10.09.2021

EU-Schwarmfinanzierungsverordnung und Schwarmfinanzierungsbegleitgesetz: Neue Regelungen für Plattformen und Projektierer

Schwarmfinanzierung (engl. „Crowdfunding“) ist eine alternative Form der Finanzierung, bei der eine Vielzahl von Investoren Kapital in einzelne Projekte über eine Plattform, i.d.R. ein Onlineportal, investieren. Auch für Projekte im Bereich der Erneuerbaren Energien erfreut sich diese Finanzierungsweise, nicht zuletzt aufgrund ihrer Möglichkeit zur direkten Bürgerbeteiligung, steigender Beliebtheit.

Für diese Plattformen haben das Europäische Parlament und der Rat  durch die EU-Verordnung 2020/1503 zur Regelung von Schwarmfinanzierung (ECSP-VO) vom 07.10.2020, in Kraft seit 09.11.2020, eine europaweit gültige neue Lizenz eingeführt.

Zur nationalen Umsetzung der Verordnung erfolgte im Bundesgesetzblatt vom 10.06.2021 die Verkündung des Gesetzes zur begleitenden Ausführung der Verordnung (EU) 2020/1503 und der Umsetzung der Richtlinie EU 2020/1504 zur Regelung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern (Schwarmfinanzierungsbegleitgesetz) und anderen europarechtlichen Finanzmarktvorschriften. Das Gesetz passt diverse nationale Gesetze an die Vorgaben der EU-Verordnung an. Die Umsetzung musste entweder bis Mitte Juni 2021 erfolgen, sonst wären die EU-Rechtsakte ab Ende 2021 bzw. Anfang 2022 unmittelbar zur Anwendung gekommen.

Die im folgenden näher dargestellten Regelungen des Schwarmfinanzierungsbegleitgesetzes zur Änderung des VermAnlG, den neuen Bußgeldbestimmungen im Wertpapierhandelsgesetz und der Änderung von § 2 KWG treten ab dem 10.11.2021 in Kraft.

Wesentlicher Inhalt der EU-Schwarmfinanzierungsverordnung und Erteilung der Lizenz

Wesentliches Ziel der den Gesetzen zugrundeliegenden Verordnung ist die Einführung von europaweit geltenden Regelungen für Schwarmfinanzierungsdienstleister. Gefördert werden soll dadurch insbesondere die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen unter Einhaltung eines ausreichenden Maßes an Anlegerschutz.

Konkret ist dazu in der Verordnung eine eigenständige europäische Schwarmfinanzierungslizenz vorgesehen. Diese ist künftig bei der BaFin zu beantragen und ausschließlich juristischen Personen, die in der EU niedergelassen sind, vorbehalten. Die zur Erteilung der Lizenz notwendigen Anforderungen entsprechen weit überwiegend denen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, sind also umfangreicher als die Anforderungen an einen Finanzdienstleister gem. § 34 f. GewO, welche nach bisheriger Gesetzeslage ausreichend für eine Zulassung waren.

Inhaltlich trifft die Verordnung Regelungen zur internen Organisation, zur Geschäftsleitung, zu aufsichtsrechtlichen Sicherheiten sowie zum Umgang mit Interessenkonflikten und Beschwerdeverfahren. Dem Anlegerschutz wird durch Informations- und Offenlegungspflichten entsprochen. Die Verordnung enthält außerdem Regelungen für eine vorvertragliche Bedenkzeit, für ein Anlagebasisinformationsblatt, welches anstelle eines Prospektes verpflichtend zu erstellen ist, samt Haftung für enthaltene Angaben, für Aufzeichnungen und zu den Anforderungen an Marketingmitteilungen.

Anwendbar wird die EU-Schwarmfinanzierungsverordnung auf Projekte sein, welche folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Vermittlung von Krediten („Crowdlending“) oder
  • Platzierung sowie Annahme und Vermittlung von Kundenaufträgen von übertragbaren Wertpapieren und GmbH-Anteilen („Crowdinvesting“)
  • maximales Emissionsvolumen von fünf Millionen Euro, kalkuliert über einen Zeitraum von 12 Monaten
  • ausschließlicher Vertrieb der Emissionen über eine Plattform.

Verhältnis zu nationalen Regelungen

Als EU-Verordnung gilt die ECSP-VO unmittelbar und wurde daher national nur vereinzelt durch gesetzliche Anpassungen umgesetzt und erweitert. Da vom Anwendungsbereich der Verordnung jedoch nicht alle Schwarmfinanzierungsmodelle erfasst sind, bleiben weiterhin ergänzend auch nationale Regelungen bestehen. Ist der Anwendungsbereich der EU-Schwarmfinanzierungsverordnung allerdings eröffnet, so stehen die nationalen Regelungen und Lizenzen zurück bzw. sind nicht mehr zulässig. Nach der Übergangszeit, die am 10.11.2022 endet, ist zwingend eine ECSP-Lizenz erforderlich, sofern diese Anwendung findet. Dies gilt auch, wenn der betroffene Schwarmfinanzierungsdienstleister nicht in anderen EU-Ländern aktiv ist.

Wohl keine Anwendbarkeit der ECSP-Verordnung auf Vermittlung qualifizierter Nachrangdarlehen

Bislang noch nicht abschließend entschieden und daher letztlich von der konkreten Auslegung der Aufsichtsbehörden abhängig ist die Frage, ob qualifizierte Nachrangdarlehen als Kredite i.S.d. Verordnung anzusehen sind und damit in deren Anwendungsbereich fallen.

