BGH urteilt zu BVVG-Kaufverträgen nach EALG: „Windkraftklauseln“ sind unwirksam
Die BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) privatisiert als 100%ige Tochter der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) ehemals volkseigene Flächen. Seit 1992 hat sie ca. 861.400 ha Landwirtschaftsfläche in den neuen Bundesländern verkauft, hiervon 440.300 ha zu begünstigten Preisen nach dem EALG (siehe hierzu den Link am Ende des Beitrags). In den Verträgen wurden standardmäßig „Windkraftklauseln“ vereinbart.
Entsprechend weitreichende Bedeutung hat das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14.09.2018, Az. V ZR 12/17 (das Urteil können Sie hier abrufen), zu dem nunmehr die Entscheidungsgründe vorliegen.
Der Fall
Der Kläger kaufte im Jahre 2005 von der BVVG ca. 71 ha Landwirtschaftsfläche in Mecklenburg-Vorpommern nach § 3 Abs. 5 AusglLeistG, hiervon ca. 64 ha preisbegünstigt. Der Vertrag enthielt die üblichen „Windkraftklauseln“:
Hiernach ist für die Nutzung der Kauffläche als Standort oder Abstandsfläche für Anlagen erneuerbarer Energien, insbesondere von Windenergieanlagen (WEA), innerhalb einer Bindungsfrist von 15 Jahren die Zustimmung der BVVG erforderlich. Ein Anspruch auf diese Zustimmung besteht vertragsgemäß nur dann, wenn durch separate Vereinbarung sichergestellt wird, dass die BVVG 75% des auf die Gesamtnutzungsdauer der WEA kapitalisierten Grundstücksnutzungsentgeltes erhält. Zudem ließ sich die BVVG in dem Kaufvertrag das Recht einräumen, von dem Vertrag zurückzutreten, wenn wesentliche Teile der Vertragsfläche während der o.g. Bindungsfrist nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden. Schlussendlich wurde ein Recht auf Wiederkauf der Fläche zum Verkaufspreis vereinbart, wenn die Vertragsfläche ganz oder teilweise vor Ablauf der Bindungsfrist für einen der in § 1 Abs. 2 Satz 4-6 FlErwV aufgelisteten Fälle nutzbar wird.
9 Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages teilte der Käufer der BVVG mit, dass er einem Betreiber die Aufstellung von drei WEA auf der Vertragsfläche gestatten wolle unter Inanspruchnahme einer Fläche von 0,9711 ha (mithin ca. 1,41% der Kauffläche). Er forderte die BVVG vergeblich auf, u.a. zu erklären, dass sie keinen Anspruch auf den o.g. kapitalisierten Entschädigungsbetrag habe. Daher erhob er gegen die BVVG entsprechende Feststellungsklage.
Erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Berlin
Das Landgericht Berlin gab der Klage mit Urteil vom 24.02.2014 statt (Az. 19 O 207/14), und zwar aufgrund einer Prüfung der Klauseln nach AGB-Recht. Hiermit war in dieser Entschiedenheit nicht zu rechnen. Seitdem verfolgten betroffene Landwirte, BVVG und die Windenergiebranche das weitere Verfahren mit höchster Aufmerksamkeit.
Entscheidung des Berufungsgerichts (Kammergericht Berlin)
Die BVVG legte gegen das Urteil Berufung ein, das Kammergericht wies diese mit Urteil vom 21.12.2016 (Az. 28 U 7/15) zurück. Die vom Kläger eingelegte Berufung, die darauf gerichtet war, dass der BVVG kein Wiederkaufsrecht zustehe, wies das Kammergericht allerdings zurück. Es stellte sich insoweit auf den (zweifelhaften) Standpunkt, dass bereits die Ausweisung einer Windfläche im Regionalplan unter § 1 Abs. 2 FlErwV einzuordnen sei. Das Wiederkaufsrecht könne schon bei Ausweisung einer Windeignungsfläche im Regionalplan „jedenfalls im verhältnismäßigen Rahmen“ ausgeübt werden, unabhängig davon, ob auf dieser Fläche tatsächlich Windenergieanlagen errichtet werden können.
Das Berufungsurteil schloss sich damit zwar im Wesentlichen dem erstinstanzlichen Tenor zugunsten der Käufer und Windenergieprojektierer an. Es gab ihnen jedoch mit der Entscheidung zum Wiederkaufsrecht „Steine statt Brot“.
Beide Parteien gingen gegen das Berufungsurteil in Revision.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Nach den nun vorliegenden Urteilsgründen hat sich der BGH mit erfreulicher Eindeutigkeit vollumfänglich auf die Seite der Käufer und damit der Windenergieprojektierer geschlagen.
