06.06.2021

Anlegerschutz vor Bürgerbeteiligung? Das Anlegerschutz-Stärkungsgesetz

Am 20.05.2021 hat der Bundestag ein Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes (das Anlegerschutz-Stärkungsgesetz) in der Fassung der Beschlüsse des 7. Ausschusses (BT-Drs. 19/29804, siehe hier) beschlossen. Es tritt einen Monat nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Erklärtes Ziel des Gesetzes ist der bessere Schutz – insbesondere von Kleinanlegern – vor zweifelhaften Kapitalmarkt-Investments. Zu diesem Zweck sieht es Änderungen des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) und des Kapitalanlagegesetzes (KAGB) vor. Die Neuregelungen treffen auch EE-Projekte mit Bürgerbeteiligung.

Wesentlicher Inhalt

Das Gesetz dient der Umsetzung des Maßnahmenpaketes zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes des Bundesfinanzministeriums und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 15.08.2019.

Zu den wichtigsten inhaltlichen Punkten des Anlegerschutz-Stärkungsgesetzes:

Verbot von sog. Blindpoolanlagen

Blindpoolanlagen werden gem. § 5b Abs. 2 VermAnlG n.F. verboten. Hierbei handelt es sich um Vermögensanlagen, bei welchen die Anlageobjekte zum Zeitpunkt der Prospekterstellung bzw. des Vermögensanlagen-Informationsblatts (VIB) noch nicht feststehen. Gem. § 5b Abs. 2 VermAnlG n.F. müssen die Angaben im Prospekt bzw. VIB nun „konkret“ sein. Die BaFin hat zu den dafür erforderlichen Kriterien einen Merkblattentwurf zur Konsultation bis zum 04.06.2021 veröffentlicht. Demnach müssen bei Windparks / Solaranlagen / Erneuerbare-Energien-Anlagen bekannt sein und im Prospekt bzw. VIB mindestens angegeben werden:

  • Standort der Anlage (Ort/Land/Adresse oder Flurstück)
  • Art/Typ/Hersteller der Anlage
  • Erzeugungsart (Wasser/Strom/Biogas etc.)
  • Leistung
  • Zustand/Alter der Anlage
  • zum Realisierungsgrad: nachweisbare Vorverhandlungen / Abschluss von Vorverträgen (Beispiel: Netzanschluss (Umspannwerk), Stromabnahme, Direktvermarktungsvertrag, Vorfinanzierung, Flächennutzungs- bzw. Überlassungsvertrag)

Bestehen mehrere Investitionsebenen, d.h. werden die Nettoeinnahmen, die von dem Emittenten eingeworben wurden, an eine andere Gesellschaft weitergereicht, muss das Anlageobjekt auf allen Investitionsebenen konkret bestimmt sein. Reicht z.B. der Emittent Anlegergelder in Form eines Darlehens an andere Gesellschaften weiter, die z.B. ein Projekt realisieren, müssen im Prospekt bzw. VIB konkrete Angeben zu dem Darlehen gemacht werden (Laufzeit, Zinssatz, Angaben zu Empfänger und Verwendung des Darlehens etc.).

Einschätzung: Anbieter prospektpflichtiger Vermögensanlagen können fortan erst zu einem relativ späten Zeitpunkt in die Beteiligung gehen. Beteiligungsmodelle, die unter einen Ausnahmetatbestand i.S.v. § 2 VermAnlG fallen, werden von dieser Neuregelung allerdings nicht berührt. Gleiches gilt gem. § 5b Abs. 4 VermAnlG n.F. unter gewissen Bedingungen, wenn sich das Angebot ausschließlich an eine Kapitalgesellschaft oder an eine GmbH & Co. KG richtet.

Vertrieb nur durch Anlageberater / Finanzvermittler

Der Vertrieb von Vermögensanlagen ist künftig gem. § 5b Abs. 3 VermAnlG n.F. nur noch durch unter Aufsicht der BaFin stehende Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S.v. § 5 Abs. 10 WpHG oder Finanzanlagenvermittler i.S.v. § 34f GewO zulässig. Der Eigenvertrieb wird dadurch verboten – es sei denn, bei dem Emittenten handelt es sich um ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen bzw. einen Finanzanlagenvermittler.

Ausweislich der Gesetzesbegründung (siehe hier) soll dies dazu dienen, eine Angemessenheits- und Geeignetheitsprüfung durch Personen sicherzustellen, die hierzu eine besondere Sachkunde besitzen. Denn der Emittent selbst habe zuvörderst ein starkes Interesse an der erfolgreichen Platzierung seiner Vermögensanlage und prüfe diese ggfs. nicht auf Angemessenheit und Geeignetheit aus Anlegersicht.

