01.09.2020

EEG-Umlage bei Scheibenpacht – Erstes Urteil zur Amnestieregelung

Scheibenpachtmodelle erfreuten sich vor einigen Jahren besonders in der Industrie großer Beliebtheit, um EEG-Umlage einzusparen. Die Erzeugungsleistung eines größeren Kraftwerks wurde dabei virtuell in einzelne „Kraftwerksscheiben“ aufgeteilt und an verschiedene Verbraucher verpachtet. Bereits mit dem EEG 2017 hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es sich hierbei nicht um eine EEG-umlagefreie Eigenversorgung handelt. Nun liegt eine erste Entscheidung des LG Wuppertal zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Scheibenpacht vor.

Juristischer Hintergrund

Die sogenannte Scheibenpacht hatte nur ein Ziel: Stromkosten sparen. Ausgangspunkt dieses Konstrukts ist der Umstand, dass die Eigenversorgung mit Strom umlageprivilegiert ist. Bis zum 31.07.2014 fiel hierfür überhaupt keine EEG-Umlage an, während für neue Eigenversorgungskonzepte ab 01.08.2014 eine anteilige EEG-Umlage von derzeit 40 % zu entrichten ist. Es musste also eine Eigenversorgung her –  eine Bündelung von Stromerzeugung und Stromverbrauch bei derselben (juristischen oder natürlichen) Person. Während man sich bei kleineren Erzeugungsanlagen hierfür ohne Weiteres mit einem Pacht- und Betriebsführungsmodell behelfen kann, ist dies bei großen Erzeugungsanlagen schwieriger. Denn häufig können einzelne (auch industrielle) Letztverbraucher gar nicht den gesamten erzeugten Strom selbst verbrauchen. So entstand die Idee, einzelne virtuelle „Kraftwerksscheiben“ – meist prozentuale Anteile an der Gesamtleistung – an verschiedene Letztverbraucher zur Eigenversorgung zu verpachten.

Scheibenpacht ist keine Eigenversorgung

Inzwischen besteht Einigkeit darüber, dass eine echte, umlageprivilegierte Eigenversorgung dadurch nie entstanden ist. Denn die Pächter können über die Betriebsweise ihrer Kraftwerksscheibe nicht eigenverantwortlich bestimmen. Betreiber des Kraftwerks ist vielmehr entweder der Betriebsführer oder die aus den verschiedenen Pächtern bestehende Betreibergemeinschaft. Da es insoweit an der erforderlichen Personenidentität mit dem Stromverbraucher fehlt, liegt nach den Buchstaben des Gesetzes eine in voller Höhe EEG-umlagepflichtige Stromlieferung vor.

Dies hat der Gesetzgeber des EEG 2017 in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt. Für die Bestimmung der Betreibereigenschaft kommt es nicht auf vertragliche Nutzungsrechte, sondern auf den realen Betrieb der Anlage an. Gleichzeitig hat er anerkannt, dass jedenfalls vor dem Inkrafttreten des EEG 2014 Rechtsunklarheiten bei den betroffenen Unternehmen bestanden. Diese sahen sich nun mit dem Risiko erheblicher Nachforderungen von EEG-Umlage konfrontiert.

Amnestieregelung

Um dieses Risiko zu beseitigen, wurde in § 104 Abs. 4 EEG 2017 eine Amnestieregelung für die Scheibenpacht aufgenommen. Danach gilt ausnahmsweise ein anteiliges vertragliches Nutzungsrecht an einer bestimmten Erzeugungskapazität als eigenständige Stromerzeugungsanlage, wenn und soweit der Letztverbraucher diese wie eine Stromerzeugungsanlage betrieben hat. Hätte diese Fiktion nach den gesetzlichen Regelungen zu einem Wegfall der EEG-Umlage geführt, steht dem Betreiber der Anlage ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der EEG-Umlage zu. Dies setzt allerdings zusätzlich voraus, dass er dem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber bis zum 31.12.2017 mitgeteilt hat, dass er sich auf die Amnestieregelung beruft. Für Stromlieferungen ab dem 01.08.2014 gilt das Leistungsverweigerungsrecht zudem nur, wenn es seit dem 01.08.2014 keinerlei Änderungen an der Anlage oder am Nutzungskonzept gegeben hat.