Zunächst stellt er fest, dass der BVVG bei der Ausgestaltung der Bedingungen der Kaufverträge nicht die Freiheiten und Möglichkeiten der Privatautonomie zustehen, sie nicht Bedingungen für die Gewährung von Subventionen und ähnlichen Vergünstigungen abweichend von den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen bestimmen kann. Auf dieser Grundlage beurteilt er die einzelnen streitgegenständlichen Bestandteile der „Windkraftklauseln“ wie folgt:
(1) Entgegen der Einschätzung des Berufungsgerichts löst die vollständige oder teilweise Einbeziehung der Kauffläche in ein Windeignungsgebiet auf Regionalplanebene kein Wiederkaufsrecht der BVVG aus. Das Wiederkaufsrecht entsteht vielmehr nur und erst dann, wenn einer der in § 1 Abs. 2 Satz 4-6 FlErwV konkret aufgelisteten Fälle eintritt (Ausweisung im Flächennutzungsplan u.ä.).
(2) Der BVVG steht kein Anspruch auf Beteiligung an dem windenergetischen Grundstücksnutzungsentgelt zu. Die BVVG ist auch an den Verhandlungen zwischen Grundstückseigentümer und WEA-Projektierer nicht zu beteiligen. Sie hat die Zustimmung zu windenergetischer Nutzung – einschließlich der Zustimmung zur Eintragung von dinglichen Rechten für den WEA-Projektierer – zu erteilen, wenn die Zweckbindung der Vertragsfläche nicht gefährdet ist.
Zu den Voraussetzungen des Rücktrittsrechts hat der BGH nicht entschieden, da die BVVG im vorliegenden Fall weder den Rücktritt von dem Kaufvertrag erklärt noch einen solchen angedroht hatte.
Konsequenzen der BGH-Entscheidung zu „Windkraftklauseln“
(1) Das BGH-Urteil wirkt sich insbesondere im Rechtsverhältnis zwischen BVVG und Käufer aus. Betroffene Erwerber können auf der Grundlage dieser Entscheidung u.U. Rückzahlungsansprüche geltend machen, wobei derzeit offen ist, welche Verjährungsfrist diesbezüglich anzusetzen ist. Sie müssen in Parallelfällen bei künftiger windenergetischer Nutzung i.d.R. weder die BVVG beteiligen noch einen Anteil des Grundstücksnutzungsentgeltes an sie abtreten.
Offen ist allerdings die Problematik Rücktrittsrecht der BVVG. Dieses entsteht, wenn wesentliche Teile der gekauften Fläche nicht mehr landwirtschaftlich, sondern für windenergetische Zwecke genutzt werden. Wann die Grenze zur Wesentlichkeit überschritten ist, hat der BGH in seiner Entscheidung nicht einmal angedeutet, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass diese in einem Fall wie dem vorliegenden (1,41% für WEA-Aufstellfläche) nicht überschritten sei. Erst in den kommenden Jahren werden gerichtliche Entscheidungen Konkretisierungen hierzu treffen.
(2) Die Entscheidung des BGH kann sich sodann – in Abhängigkeit von dem jeweiligen Einzelfall – im Verhältnis zwischen BVVG und WEA-Betreiber auswirken. WEA-Betreiber schließen üblicherweise Dreiseitige Vereinbarungen mit dem Grundstückseigentümer und der BVVG, durch die die BVVG dem WEA-Betreiber die Zustimmung zur Grundstücksnutzung einschließlich dinglicher Berechtigung erteilt und der WEA-Betreiber im Gegenzug an die BVVG einen Großteil des Grundstücksnutzungsentgeltes zahlt. Je nachdem, wie die Dreiseitigen Vereinbarungen formuliert sind, können sich auch aus diesen Verträgen Rückerstattungsansprüche ergeben.
Allerdings stellt sich auch insoweit die Verjährungsproblematik. Darüber hinaus wird jeweils zu prüfen sein, inwieweit auf diese Verträge AGB-Recht anzuwenden ist. Zugleich sollte im jeweiligen Einzelfall zunächst bewertet werden, welche Auswirkungen die Nichtzahlung von Nutzungsentgelt an die BVVG auf das Rechtsverhältnis zwischen WEA-Betreiber und Grundstückseigentümer hat, bevor insoweit rechtliche Schritte eingeleitet werden.
(3) Schlussendlich ist darauf hinzuweisen, dass die streitgegenständlichen Klauseln in den EALG-Kaufverträgen zwar allgemeinhin als „Windkraftklauseln“ bezeichnet werden. Sie gelten jedoch auch für andere Erneuerbare-Energien-Anlagen, z.B. Photovoltaikanlagen!
Ausblick
Die BGH-Entscheidung hat in Bezug auf viele Fragestellungen für erfreuliche Klarheit gesorgt. Es bleiben allerdings einige Aspekte offen, sodass jeder Einzelfall in Bezug auf das konkrete Vorgehen separat geprüft werden muss. Für Ansprüche, die zum 31.12.2018 verjähren, müssen bis dahin verjährungshemmende Schritte eingeleitet werden.
Hier finden Sie die Info-Broschüre der BVVG