20.12.2022

Flexiklausel in Sachsen – der sächsische Landtag berät

Und sie drehen sich doch! Flexible Lösungen statt starrer Regionalplanung? – der sächsische Landtag berät

Lange ankündigt, berät der sächsische Landtag nunmehr endlich konkrete Möglichkeiten zur planungsrechtlichen Erleichterung für die Windenergie. In seiner Beschlussempfehlung zum Gesetz begleitender Regelungen zum Doppelhaushalt 2023/2024 (HBG 2023/2024) spricht sich der Haushalts- und Finanzausschuss für die Einführung eines flexibleren Zielabweichungsverfahrens für die Windenergie aus. Daneben finden sich Empfehlungen zur Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG). Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen sowohl das Landesplanungsgesetz (SächsLPlG) als auch die sächsische Bauordnung (SächsBO) und sollen dem Interesse am beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien Rechnung tragen.

Flexiklausel – was steckt drin?

Bislang gibt das Landesentwicklungsprogramm Sachsen den Trägern der Regionalplanung eine abschließende Planung der Windenergienutzung nach dem Prinzip der dezentralen Konzentration auf. Die regionalen Planungsverbände haben die Nutzung der Windenergie durch Festlegung von Vorrang- und Eignungsgebieten zu konzentrieren. Mit der entsprechenden regionalplanerischen Umsetzung des Landesentwicklungsprogramms geht freilich eine erhebliche Reduzierung der Flächenkulisse für die Windenergienutzung einher. Über die planerische Ausschlussfunktion nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB steht die Raumordnung in Sachsen damit i.d.R. der Zulassung neuer WEA entgegen.

Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn die einzelnen Gemeinden einem beschleunigten Ausbau der Windenergie auf ihrem Gebiet gegenüber aufgeschlossen sind. Auch sie haben das im Landesentwicklungsprogramm festgelegte Ziel der regionalplanerischen Konzentration der Windenergie zu beachten.

Diesem Problem soll nunmehr durch eine Flexibilisierung der raumordnungsrechtlichen Vorgaben im Zulassungsverfahren begegnet werden. Künftig soll die Zulassungsbehörde mit Blick auf die Ausschlusswirkung der Raumordnung nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB Abweichungen von der Raumordnung zulassen können. Die Einführung einer solchen Flexibilisierungsklausel für die Windenergie ist sicher gut gemeint, aber längst nicht auch gut gemacht.

Zum Ersten ist die Abweichungsmöglichkeit an hohe formelle Voraussetzungen geknüpft. Die Zulassungsbehörde hat nicht nur das Einvernehmen der Standortgemeinde einzuholen. Sie muss sich darüber hinaus sowohl mit der Raumordnungsbehörde als auch mit dem jeweils zuständigen regionalen Planungsverbrand ins Benehmen zu setzen. Zeitaufwendige Querelen zwischen den einzelnen Beteiligten sind dabei vorprogrammiert.

Zum Zweiten bleibt auch inhaltlich die große Erleichterung aus, die gemessen an der langen Ankündigung zu wünschen gewesen wäre. Die „Flexiklausel“ ist weiterhin an den regulären Zielabweichungstatbestand gem. § 16 SächsLPlG i.V.m. § 6 Abs. 2 ROG angelehnt. Der aktuelle Entwurf verzichtet allein auf die Voraussetzung, die Planungsgrundzüge zu erhalten. Das in der Auslegung und Anwendung nach wie vor herausfordernde Erfordernis der raumordnerischen Vertretbarkeit wird Antragsteller, Gemeinden und Zulassungsbehörden wie gewohnt umfassend beschäftigen.

Das heißt: der wesentliche materielle Gehalt der Zielabweichung bleibt auch künftig mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden – eine einfache, flexible und vor allem unkomplizierte Sonderregelung für die Windenergie steht nicht zu erwarten. Statt einer bequem im Zulassungsverfahren zu integrierenden Lösung, droht der Landesgesetzgeber eine bloß kupierte Version der Zielabweichung bereitzustellen. Der Mehrwert einer solchen ist von vornherein zweifelhaft und in jedem Falle enttäuschend. Gerade für die Gemeinden, die bereit sind, sich für den Ausbau der Windenergie zu engagieren, wird damit ein ernüchterndes Signal gesendet. Sie werden auch in Zukunft praktisch nicht umhinkommen, die Unwägbarkeiten der Zielabweichung auf planerischer Ebene selbst auf sich zu nehmen.

Umsetzung des WindBG

Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt ferner eine rasche Umsetzung des neuen WindBG. Letzteres hat das Ziel, den Ausbau der Windenergie zu beschleunigen. Es verpflichtet die Länder, Sorge für die Ausweisung länderspezifischer Flächenkontingente für die Windenergienutzung (Flächenbeitragswerte) zu tragen.

Nach der aktuellen Ausschussfassung des HBG soll dieser Aufgabe durch Delegieren der Ausweisungspflicht an die regionalen Planungsverbände nachgekommen werden. Die regionalen Planungsverbände wären demnach verpflichtet, bis zum 31.12.2027 jeweils 2% der Fläche der jeweiligen Planungsregion als Vorranggebiete für die Windenergie festzulegen.

Der Entwurf ist insofern ambitioniert und zu begrüßen, als dass er über die zeitlichen Ziele des WindBG hinausgeht. Dieses verlangt das Erreichen des Flächenbetragswertes von 2% erst zum Ablauf des Jahres 2032 und damit 5 Jahre später als vom Land Sachsen anvisiert.

Zu befürchten steht indes eine regionale Unwucht. Der bisherige Entwurf sieht vor, dass die einzelnen regionalen Planungsverbände Flächenkontingente miteinander „handeln“ können. Mit der Möglichkeit der Flächenkompensation zwischen den einzelnen Planungsverbänden, zeichnet sich nicht nur allgemein eine Konzentration der Flächenausweisung ab. Absehbar wird sich diese wohl auch auf bestimmte Regionen beziehen, in denen die Realisierung der Windnutzung mittelfristig noch nicht möglich ist (Stichwort: ehemalige Braunkohlegebiete). Zumindest in der (räumlichen) Breite wird der beschleunigte Ausbau der Windenergie in Sachsen damit ausfallen. Mit dem bisherigen Entwurf versäumte es der Landesgesetzgeber, eine umfassende Teilhabe aller Regionen am Windenergieausbau zu gewährleisten.

Fazit

Mit dem aktuellen Entwurf des HBG 2023/2024 zeigt der Landesgesetzgeber guten Willen, seinen Teil zur Beschleunigung des Windenergieausbaus beizutragen. Dabei bleibt es denn aber auch. Nicht nur hinkt die praktische Umsetzung der Theorie erheblich hinterher (siehe die halbherzige Einführung des kupierten Zielabweichungsverfahrens). Dass der Landesgesetzgeber sich in Sachen Windenergie bewegt, ist ferner kein Akt vollkommener Freiwilligkeit. Die Umsetzung des 2%-Ziels wird durch Bundesgesetz vielmehr verpflichtend vorgegeben.

Im Übrigen müssen sich die Pläne erst noch beweisen – zunächst am morgigen Tag in der Beratung des Landestages und späterhin in der Praxis. Es bleibt gespannt abzuwarten!

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