. Zu diesem Zweck sollen diverse Bundesministerien die ihnen zugewiesenen Aufgaben zumeist 2020, teilweise noch 2019 erfüllen.
Mindestabstand
Demnach müsste z.B. das Bundesministerium des Innern noch 2019 den im Klimaschutzprogramm vorgeschlagenen bundesgesetzlichen 1.000m-Mindestabstand zur Wohnbebauung umsetzen – als „Akzeptanzmaßnahme“. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Vorschlag im Rahmen des zur Umsetzung erforderlichen Gesetzgebungsverfahrens noch einmal gründlich überdacht wird. Denn hiermit würde nicht nur eine massive Flächenverknappung einhergehen. Auch würde die jahrelange Arbeit der Planungsträger für Regional- und Flächennutzungsplanung durch einen Federstrich des Gesetzgebers zunichte gemacht.
Einschränkung Rechtsschutz und zentrale Genehmigungsbehörde
Als „Maßnahmen zur Beschleunigung von Genehmigungen“ schlägt das Ministerium die Verkürzung des gerichtlichen Instanzenzugs auf eine OVG- und BVerwG-Zuständigkeit vor. Zudem soll die aufschiebende Wirkung von Klagen und Widersprüchen eingeschränkt werden.
Die Einrichtung einer zentralen Behörde pro Bundesland soll die Genehmigungsverfahren selbst beschleunigen. Dies dürfte auf Landesebene auf besondere Aufmerksamkeit stoßen, da Fragen über Behördenzuständigkeiten im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren in die Kompetenz der Landesgesetzgeber fällt. Auch die Landesbehörden selbst werden hierauf ein besonders Auge haben, wissen sie doch aus der Vergangenheit, dass solche Zuständigkeitswechsel regelmäßig mit erheblichen Personalverlagerungen einhergehen. Interessant wird sein, wie lange die Bundesländer für die Umsetzung der hierfür erforderlichen landesrechtlichen Regelungen benötigen und ob diese den sportlichen Zeitplan 2020 werden einhalten können. Ob der dann in vielen Bundesländern wiederholte Wechsel in der Behördenzuständigkeit tatsächlich eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren mit sich bringt, mag jedenfalls für die Anfangszeit zu bezweifeln sein.
Naturschutz
Auf materieller Ebene der Genehmigungsvoraussetzungen soll insbesondere die bisher wohl größte Bremse für den Windenergieausbau, das Artenschutzrecht, angegangen werden.
Das Bundesumweltministerium soll entsprechend Altmaiers Aufgabenliste eine „einheitlichen Anwendung von Naturschutzrecht durch eine Technische Anleitung zum Artenschutz (TA Artenschutz)“ sicherstellen. Eine solche „TA Artenschutz“ ist bereits seit einiger Zeit, jedoch äußerst kontrovers, in der Diskussion. Mit einiger Berechtigung gibt es Bedenken, dass in einer solchen TA Artenschutz Maximalforderungen zugunsten der Artenschutzes aufgestellt werden könnten. Zudem besteht die Gefahr, dass starre Schutzabstände insbesondere zu Greifvogelbrutplätzen sowie starre Vorgaben zur Erfassung und Bewertung implementiert werden, die jegliche Einzelfallbetrachtung ausschließen, obwohl sie aufgrund der Raumnutzung und sonstiger Gegebenheiten vor Ort zugunsten der Windenergienutzung geboten wäre.
Deutlich positiver erscheint demgegenüber der Vorschlag, im Gesetz den sog. „Populationsansatz“ zu verankern. Das gilt auch für den Vorschlag, einen weiteren Ausnahmegrund beim Artenschutz für den Ausbau von erneuerbaren Energien in § 45 Abs. 7 Nr. 4 BNatSchG aufzunehmen.
Nahezu überfällig erscheint schließlich der Vorschlag, Maßnahmen zum Klimschutz von den Ausgleichspflichten der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung vollständig auszunehmen. Hierdurch würde der Gesetzgeber endlich anerkennen, dass Maßnahmen zum Klimaschutz gleichsam Maßnahmen zum Naturschutz sind.
Drehfunkfeuer
Mit den Anforderungen von Drehfunkfeuern soll sich eines weiteren altbekannten „Hemmschuhs“ des Windenergieausbaus angenommen werden. Einerseits ist offenbar geplant, die Anlagenschutzbereiche um derartige Einrichtungen zu verkleinern (derartige Ansinnen auf der Grundlage internationaler Empfehlungen von Seiten der Windenergiebranche hat die DFS bislang immer verhement zurückgewiesen). Zusätzlich soll auf Veranlassung des Ministeriums die DFS ihre bisherige Prognosemethode für Störpotenziale von Windenergieanlagen an Drehfunkfeuern überarbeiten. Auch dies hat die Windenergiebranche schon seit Jahren gefordert, verbunden mit dem Hinweis auf zahlreiche wissenschaftliche Äußerungen, die die bisherige Herangehensweise der DFS in weiten Teilen für fachlich unplausibel hielten (wir berichteten u.a. hier).
Auch die Umsetzung dieser Aufgaben ist zum Teil bereits für 2019 geplant. So erfreulich die angedachten Schritte für die Windenergienutzung sein dürften, muss man kritisch fragen: Weshalb erst jetzt? Die sachlichen Kritikpunkte am Vorgehen der DFS, die nunmehr von der Bundesregierung endlich aufgenommen wurden, sind seit Jahren bekannt. Zwischenzeitlich sind offenbar zahlreiche Windenergieprojekte am starrköpfigen Festhalten an überholten Schutzansprüchen für Drehfunkfeuer ohne sachliche Rechtfertigung gescheitert. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung den beteiligten Behörden Einhalt gebietet und auf eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung hinwirkt, um bislang unbegründet blockierte Flächen für die Windenergienutzung zu erschließen.
Fazit: Schnelles Handeln und gründliche Prüfung
So sportlich der Zeitplan auch sein mag: Einem Teil der Vorschläge wäre dringend zu wünschen, dass diese planmäßig umgesetzt werden. Manche Vorschläge aber, gerade der Mindestabstand zu Siedlungen, können ruhig noch lange auf sich warten lassen…