10.09.2019

Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen 2019 – oder wie NRW versucht, das Rad der Energiewende zurückzudrehen

Mit Zustimmung des Landtages vom 12.07.2019 hat die schwarz-gelbe Landesregierung den neuen Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen 2019 als Rechtsverordnung beschlossen. Er ist seit 06.08.2019 in Kraft getreten. Damit hat er den alten Landesentwicklungsplan 2017 abgelöst. Der Landesentwicklungsplan (LEP) stellt die maßgeblichen Vorgaben der Raumordnung für das gesamte Land auf. Nach dessen Vorgaben haben sich alle Planungen innerhalb des Landes (Regionalplanung und gemeindliche Bauleitplanung) auszurichten.

Während die Landesregierung das Land Nordrhein-Westfalen gern als Energieland präsentieren möchte und sich dabei den Klima- und Umweltschutz auf die Fahnen schreibt, so zeigt sich anhand des neubeschlossenen LEP 2019, dass es sich dabei leider nur um einen „grünen“ Anstrich handelt. Tatsächlich ist der Landesentwicklungsplan 2019 im Kern ein Zeugnis dafür, dass die schwarz-gelbe Landesregierung versucht, in eine Zeit vor der Energiewende zurückzufallen.

1. Keine Windenergienutzung in Wäldern

Erstes Merkmal des neubeschlossenen LEP NRW 2019 ist das Ziel der Landesregierung, die Windenergienutzung in Wäldern wieder rückgängig zu machen. Der vorhergehende Landesentwicklungsplan 2017 sah unter dem Ziel 7.3-1 „Walderhaltung und Waldinanspruchnahme“ noch den Passus vor, dass die Errichtung von Windenergieanlagen in Wäldern möglich sein sollte, wenn dadurch die Funktion der jeweiligen Waldflächen nicht beeinträchtigt wird.

Dieser Passus wurde im LEP 2019 ersatzlos gestrichen. Nunmehr regelt das neue Ziel 7.3-1 „Walderhaltung und Waldinanspruchnahme“ im LEP 2019 nur noch, dass Planungen oder bauliche Nutzungen in Waldbereichen in der Regel ausgeschlossen werden. Ausnahmen gelten nur für jene Nutzungen, die nicht außerhalb von Waldbereichen realisiert werden können. Dies bedeutet ein faktisches Verbot der Windenergienutzung in Wäldern. Dabei gibt es zahlreiche gute Gründe, Windenergieanlagen auch in Wäldern zu errichten, wie der von Bäumen ausgehende Lärm- oder Sichtschutz. Dies übergeht die Landesregierung völlig. Stattdessen versucht sie, eine sinnvolle und zutreffende Entwicklung wieder rückgängig zu machen.

Es erscheint zweifelhaft, ob die Landesregierung damit im Ergebnis Erfolg haben wird. Denn das für Nordrhein-Westfalen zuständige Oberverwaltungsgericht Münster hat bereits mehrfach festgestellt, dass Windenergienutzung nicht per se auf Waldflächen ausgeschlossen werden darf (OVG Münster Urt. v. 06.12.2017 – 7 D 100/15.NE); Urt. v. 22.09.2015 – 10 D 82/13.NE).

2. Herabstufung des Ausbaus der Windenergienutzung

Ein weiteres Merkmal des neubeschlossenen LEP 2019 ist der Versuch, den Ausbau der Windenergienutzung generell „herabzustufen“. Um die ehrgeizigen Ziele der Energiewende zu schaffen, wurde im vorangehenden LEP 2017 über den Ausbau der Erneuerbaren Energien unter Kapitel 10.2 als Ziele der Raumordnung bestimmt, dass Vorranggebiete für die Windenergienutzung sowie erneuerbare Energien auf Halden und Deponien vorzusehen sind. Bei solchen „Zielen“ der Raumordnung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG handelt es sich um verbindliche Vorgaben. Diese müssen sämtliche nachgeordnete Planungen (Regionalplanung und gemeindliche Bauleitplanung) beachten.

