Informationszugang nach UIG als Eingriff in das Erstveröffentlichungsrecht
Heute am 26.09.2019 hat das BVerwG (Az.: 7 C 1.18) zu der Frage verhandelt, ob der Anspruch auf Informationszugang zu fachlichen Gutachten einen rechtswidrigen Eingriff in das Erstveröffentlichungsrecht darstellt. Gerade im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen ist die Erstellung zahlreicher fachlicher Gutachten notwendig. Bei den eingereichten, fachlichen Gutachten, handelt es sich aber um urheberrechtlich geschützte Werke.
I. Hintergrund und Umfang des Umweltinformationsanspruchs
Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 UIG hat jede Person nach Maßgabe der Vorschriften des Umweltinformationsrechts einen Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Der gesetzliche Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen nach dem UIG beruht auf der Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (RL 2003/4/EG). Diese hatte zum Ziel, das Umweltbewusstsein der Bürger zu stärken und den Bürgern hierzu die Möglichkeit zu geben, die Verwaltung in Umweltfragen wirksam und effektiv zu kontrollieren.
II. Umweltinformationsanspruch und Urheberrecht
In Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen sind regelmäßig fachliche Gutachten zu umweltrelevanten Fragen erforderlich. So bedarf es einer gutachterlichen Prognose, dass der Betrieb einer Windenergieanlage keine schädlichen Lärmemissionen für Menschen erzeugt. Auch die Einschätzung, dass durch den Betrieb der Windenergieanlage bestimmte geschützte Arten, wie Fledermäuse oder Vögel, nicht verletzt oder getötet werden, erfolgt in artenschutzfachlichen Gutachten. Die fachlichen Gutachten sind damit voll von solchen Umweltinformationen, auf die nach § 3 Abs. 1 S. 1 UIG grundsätzlich ein Informationsanspruch besteht.
Allerdings werden die fachlichen Gutachten hierfür von Sachverständigen individuell erstellt und stellen eine eigene geistige Leistung dar. Es handelt sich daher um urheberrechtlich geschützte Werke nach § 2 Abs. 2 UrhG. Bei solchen urheberrechtlich geschützten Werken hat gemäß § 12 Abs. 1 UrhG nur der Urheber das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Solange weder das Gutachten, noch der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Gutachtens mit der Zustimmung des Urhebers veröffentlicht ist, bleibt das Veröffentlichungsrecht beim Urheber: hier der Sachverständige.
Dieses Problem hat auch das UIG gesehen: In § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UIG findet der Umweltinformationsanspruch seine Grenzen im Urheberschutz. Danach ist ein Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen in Gutachten dann abzulehnen, soweit Urheberrechte an den Umweltinformationen entgegenstehen. Allerdings relativiert das UIG diese Grenzen wieder: Wenn nämlich ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe der Umweltinformationen überwiegt, dann besteht ein Anspruch auf Informationszugang, auch wenn in das Urheberrecht eingegriffen und es verletzt wird.
III. Rechtliche Fragen und bisherige Rechtsprechung
Für die Praxis haben sich daraus zwei relevante Fragen ergeben: Zum einen stellt sich die Frage, ob die Einreichung eines Gutachtens in einem Genehmigungsverfahren als „öffentlich“-rechtliches Verwaltungsverfahren bereits eine Veröffentlichung darstellt, mit der Folge, dass der Sachverständige von seinem Erstveröffentlichungsrecht Gebrauch gemacht hat. Zum anderen stellt sich die Frage für den Fall, in dem ein Erstveröffentlichungsrecht der Sachverständigen an ihren Gutachten besteht, was unter dem überwiegenden „öffentlichen Interesse“ i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UIG zu verstehen ist.
Die erste Frage wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung je danach beantwortet, ob es sich um ein förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 Abs. 3 BImSchG oder um ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren i. S. d. § 19 Abs. 2 BImSchG ohne Öffentlichkeitsbeteiligung handelt: Erstellt ein Sachverständiger sein Gutachten für ein Genehmigungsverfahren im Falle des § 19 Abs. 2 BImSchG, in dem keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist, so willigt der Sachverständige als Urheber nicht in die Veröffentlichung seines Gutachtens ein. Daraus folgt, dass hier das Erstveröffentlichungsrecht der Sachverständigen einem Informationsanspruch entgegensteht.
Für die zweite Frage, nach welchen Maßstäben von einem das Urheberecht überwiegendem öffentlichen Interesse i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UIG auszugehen ist, legt die Rechtsprechung einen sehr restriktiven Maßstab an. Danach überwiegt das öffentliche Interesse an dem Informationszugang nur dann, wenn mit dem Antrag ein Interesse verfolgt wird, das über das allgemeine Interesse hinausgeht, aus denen sich der Umweltinformationsanspruch begründet: Es genügt nicht allein das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit, Zugang zu Informationen über die Umwelt zu erhalten, um sich zu informieren oder die Verwaltung in umweltrelevanten Fragen zu kontrollieren.
IV. Die Tendenz des BVerwG
In der heutigen Verhandlung hat sich das BVerwG genau mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Dabei stellte das BVerwG für die Frage der Erstveröffentlichung besonders auf die unionsrechtliche Definition ab. Danach wird vorausgesetzt, dass das geschützte Werk einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten zugänglich gemacht wird. Zusätzlich ist erforderlich, dass es sich um eine besonders große Anzahl von Personen handelt. Der Senat äußerte insoweit seine Bedenken, ob bei Behördenmitarbeitern diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind. Gerade die Abgrenzbarkeit dieses Personenkreises spricht gegen die Erstveröffentlichung.
Im Hinblick auf die Abwägung der widerstreitenden Interessen hat das BVerwG betont, dass es insoweit eines spezifischen Interesses am Informationszugang bedarf. Es muss folglich mehr als das bloße Interesse am Informationszugang vorliegen. Zumindest in dem vom BVerwG heute verhandelten Fall ist ein solches spezifisches Interesse nicht erkennbar, da dem UIG-Antragsteller bereits zumindest allgemeine Umweltinformationen zur Verfügung gestellt wurden und damit dem öffentlichen Interesse hinreichend Rechnung getragen wurde.
Es bleibt dennoch die Entscheidung des BVerwG abzuwarten. Dazu informieren wir.