Die Entscheidung des LG Wuppertal

Mit Urteil vom 23.06.2020 (Az. 5 O 490/19) hatte das LG Wuppertal nun erstmalig über ein Scheibenpacht-Konstrukt zu entscheiden. Beklagt war ein kommunales Versorgungsunternehmen, das bis Mitte 2018 eine KWK-Anlage mit einer elektrischen Leistung von 85 MW betrieben hatte. Mit Wirkung zum 01.06.2014 hatte die Beklagte eine Kraftwerksscheibe von 6 MW an die Kommune verpachtet, die daraus unter Inanspruchnahme des öffentlichen Netzes den Strombedarf für verschiedene Verbrauchsstellen in ihrem Gemeindegebiet deckte. Die ca. 560 Verbrauchsstellen der Kommune (u.a. Verwaltungsgebäude, Feuerwache, Kindertagesstätten und Verkehrssignalanlagen) befanden sich in einer Entfernung von max. 6,6 km zur Erzeugungsanlage. Der für die Einziehung der EEG-Umlage zuständige Übertragungsnetzbetreiber war der Auffassung, dass es sich hierbei um eine umlagepflichtige Stromlieferung handelte, und verklagte das kommunale Versorgungsunternehmen auf Auskunftserteilung über gelieferte Strommengen und Entrichtung der sich daraus ergebenden EEG-Umlage.

Das LG Wuppertal wies die Klage des Übertragungsnetzbetreibers im Ergebnis ab. Zunächst machte das Gericht zwar deutlich, dass bei dem gewählten Konstrukt keine Eigenversorgung der Kommune im Sinne von § 3 Nr. 19 EEG 2017 bzw. § 5 Nr. 12 EEG 2014 vorlag. Es gestand dem Versorgungsunternehmen allerdings ein Leistungsverweigerungsrecht sowohl für die vor als auch nach dem 01.08.2014 gelieferten Strommengen nach Maßgabe von § 104 Abs. 4 EEG 2017 zu. Das Gericht stellte fest, dass der Kommune ein langfristiges Nutzungsrecht über die Dauer von fünf Jahren zugestanden habe. Sie habe darüber hinaus das wirtschaftliche Risiko des Anlagenbetriebs sowie die Erzeugungskosten getragen. Dies erfülle die Voraussetzungen an ein anteiliges vertragliches Nutzungsrecht im Sinne von § 104 Abs. 4 EEG 2017.

Kernfrage: Räumlicher Zusammenhang

Für den ab 01.04.2014 durch die Kommune verbrauchten Strom kam es zusätzlich darauf an, ob bei Vorliegen einer echten Eigenversorgung die EEG-Umlage nach § 61e oder § 61f EEG 2017 auf null verringert gewesen wäre. Dies setzt nach § 61e Abs. 1 Nr. 3 EEG 2017 u.a. voraus, dass der Strom nicht durch ein öffentliches Netz durchgeleitet wird, es sei denn, er wird im räumlichen Zusammenhang mit der Stromerzeugungsanlage verbraucht. Da vorliegend eine Netzdurchleitung unstreitig stattfand, bildete die Frage des räumlichen Zusammenhangs einen wesentlichen Schwerpunkt des Rechtsstreits.

Im vorliegenden Fall sah das Gericht angesichts einer maximalen Entfernung von 6,6 km zwischen Verbrauchsstellen und Erzeugungsanlage den räumlichen Zusammenhang als gegeben an. Die Richter wiesen dabei ausdrücklich darauf hin, dass der Begriff des räumlichen Zusammenhangs weiter zu fassen sei als der des unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs, wie er etwa aktuell in der Definition der Eigenversorgung in § 3 Nr. 19 EEG 2017 verwendet wird. Ein solch räumlicher Zusammenhang sei jedenfalls dann gegeben, wenn die Erzeugungsanlage Verbrauchsstellen im selben Stadtgebiet versorge. Deshalb könne auch die Entfernung von 4,5 km, für die der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 20.04.2004 einen räumlichen Zusammenhang bejaht hatte, nicht zum Maßstab genommen werden. Denn zum einen hatte auch der BFH dies lediglich als im Einzelfall zulässige, aber nicht zwingend maximale Entfernung angesehen. Zum anderen müsse auch die geographische Ausdehnung der Gemeinde im konkreten Fall berücksichtigt werden.

… und weiter?

Das Gericht spricht sich bei der Beurteilung des räumlichen Zusammenhangs damit klar gegen pauschale Obergrenzen aus. Legt man diesen Maßstab zugrunde, könnten im Einzelfall durchaus auch noch größere Entfernungen als räumlich zusammenhängend eingestuft werden. Dies ist nicht nur für die ca. 300 Scheibenpachtmodelle relevant, die sich laut Medienberichten noch in der Überprüfung der Übertragungsnetzbetreiber befinden. Betroffen sind vielmehr sämtliche Eigenversorgungskonzepte aus der Zeit zwischen 2012 und 2014, die das öffentliche Netz in Anspruch nehmen. Es bleibt nun abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung künftig weiter positioniert – auch in diesem konkreten Fall. Denn die Entscheidung des LG Wuppertal ist nicht rechtskräftig, der Übertragungsnetzbetreiber hat Berufung eingelegt.

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