Einschätzung: Diese Neuregelung trifft insbesondere  Bürgerwindparks, die üblicherweise als GmbH & Co. KG eingerichtet werden, mit Blick auf die damit verbundenen Kosten besonders hart, und zwar ohne Not. Der BWE e.V. hatte daher im Vorfeld versucht, zumindest für Bürgerwindparks eine Ausnahmeregelung durchzubringen (siehe hier: Vermögensanlagen, bei denen Projekt, Sitz der Gesellschaft und die Mehrzahl der Anleger in einem örtlichen Zusammenhang stehen, sollten nicht unter die Neuregelung fallen, eine Schwelle von EUR 20 Mio. sollte gelten). Die berechtigten Bedenken des BWE e.V. wurden jedoch nicht berücksichtigt.

Zu beachten ist allerdings, dass § 5b Abs. 3 VermAnlG n.F. nicht greift, wenn ein Ausnahmetatbestand i.S.v. § 2 VermAnlG vorliegt. Gleiches gilt gem. § 5b Abs. 4 VermAnlG n.F. unter gewissen Bedingungen, wenn sich das Angebot ausschließlich an eine Kapitalgesellschaft oder an eine GmbH & Co. KG richtet.

Mittelverwendungskontrolleur

Die Beauftragung eines qualifizierten „Mittelverwendungskontrolleurs“ gem. § 5c VermAnlG n.F. bei Investitionen in Sachgüter ist zukünftig verpflichtend, sofern der Emittent die Sachgüter nicht unmittelbar selbst erwirbt. Dieser Fall liegt bei einem EE-Projekt z.B. dann vor, wenn die eigentliche Betreibergesellschaft noch nicht gegründet ist, das Geld also noch in einer anderen Gesellschaft „eingesammelt“ wird, als in derjenigen, die letztendlich das Projekt realisiert.

Als Mittelverwendungskontrolleure können gem. § 5c Abs. 1 S. 2 VermAnlG n.F. ausschließlich Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer oder von diesen Berufsträgern gebildete Gesellschaften bestellt werden.

Einschätzung: Diese Neuregelung führt dazu, dass Vermögensanlagen künftig erst ab einem späten Zeitpunkt in der Projektrealisierung eingeworben werden können, wenn man die Beauftragung bzw. die Kosten eines Mittelverwendungskontrolleurs vermeiden möchte. Alternativ bleibt man wiederum in einem Ausnahmebereich i.S.v. § 2 VermAnlG, sodass die Regelung keine Anwendung findet. Gleiches gilt gem. § 5b Abs. 4 VermAnlG n.F. unter gewissen Bedingungen, wenn sich das Angebot ausschließlich an eine Kapitalgesellschaft oder an eine GmbH & Co. KG richtet.

Veröffentlichung auf Homepage der BaFin

Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte und in bestimmten Fällen auch Vermögensanlagen-Informationsblätter (VIB) werden nunmehr gem. § 9 Abs. 3 bzw. § 13a Abs. 3 VermAnlG n.F. auf der Homepage der BaFin – zur Verbesserung der Transparenz – veröffentlicht.

Übergangsregelung

Vermögensanlagen, die auf Grundlage eines von der BaFin vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung gebilligten Verkaufsprospektes oder gestatteten VIB angeboten werden, können gem. § 32 VermAnlG n.F. mit einer Übergangsfrist von zwölf Monaten ab Billigung des Prospektes oder VIB noch öffentlich angeboten werden, danach ist das öffentliche Angebot zu beenden.

Auswirkungen auf EE-Projekte

Schon nach derzeitiger Rechtslage stellen Prospekterstellung und Genehmigungsverfahren der BaFin ein umfangreiches und für Projektierer mit erheblichen Kosten verbundenes Unterfangen dar. Die nun vorgesehenen Regelungen erhöhen die finanzielle und organisatorische Belastung zusätzlich erheblich.

Im Übrigen dürfte die Einschaltung eines professionellen Anlagevermittlers oder Finanzdienstleisters den direkten Kontakt des Betreibers zu den ortsansässigen Bürgern verkomplizieren. Die eigentlich durch die direkte Bürgerbeteiligung beabsichtigte Akzeptanzförderung in der breiten Bevölkerung wird hierdurch ggfs. behindert.

Die Neuregelungen dürften die Tendenz, Bürgerbeteiligung als Vermögensanlagen außerhalb der Prospektpflicht anzubieten, verstärken. Dies wird insbesondere dadurch realisiert, dass man einen Ausnahmetatbestand i.S.v. § 2 VermAnlG wählt. Demnach sind die Vorschriften zu Prospekt- und VIB-Pflicht sowie viele andere Regelungen des VermAnlG, so auch die o.g. Neuregelungen, u.a. nicht anzuwenden auf „Angebote, bei denen von derselben Vermögensanlage i.S.v. § 1 Abs. 2 nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden“, § 2 Abs. 1 Nr. 3a VermAnlG. Und genau hier ist ein weiter Spielraum für die Gestaltung von Vermögensanlagen, die sich voneinander unterscheiden, eröffnet. In diesem Sinne seien jedem Interessenten die FAQ „Häufig gestellte Fragen zu Prospekten für Vermögensanlagen und VIB“ der BaFin ans Herz gelegt, dort die Frage 1. „Wie unterscheiden sich mehrere Vermögensanlagen voneinander?„.

Kommen Sie gern für Rückfragen oder zur Beratung auf uns zu.

 

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