28.11.2022

EU-Dringlichkeitsverordnung – das Gegenteil von gut gemeint

Letzte Woche haben die Energieminister:innen der EU eine politische Einigung über den Vorschlag der Kommission einer Dringlichkeitsverordnung für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien erzielt. Dieser Vorschlag wurde im Vorfeld als „Eneuerbaren-Booster“ betitelt. Damit endet schon die gute Nachricht.

Überwiegendes öffentliches Interesse

Denn die geplante Verordnung soll zwar jetzt europaweit ein überwiegendes öffentliches Interesse an den Erneuerbare Energien im Rahmen von Abwägungsentscheidungen festschreiben. Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten diesen Vorrang auf bestimmte Teile ihres Hoheitsgebiets, Arten von Technologien oder Projekte beschränken. Immerhin müssen sie es nicht.

Die Mitgliedsstaaten müssten nach dieser Verordnung auch sicherstellen, dass sich dieser Vorrang in Abwägungsentscheidungen durchsetzt. Aber gegenüber den Belangen des Artenschutzes gilt diese „Vorrang-Verpflichtung“ der Mitgliedstaaten nur, wenn und soweit geeignete Artenschutzmaßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Populationen ergriffen und für diesen Zweck ausreichende finanzielle Mittel sowie Flächen zur Verfügung gestellt werden. Damit ist letztlich die bereits in § 45d Abs. 1 BNatSchG geregelte Pflicht des BfN zur Umsetzung von nationalen Artenhilfsprogrammen gemeint. Die neue Verordnung –  die auf Betreiben der Bundesregierung eingebracht wurde – zeichnet damit die geltende deutsche Rechtslage wohl einfach nach. Naturschutzvereinigungen und Behörden sollte daher deutlich gemacht werden: Die Pflicht zu populationsstützenden Maßnahmen trifft nur den Gesetzgeber der jeweiligen Mitgliedstaaten und – außerhalb von Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG – nicht etwa einen Vorhabensträger in Genehmigungsverfahren!

Individuenschutz bleibt unangetastet

Besonders frustierend ist die Tatsache, dass im Entwurf der Verordnung in Art. 2 Abs. 2 noch eine Regelung enthalten war, die man mit etwas guten Willen als kleine Revolution im Artenschutzrecht hätte bezeichnen können. Nämlich im Ergebnis eine zumindest mittelbare Einschränkung des artenschutzrechtlichen Tötungstatbestand. Der Vorschlag der Bundesregierung hatte augenscheinlich einen Ansatz von Generalanwältin Kokott aus dem letzten Jahr aufgegriffen (wir berichteten hier). Diese hatte vorgeschlagen, den Absichtsbegriff der Vogelschutzrichtlinie – die auch weit verbreitete „Allerweltsarten“ schützt – nicht auf Tötungshandlungen anzuwenden, die nicht zielgerichtet sind und keinen Einfluss auf die Population haben. Der Verordnungs-Entwurf wollte sogar den Absichts- Tötungsbegriff sowohl der FFH-Richtlinie als auch der Vogelsschutzrichtlinie modifizieren und offenbar im Ergebnis eine Art Populationsbezug herstellen. Wie immer diese Regelung zu verstehen gewesen wäre – dazu ist es nicht gekommen. Die Regelung wurde gestrichen.

Beschleunigung von Repowering-Verfahren – nur wie?

Das Genehmigungsverfahren für RepoweringProjekte darf nach der geplanten Verordnung nicht länger dauern als sechs Monate. Und zwar einschließlich etwaiger Umweltprüfungen, die nach einschlägigen Rechtsvorschriften erforderlich sind. Dies sieht der Verordnungsgeber offenbar allein dadurch gewährleistet, dass für die UVP bzw. die UVP-Vorprüfung auf eine „Delta-Prüfung“ durchzuführen ist, d.h. sie ist auf die potenziellen Auswirkungen der Änderung oder Erweiterung im Vergleich zum ursprünglichen Projekt zu beschränken. Was, wenn die Behörden diese Frist trotzdem nicht einhalten? Eine Genehmigungsfiktion, wie sie für Klein-Solarenergieanlagen vorgesehen ist, gibt es natürlich nicht.

Diese Verordnung muss mit diesem Inhalt nunmehr noch vom Rat förmlich angeommen werden und würde dann – auch das ist ein Unterschied zum Entwurfsvorschlag – für alle laufenden und neu beginnenden Genehmigungsverfahren und erstmal für 18 Monate gelten.

Alle Beteiligten in Kommission und Rat wollten eine Verkürzung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren für Erneuerbaren Energien. Es war sicher gut gemeint.

 

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