Im neubeschlossenen Landesentwicklungsplan 2019 werden diese ehemaligen Ziele 10.2-1 und 10.2-2 nur noch als sog. „Grundsätze“ aufgeführt. 10.2-2 bestimmt aktuell: „In den Planungsregionen können Gebiete für die Nutzung der Windenergie als Vorranggebiete in den Regionalplänen festgelegt werden.“ Bei diesen „Grundsätzen“ der Raumordnung handelt es sich gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG um programmatische Aussagen und Abwägungsgesichtspunkte. Nachgeordnete Planungen müssen diese zwar berücksichtigen, sie können die Grundsätze aber durch andere Planerfordernisse überwinden. Die Festlegung als sog. „Grundsätze“ im neubeschlossenen LEP 2019 erweist sich damit als „Weichmacher“. Das planerische Gewicht des Ausbaus der Windenergie wird damit gegenüber dem  LEP 2017 abgeschwächt.

Es bleibt zu hoffen, dass die Landesregierung mit dem Versuch, den Ausbau der Windenergienutzung planerisch „herabzustufen“, nicht durchdringt. Denn der Ausbau der Windenergienutzung darf in einer Zeit, in welcher zahlreiche deutsche und europäische Städte und Gemeinden den Klimanotstand ausrufen und die Folgen des Klimawandels immer sichtbarer werden, nicht an Priorität verlieren.

3. Abkehr von konkreten Vorgaben für den Ausbau der Windenergie

Mit der Herabstufung des Ausbaus der Windenergienutzung als Grundsatz korrespondiert auch die Abkehr von konkreten, verbindlichen Zielvorgaben für den Ausbau der Windenergienutzung. So sah der alte LEP 2017 noch bestimmte (Mindest-)Flächenanteile vor, die jede einzelne, nachgeordnete Planungsregion für den Ausbau der Windenergienutzung mindestens bereitstellen muss. Der LEP 2019 verzichtet nunmehr gänzlich auf solche Vorgaben. Es exisitiert keine Zielstellung, wieviel Flächen für die Windenergienutzung in den Planungsregionen ausgewiesen werden müssen, existiert im neuen LEP 2019 nicht mehr.

4. Überhöhte Abstandsflächen zu Siedlungen

Schließlich sieht der Landesentwicklungsplan 2019 großzügige Abstandsflächen  vor, welche Windenergieanlagen gegenüber allgemeinen und reinen Wohngebieten einhalten sollen. So bestimmt der neueingefügte Grundsatz 10.2-3, dass ein Abstand von 1.500 m zu reinen und allgemeinen Wohngebieten einzuhalten ist, soweit es die örtlichen Verhältnisse ermöglichen.

Ob sich die von der schwarz-gelb geführten Landesregierung beabsichtigten höheren Siedlungsabstände im Ergebnis durchsetzen werden, ist fragwürdig. Zum einen handelt es sich hierbei nicht um ein verbindliches Ziel, sondern lediglich um einen zu berücksichtigenden Grundsatz der Raumordnung. Dieser unterliegt der Abwägung. Das heißt: Nachgeordnete Planungsträger müssen bei der Festlegung von Siedlungsabständen also nicht nur den „Grundsatz“ eines 1.500 m-Abstands berücksichtigen, Vielmehr müssen sie auch andere planerische Belange berücksichtigen. Zum anderen ist bereits im Grunde fraglich, wie die Festlegung des doch sehr weiten Abstandsmaßes von 1.500 m gerechtfertigt werden soll.

5. Fazit

Der neue Landesentwicklungsplan 2019 erweist sich als Versuch der schwarz-gelb geführten Landesregierung, das Rad der Energiewende zurückzudrehen. Windenergieplanern oder -unternehmen kann nur geraten werden, eng mit Gemeinden bzw. Städten zusammenzuarbeiten. Der LEP 2019 sieht zwar keine verbindlichen Zielvorgaben für den Ausbau der Windenergienutzung mehr vor. Er beschränkt die Ausbauziele aber auch nicht. Eine möglichst frühe und enge Zusammenarbeit mit Gemeinden und Städten könnte helfen, die erforderliche Flächenkulisse für den Ausbau der Windenergienutzung sichern. Mehr denn je, liegt der Ausbau der Windenergienutzung in Nordrhein-Westfalen nun in der Hand der Planungsregionen sowie der Städte und Gemeinden.

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