BVerfG zum Bürgerbeteiligungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern – Vorfahrt für den Klimaschutz und Energiewende nur mit Bürokratie
Nun liegt die Entscheidung des BVerfG im seit 2017 anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahren (1 BvR 1187/17) gegen das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz M-V (Gesetzes über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an Windparks in Mecklenburg-Vorpommern vom 18. Mai 2016, BüGembeteilG M-V) vor.
Inhalt und Zweck des BüGembeteilG M-V
In den Anwendungsbereich des BüGembeteilG M-V fallen alle nach Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftigen Windenergieanlagen. Adressaten des Gesetzes sind die Betreiber der Anlagen.
Das Gesetzt legt den Betreibern umfangreiche Pflichten auf:
Sie sind verpflichtet, zur Realisierung eines Windenergievorhabens eine Projektgesellschaft zu gründen (§ 3 Abs. 1 BüGembeteilG M-V). Diese muss zudem in Rechtsform und Ausgestaltung bestimmten Haftungs- und Organisationsanforderungen genügen (§ 3 Abs. 2 und 3 BüGembeteilG M-V).
Nach § 4 BüGembeteilG MV haben die Vorhabenträger die sog. Kaufberechtigten über das Vorhaben und die geplante Beteiligungsmöglichkeit zu informieren und diesen mindestens 20% der Anteile an der projektbezogenen Gesellschaft zum Kauf anzubieten. Dabei darf der Kaufpreis von 500 Euro pro Anteil nicht überschritten werden (§ 6 BüGembeteilG M-V).
Anstelle von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen kann der Vorhabenträger auch eine Kombination aus einer Ausgleichsabgabe an die Gemeinden (jedoch nur mit deren Zustimmung nach § 10 Abs. 7 BüGembeteilG M-V) und einem Sparprodukt für natürlichen Personen anbieten (§ 10 Abs. 5 Bü-GembeteilG M-V). Weiter regelt das Gesetz die Verwendung der Ausgleichabgaben (§ 11 BüGembeteilG M-V) und die Anforderungen an die Offerte des Sparprodukts (§ 12 Abs. 3 BüGembeteilG M-V).
Umfang der Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde richtete sich nicht gegen das Gesetz insgesamt. Angefochten wurden vor allem die Regelungen der §§ 3, 4, 6, 11 und 12 BüGembeteilG M-V.
Gerügt wurde die Verletzung von Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und die fehlende Gesetzgebungszuständigkeit der Landesregierung.
Entscheidung des BVerfG
Entgegen der durch das BVerwG im Verfahren geäußerten Einschätzung, dass dem Land die Gesetzgebungskompetenz fehle, weil das BüGembeteilG die im BImSchG und in § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB (Rücksichtnahmegebot) abschließend geregelten Grenzen für die Zumutbarkeit von Windenergieanlagen absenke, hat das BVerfG die Gesetzgebungskompetenz des Landes bejaht.
Im Hinblick auf die geltend gemachten Eingriffe in die Grundrechte nach Art. 3, Art. 12 und Art. 14 GG hat das BVerfG bestätigt, dass ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 GG) und die ungleiche Behandlung der Vorhabenträger gegenüber anderen Steuerpflichtigen vorliege (Art 3 GG).
Allerdings sieht das BVerfG diese Eingriffe als gerechtfertigt und daher die angefochtenen Regelungen als verfassungskonform an. Die Rechtfertigung leitet das BVerfG aus dem Zweck des Gesetzes ab und baut folgende Argumentationskette auf:
Das Gesetz bezweck die Verbesserung der Akzeptanz für neue Windenergieanlagen. Damit dient es dem übergeordneten Zweck der Förderung des Ausbaus der Windenergie und folglich den legitimen Gemeinwohlzielen des Klimaschutzes (Art. 20a GG) des Schutzes der Grundrechte vor den nachteiligen Folgen des Klimawandels und der Sicherung der Stromversorgung.
In die Einschätzung des BVerfG ist neben dem Klimaschutzargument insbesondere die aktuelle politische Situation und die daraus abgeleitete Erkenntnis der vorhandenen Abhängigkeit von Energieimporten eingeflossen.
Fazit
Einerseits ist die Entscheidung des BVerfG zu begrüßen, da erneut das besondere öffentliche Interesse am Ausbau der Erneuerbaren Energien und insbesondere der Windenergie bestätigt wird. Das BVerfG führt dazu aus, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien dem Klimaschutzziel des Art. 20a GG, dem Schutz von Grundrechten vor den Gefahren des Klimawandels und zugleich dem Gemeinwohlziel der Sicherung der Stromversorgung dient, weil er zur Deckung des infolge des Klimaschutzziels entstehenden Bedarfs an emissionsfrei erzeugtem Strom beiträgt und überdies die Abhängigkeit von Energieimporten verringert.
Andererseits wird die Bestätigung des BüGembeteilG M-V den Ausbau der Windenergie in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin ausbremsen. Den Betreibern dadurch auferlegten umfangreichen Pflichten verzögern die Realisierung der Vorhaben und machen diese teilweise unattraktiv.