Gem. Art. 2 Abs. 1 lit. b der Verordnung ist ein Kredit eine Vereinbarung, in deren Rahmen ein Anleger einem Projektträger für einen vereinbarten Zeitraum einen vereinbarten Geldbetrag zur Verfügung stellt und der Projektträger die unbedingte Verpflichtung übernimmt, diesen Betrag zuzüglich Zinsen gemäß dem Ratenzahlungsplan an den Anleger zurückzuzahlen. Wenn die unbedingte Verpflichtung genauso zu verstehen ist wie die „unbedingt rückzahlbaren Gelder“ i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG, fallen qualifizierte Nachrangdarlehen nicht in den Anwendungsbereich der ECSP-Verordnung.

Sofern die Aufsichtsbehörden dieser Auslegung entsprechend des Wortlautes folgen, unterfällt die Vermittlung qualifiziert nachrangiger Darlehen in Deutschland mithin nicht der Pflicht zur ECSP-Lizenz und kann damit weiterhin nach den nationalen Vorschriften der §§ 34c, 34f GewO und des VermAnlG erfolgen.

 Inhalt des Schwarmfinanzierungsbegleitgesetzes

Das nationale Schwarmfinanzierungsbegleitgesetz setzt nun mehrere EU-Rechtsakte, darunter die ECSP-Verordnung, in deutsches Recht um. Die wesentlichen inhaltlichen Anforderungen der ECSP-Verordnung gelten unmittelbar, der Gesetzgeber hat ergänzend hauptsächlich Änderungen im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) vorgenommen.

Zudem hat der Gesetzgeber Bußgeldtatbestände für Verstöße gegen die Verordnung eingefügt. Sofern Schwarmfinanzierungen ohne Zulassung erfolgen, stellt dies nunmehr einen Straftatbestand dar.

Wesentlicher Kritikpunkt am Schwarmfinanzierungsbegleitgesetz ist die Verschärfung der persönlichen Haftung für Geschäftsführer und Mitarbeiter sowohl des Projektierers als auch des Schwarmfinanzierungsdienstleisters. Diese haften demnach bereits für leicht fahrlässige Falschangaben oder fehlende Informationen in den Anlageninformationsblättern. Ob die signifikante Haftungsausweitung nun dazu führen wird, dass die Form der Scharmfinanzierung in Zukunft in Deutschland an Beliebtheit verliert, wird sich zeigen.

Auswirkungen auf EE-Projekte

Wesentlich für die Attraktivität der Schwarmfinanzierung von EE-Projekten ist bislang folgendes: Sie ist gem. §2a VermAnlG von der Erstellung eines Verkaufsprospekts befreit, wenn

  • sie sich auf ein Emissionsvolumen von höchstens sechs Millionen Euro beschränkt und
  • bestimmte Investitionsschwellen nicht überschreitet.

Wenn der Projektträger nach aktueller Rechtslage über eine Plattform unbedingt rückzahlbare Kredite emittiert, besteht für ihn die Pflicht, eine bankrechtliche Erlaubnis nach § 32 KWG einzuholen, da er ein Einlagengeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG betreibt. Um ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft i.S.d. KWG zu vermeiden, emittieren Projektträger von EE-Projekten daher keine unbedingt rückzahlbaren, sondern qualifizierte Nachrangdarlehen. Aufgrund des qualifizierten Nachrangs sind die Zahlungen keine „unbedingt rückzahlbaren Gelder“ gem. § 1 Abs. 1 KWG. Denn für diese ist die Geltendmachung des Rückzahlungs- und Zinsanspruches ausgeschlossen, sofern sie eine Insolvenz begründen würde.

Wie bereits erläutert, liegt es nahe, dass qualifizierte Nachrangdarlehen künftig nicht in den Anwendungsbereich der ECSP-Verordnung fallen werden. Für die Emission von qualifizierten Nachrangdarlehen im Wege der Schwarmfinanzierung wird also aller Voraussicht nach auch in Zukunft die alte Rechtslage gelten.

Allerdings ist es nunmehr ohnehin nicht mehr notwendig, zur Vermeidung einer Erlaubnispflicht nach § 32 KWG die Emission auf qualifizierte Nachrangdarlehen zu beschränken. Gem. Art. 1 Abs. 3 ECSP-Verordnung besteht weder für den Projektträger noch für den Anleger die Pflicht, eine Erlaubnis als Kreditinstitut oder sonstiges Institut zu beantragen. Eine entsprechende Ausnahme hat der Gesetzgeber durch das Schwarmfinanzierungsbegleitgesetz ins KWG eingefügt. Demnach gelten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 8 KWG n.F. Unternehmen, die als Bankgeschäft nur das Einlagen-  oder Kreditgeschäft über nach ECSP-Verordnung zugelassene Schwarmfinanzierungsdienstleister betreiben, nicht als Kreditinstitut i.S.d. KWG. Die Ausgestaltung des Darlehens als qualifiziertes Nachrangdarlehen, um die Erlaubnispflicht zu vermeiden, wird damit unnötig, wenn die Voraussetzungen der ECSP-VO vorliegen. Dies hat zur Folge, dass auch die nach wie vor bestehende Rest-Unsicherheit zu bestimmten Nachrangklauseln und deren Wirksamkeit obsolet wird.

 Fazit

Der Anwendungsbereich der EU-Schwarmfinanzierungsverordnung ist zwar begrenzt, ermöglicht zukünftig aber insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen, wenn gewünscht, ihre Dienstleistungen auch im gesamten EU-Binnenmarkt anzubieten. Insbesondere die Option, künftig auch „echte“ Darlehen ohne Beteiligung eines Kreditinstitutes anzubieten, ist zur weiteren Steigerung der Attraktivität der Schwarmfinanzierung absolut geeignet. Abzuwarten bleibt, ob die im Schwarmfinanzierungsbegleitgesetz aufgenommenen Haftungsverschärfungen diese Wirkung nicht wieder zunichtemachen werden.

 

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