Bereits kurz nach dem der hessische Runderlass „Naturschutz/Windenergie“ in Kraft getreten ist, haben wir über die neuen geltenden Regelungen berichtet (siehe unten). Unter anderem enthält der Ruderlass eine Übergangsregelung. Danach besteht bis sechs Monate nach seinem Inkrafttreten bei „verwaltungsanhängigen“ Vorhaben für den Vorhabenträger ein Wahlrecht, ob er das Verfahren unter Anwendung des bisher geltenden Leitfadens aus dem Jahr 2012 oder nach dem nun neuen Erlass 2020 führen will. Dabei wird das Wahlrecht durch eine schriftliche Äußerung durch den Vorhabensträger ausgeübt.
Daher bitten wir zu beachten, dass die 6-monatige Frist aufgrund der im Januar 2021 erfolgten Inkraftsetzung demnächst ausläuft!
Meldung vom 07.01.2021
Hessen hat diese Woche den neuen Runderlass „Naturschutz/Windenergie“ veröffentlicht. Dieser ist künftig für die Beurteilung der artenschutzrechtliche Zulässigkeit von Windenergievorhaben in Hessen von erheblicher Bedeutung. Er soll aktuelle Kriterien und Maßstäbe liefern, anhand derer in Hessen künftig die artenschutzrechtliche Zulässigkeit von Windenergievorhaben beurteilt werden soll.
Abstandsbetrachtung
So werden u.a. drei verschiedene Methoden für die Bewertung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos von WEA-sensiblen Vogel- und Fledermausarten eingeführt. Hierzu zählt insbesondere die seit längerem diskutierte Signifikanzeinschätzung für Brutvögel über eine „Abstandsbetrachtung“. Nach dieser soll innerhalb eines „Nahbereichs“ selbst bei suboptimaler Habitatausstattung und sogar unter Berücksichtigung von Vermeidungsmaßnahmen „ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko wahrscheinlich“ sein. Nach dem Erlass ist also die artenschutzrechtliche Unzulässigkeit von Windenergieanlagen innerhalb dieses „Nahbereichs“ zu vermuten.
Habitatpotenzial- und Raumnutzungsanalysen
Daneben sollen Habitatpotenzial- sowie Raumnutzungsanalysen weiterhin als gleichwertige bzw. ggf. ergänzende Methoden möglich sein. Im Falle einer Signifikanzeinschätzung über Raumnutzungs- und Habitatanalysen stellt der Erlassgeber klar, dass hierbei Vorbelastungen z.B. durch Bestandsanlagen oder Straßen zu berücksichtigen sind. Der Erlass gibt zudem detailliert Regelfälle vor, in denen ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nicht anzunehmen ist, so u.a. im Falle von Repowering oder einer „Windpark-Arrondierung“.
Vermeidungsmaßnahmen und Ausnahmemöglichkeit
Zudem behandelt der Erlass mögliche neu konzipierte Vermeidungsmaßnahmen. Hervorzuheben ist dabei, dass bei Rotmilan und Schwarzmilan u.a. der Abstand zwischen Rotorblatt und Boden als Vermeidungsmaßnahme einbeziehen ist. Speziell für den Fall, dass sich „eine Art nach der WEA-Genehmigung, aber noch vor der WEA-Errichtung“ und innerhalb des besagten „Nahbereichs“ ansiedelt, kann eine Verlagerung von Horsten in geeignete Habitate in Betracht kommen.
Außerdem werden die Voraussetzungen für die Erteilung von Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG konkretisiert. Der Erlassgeber stellt u.a. klar, dass innerhalb von regionalplanerischen Vorranggebieten „das öffentliche Interesse an der Energieversorgung das öffentliche Interesse am Artenschutz deutlich überwiegt„. Zudem erkennt er ausdrücklich an, dass für Windenergieanlagen in den Vorranggebieten der Ausnahmegrund der öffentlichen Sicherheit i. S. d. § 45 Abs. 7 Nr. 4 BNatSchG gegeben ist.
Übergangsregelung
Diese und zahlreiche weitere Vorgaben des durchaus umfangreichen neuen Runderlass „Naturschutz/Windenergie“ sind in Hessen ab sofort in Kraft. Der Erlassgeber hat jedoch eine Übergangsregel formuliert. Bis sechs Monate nach Inkrafttreten besteht bei „verwaltungsanhängigen“ Vorhaben für den Vorhabenträger ein Wahlrecht, ob er das Verfahren unter Anwendung des bisher geltenden Leitfadens aus dem Jahr 2012 oder nach dem nun neuen Erlass 2020 führen will.
Fazit
Es ist absolut zu begrüßen, dass der Runderlass „Naturschutz/Windenergie“ in Hessen gerade mit Blick auf das Repowering, die Vermeidungs- und Schutzmaßnahmen sowie die Möglichkeiten einer artenschutzrechtlichen Ausnahme neue konstruktive Wege im Umgang der Windenergie mit dem Vogelschutz aufzeigt und hierbei auf aktuellste Erkenntnisse der Wissenschaft zurückgreift. Dies ist umso mehr hervorzuheben, da der Runderlass doch in enger Zusammenarbeit mit den Naturschutzverbänden NABU und BUND sowie dem BWE Landesverband Hessen erarbeitet wurde. Dieser Runderlass kann sicherlich einen wichtigen Beitrag für die Stärkung der Windenergienutzung und rechtssichere Genehmigungen leisten. Möge sich manch anderes Bundesland hieran ein Beispiel nehmen…