14.11.2019

Mindestabstände für Windenergieanlagen verstecken sich im Kohleausstiegsgesetz

Die vorgesehenen Regelungen für Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und bestimmten Siedlungen sollen durch das Kohleausstiegsgesetz verabschiedet werden. Am 11.11.2019 wurde der Referentenentwurf des BMWi zum Kohleausstiegsgesetz bekannt. Das geplante Kohleausstiegsgesetz ist eine Maßnahme im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung, welches den Ausstieg aus einer CO2-abhängigen Energieerzeugung sowie die Umstellung und den Ausbau einer klimaneutralen Energieerzeugung gewährleisten soll. Der bekannt gewordene Referentenentwurf zeigt nun jedoch, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

Für die Windenergienutzung, welche den größten Anteil an der Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien und damit den stärksten Beitrag zur Energiewende leistet, droht daraus eine exorbitante Flächenreduzierung. Für das Handelsblatt  ist das geplante Kohleausstiegsgesetz bereits der „Todesstoß“ für die Windenergie

Inhalt der Mindestabstände

Der Referentenentwurf des geplanten Kohleausstiegsgesetzes sieht die Einführung pauschaler Mindestabstände von 1.000 m zwischen Windenergieanlagen und bestimmten Wohnnutzungen unter Neueinfügung eines § 35a BauGB vor.

Durch Bebauungsplan festgesetzte Gebiete

Nach dem geplanten § 35a Absatz 1 Satz 1 und 2 BauGB steht der Zulässigkeit einer Windenergieanlage nach § 35 Absatz 1 Nr. 5 BauGB künftig ein öffentlicher Belang entgegen, wenn das Vorhaben in einem Mindestabstand von weniger als 1.000 Metern zur zulässigen Wohnbebauung in einem im Bebauungsplan festgesetzten reinen oder allgemeinen Wohngebiet oder zur zulässigen zusammenhängenden Bebauung mit mehr als fünf Wohngebäuden in einem festgesetzten Dorfgebiet errichtet werden soll.

Faktische Gebiete

Dies soll auch für solche Fälle gelten, in denen eine tatsächliche Bebauung vorhanden ist, die einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet oder einem Dorfgebiet entspricht. Die Voraussetzung einer zusammenhängenden Bebauung mit mehr als fünf Wohngebäuden ist für diese faktischen Dorfgebiete nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfes nicht vorgesehen. Es ist zu bezweifeln, ob sich das Ministerium bei Erstellung des Gesetzesentwurfs dieser Erweiterung bewusst war. Denn die Begründung zum Gesetzesentwurf weist allein darauf hin, der Mindestabstand solle auch für faktische reine und allgemeine Wohngebiete gelten.

Keine Ausnahme für Repowering

Besonders schwerwiegend fällt zudem ins Gewicht, dass der Referentenentwurf keine gesetzliche Ausnahme für das Repowering von Windenergieanlagen vorsieht. Ebenso ermöglicht er keine Abweichung für den sog. atypischen Ausnahmefall.

Keine städtebauliche Rechtfertigung

Bisher hatte die Rechtsprechung pauschalen Abständen von 1.000 m zu Siedlungen eine klare Absage erteilt. Abstände seien vielmehr individuell nach der jeweiligen immissionsschutzrechtlichen Schutzwürdigkeit der Wohngebiete zu differenzieren. So müssten Abstände zu reinen Wohngebieten daher größer bemessen sein als im Verhältnis zu Dorfgebieten. Der geplante Abstand von 1.000 m rechtfertigt sich weder aus Lärmschutzgesichtspunkten noch aus Gründen der sog. „optisch bedrängenden Wirkung“.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Windenergieanlage im Regelfall optisch nicht bedrängend wirkt, wenn sie jedenfalls einen Abstand vom Dreifachen ihrer Anlagenhöhe zu Wohngebäuden einhält. Bei heute marktfähigen und üblichen Windenergieanlagen mit einer Höhe von ca. 200 m wäre daher ein Abstand von 600 m zu Wohngebäuden völlig ausreichend, um optische Belästigungen auszuschließen.

Der geplanten Einführung eines pauschalen 1.000 m-Abstands in § 35a Absatz 1 BauGB liegt also schlichtweg keine städtebauliche Rechtfertigung zugrunde.

