21.06.2019

BGH entscheidet zur Abgasturbine – Kein Technologiebonus für „alte Hüte“

Mit drei Urteilen vom 15.05.2019 hat der BGH zu einem der letzten noch ungeklärten Probleme aus dem EEG 2009 entschieden. Zu befinden war darüber, ob für eine in den Abgasstrom eines BHKW eingebundene Abgasturbine der Bonus für innovative Anlagentechniken (Technologiebonus – siehe dazu Anlage 1 zum EEG 2009) zu zahlen ist. Eine Abgasturbine nutzt das Abgas aus dem Verbrennungsmotor eines BHKW zur (zusätzlichen) Stromerzeugung und führt damit zu einem höheren elektrischen Wirkungsgrad der Anlage. Die bislang heftig umstrittene Frage nach dem Bonusanspruch entschied der BGH nunmehr zulasten der Anlagenbetreiber und verneinte einen Bonusanspruch. Mit Blick auf die generelle Haltung des höchsten deutschen Zivilgerichts zum EEG 2009 kommt dies wenig überraschend. Die inhaltlich weitgehend gleichlautenden Entscheidungen finden Sie hier , hier und hier.

Ein Gericht, zwei Meinungen

Im Kern geht es um die Frage, ob es sich bei einer Abgasturbine um eine Gasturbine handelt. Hintergrund: Gasturbinen werden in der Anlage 1 zum EEG 2009 explizit als bonusfähige Technologien genannt, Abgasturbinen hingegen nicht. Diese Rechtsfrage beschäftigte im Vorhinein nicht nur die Vorinstanzen, sondern auch die Clearingstelle EEG│KWKG (deren Entscheidung lesen Sie hier) und die Literatur.

Dass sich die Streitfrage mit hörbaren Argumenten ebenso in die eine wie in die andere Richtung entscheiden ließ, zeigen schon die durchaus unterschiedlichen Urteile der Vorinstanzen. Bezeichnender Beleg hierfür ist der Umstand, dass zwei Gerichtsverfahren zuvor beim selben Oberlandesgericht, nämlich dem OLG Oldenburg, anhängig waren. Ganz im Sinne der Volksweisheit „Zwei Juristen, drei Meinungen“ konnten sich noch nicht einmal die dortigen Senate 8 und 11 auf eine gemeinsame Auffassung einigen. Während der 8. Senat den Bonusanspruch – wie nun auch der BGH – ablehnte, sah der 11. Senat die Voraussetzungen der Anlage 1 zum EEG 2009 als gegeben an.

Die Entscheidung des BGH

Aus Sicht des BGH schien die Angelegenheit nun aber recht eindeutig. Zwar ließen sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Systematik – juristisch betrachtet letztlich die einzigen Auslegungsmethoden, die objektiv bewertbar sind – belastbare Schlüsse ziehen. Doch sprächen insbesondere die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung gegen einen Bonusanspruch. Ziel des Gesetzgebers – und dies bereits seit dem EEG 2004 – sei es gewesen, konventionelle Erzeugungstechniken wie den Verbrennungsmotor durch innovative Anlagentechniken zu ersetzen.

Diesem Ansinnen werde eine Abgasturbine indes nicht gerecht. Es handele sich insoweit schon um keine innovative Technik, sondern offenbar lediglich um einen „alten Hut“, weil diese Art der Nachverstromung bereits seit langem bekannt sei. Hierfür eine Förderung auszuloben, würde nach Ansicht der Richter letztlich lediglich die Attraktivität des fortwährenden Einsatzes üblicher Verbrennungstechniken erhöhen. Dafür sei der Technologiebonus aber nicht gedacht.

Dem Einwand, dass in Anlage 1 zum EEG 2009 mit der ORC-Technologie durchaus auch andere Nachverstromungsformen aufgezählt und damit für bonusfähig befunden worden seien, begegnete der BGH mit dem wenig nachvollziehbaren und letztlich auch nicht belegten Argument, diese Technik sei immerhin teurer als Abgasturbinen. Ziel der Bonusregelung sei es letztlich, die mit einer innovativen Technologie verbundenen höheren Kosten zu refinanzieren. Demgegenüber erhielten die Anlagenbetreiber für den Strom aus der Abgasturbine ja ohnehin bereits die „normale“ EEG-Förderung.

Alles Gesetzesmissbrauch, oder was? – Auch Effizienz zählt nicht

Der vom BGH auch dieses Mal bemühte Argumentationskanon reiht sich damit nahtlos in die zahlreichen Entscheidungen zum EEG 2009 der Vergangenheit ein. Die Richter des 8. Senats scheinen verbreitet Gesetzesmissbrauch zu wittern. Das Gericht mag sich wiederholt nicht am Gesetzeswortlaut orientieren, was – wie das Urteil des 11. Senats des OLG Oldenburg zeigt – durchaus möglich gewesen wäre. Es stützt seine betreiberfeindliche Entscheidung vielmehr abermals auf die wenig greifbaren Erwägungen nach Sinn und Zweck. Das ist freilich vor allem dann sehr bequem, wenn sich der Gesetzgeber – wie auch im Fall des Technologiebonus – einer eindeutigen Positionierung und Erklärung verweigert.

Damit verbleibt dem BGH stets ein enormer Spielraum, seine eigenen Gerechtigkeitserwägungen – verfassungsrechtlich gesehen in im Übrigen durchaus bedenklicher Art und Weise – an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen. Da lassen sich dem Gesetzgeber dann auch recht simpel bestimmte Erwägungen und Absichten in den Mund legen. Dass dies nur selten zu Entscheidungen führt, die Anlagenbetreiber wirklich nutzen und die deren wirtschaftliches Risiko und ihren Einsatz für die Energiewende angemessen berücksichtigen, mag man letztlich noch hinnehmen (müssen). Dass aber Kerngedanken der Energiewende, nämlich die Energieeffizienz und der Klimaschutz, nicht im Ansatz Berücksichtigung finden, spricht mehr für die persönliche Einstellung der die hiesigen Urteile tragenden BGH-Richter zum EEG als solches denn für eine saubere juristische Arbeit.

Folgen für betroffene Anlagenbetreiber

Für viele betroffene Anlagenbetreiber dürfte das Urteil (bedauerlicherweise) keine Änderung des Status quo bedeuten. Zahlreiche Netzbetreiber hatten bereits nach der Entscheidung der Clearingstelle EEG│KWKG im Jahr 2014 die Bonuszahlungen eingestellt und bereits ausgezahlte Beträge zurückgefordert. Auf solche Anlagenbetreiber, die aktuell für den in der Abgasturbine erzeugten Strom noch den Technologiebonus ausgezahlt bekommen, dürften dagegen erhebliche Rückforderungen zukommen. Hier gilt es, den Umfang der Rückforderungen genau zu prüfen, ebenso wie die Verjährungseinrede. Gern stehen wir Ihnen hierbei beratend zur Seite.

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