In einem Papier vom September 2019 haben sich dementsprechend bereits zahlreiche Verbände – angefangen bei dem WWF, Greenpeace, der Deutschen Umwelthilfe bis hin zum VKU und BWE – in einem 10-Punkteplan gerade gegen pauschale Abstände zulasten von Windenergieanlagen ausgesprochen.

Opt out für die Länder

Ein Hoffnungsschimmer ist scheinbar in § 35a Absatz 1 Satz 4 BauGB zu sehen. Danach können die Länder bis zu 18 Monate nach Einführung der 1.000 m-Abstandsregel per Gesetz geringere Abstände festlegen. Warum diese Möglichkeit nur für 18 Monate bestehen soll, bleibt das Geheimnis des Ministeriums. Unabhängig hiervon droht diese Abweichungsmöglichkeit für die Länder durch eine andere Öffnungsklausel völlig leerzulaufen:

Opt out für Kommunen

Gleichzeitig soll nämlich den Gemeinden nach § 35a Absatz 6 BauGB die Möglichkeit eingeräumt werden, im Rahmen von Bauleitplänen eigene Abstandregelungen zu Wohnnutzungen festzulegen. Nach dem Klimaschutzprogramm 2030 sollte den Gemeinden diese Möglichkeit nur gegeben werden, um geringere Mindestabstände festzulegen.

Anders die jetzt vorgesehene Regelung! Danach können die Gemeinden in ihren Bauleitplänen auch größere Abstände als 1.000 m vorsehen. Hierauf weist die Begründung des Referentenentwurfs ganz ausdrücklich hin: „Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass neben geringeren auch größere Abstände im Rahmen der nach Inkrafttreten der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung aufzustellenden Pläne vorgesehen werden können.“ Im Referentenentwurf des Kohleausstiegsgesetzes wird damit die Festlegung noch größerer Pauschalabstände ausdrücklich gebilligt. Vor diesem Hintergrund kann dem Referentenentwurf nur eine Windenergieverhinderung attestiert werden.

Auswirkungen auf laufende Regionalplanungen

Ein weiterer Verlierer neben den Erneuerbaren Energien ist im Referentenentwurf auch ausgemacht. Das sind die laufenden Regionalplanungen, die eine Windenergienutzung auch unterhalb von 1.000 m zu Wohngebieten ermöglichen möchten. Oft haben sich die Planungsgeber zum Schutz anderer Bereiche für diesen planerischen Weg entschieden.

Nach den kompliziert gefassten Regelungen in § 35a Absatz 2 und 3 BauGB würde diesen im Verfahren befindlichen Regionalplänen aber nur dann ein Vorrang vor der 1.000 m Abstandsregelung zukommen, wenn sie innerhalb von 6 Monaten nach Inkrafttreten der geplanten Gesetzesänderung wirksam werden. Im Umkehrschluss heißt das, alle anderen – häufig schon seit Jahren – laufenden Planungen müssen sich an dem 1.000 m Abstand ausrichten. Viele Regionalplanungen werden daher mit der Bearbeitung quasi wieder neu beginnen müssen.

Überleitungregelung für laufende Zulassungsverfahren

Einen längeren Blick sollten Projektierer auf die vorgesehene Regelung in Absatz 5 werfen. Dort soll eine Überleitungsvorschrift für laufende Zulassungsverfahren aufgenommen werden. Danach soll das BauGB in seiner bisherigen Fassung anzuwenden sein, soweit für Zulassungsentscheidungen für Windenergieanlagen nach § 35 vor dem Kabinettsbeschluss zum Kohleausstiegsgesetz (!) ein Antrag eingegangen ist. Der Entwurf schweigt an dieser Stelle, ob er von Zulassungsentscheidungen nur Genehmigungsanträge oder auch Anträge auf Vorbescheid erfasst sehen will.

Fazit

Insgesamt ist festzuhalten: Der geplante § 35a BauGB im Referentenentwurf des BMWi stellt das Gegenteil von Klimaschutz und Energiewende dar. Die geplanten 1.000 m Mindestabstände sind ein Kniefall vor den konservativen Kräften der CDU/CSU und den Ängsten vor der AFD.

Sie wird zu einer deutlichen Flächenreduzierung für die Windenergie führen, die den größten Anteil an der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien stemmt. Sofern der gewünschte und dringend notwendige Kohleausstieg in Deutschland tatsächlich gelingt, stellt sich dann eine Frage: Woher kommt der Strom?

 

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