07.11.2023

NRW – neuer Erlass zur Lenkung des Windenergieausbaus

NRW hat kürzlich einen „Erlass zur Lenkung des Windenergieausbaus in der Übergangszeit“ an seine Behörden geschickt. NRW will so – wie der Name schon sagt – den Windkraftausbau „in konkret definierte regional und kommunal gewollte Flächen“ lenken. Und zwar solange, bis die Regionalpläne in Kraft treten, die zum Erreichen der Flächenbeitragswerte für NRW erforderlich sind. In diesem Übergangszeitraum erfolgt der Zubau von Windenergieanlagen also ausschließlich in einem „gesicherten Flächenkorridor“.

„Beschleunigungsflächen“ des LANUV

Dieser setzt sich aus drei Flächentypen zusammen. Das sind einmal Flächen für die Windenergie in wirksamen kommunalen Bauleitplänen. Zum Anderen jene Flächen, die die Regionalplanungsträger bislang in ihren aktuellen Planentwürfen vorsehen, sofern diese hierfür einen Beschluss „zu der Konzeption und den räumlich bestimmten Flächen“ gefasst haben. Weder muss ein Umweltbericht vorliegen oder ein förmlicher Aufstellungsbeschluss nach § 19 Abs. 1 LPlG gefasst sein. Erst recht ausreichend ist das Vorliegen dre Vorrassetzungen § 245 e Abs. 4 BauGB. Und die dritte Kategorie sind sog. „Beschleunigungsflächen“. Diese hat das Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in den vergangenen  Monaten im Wege einer „Flächenanalyse Windenergie NRW“ als offenbar geeignet identifiziert, dort stießen „neue Windenergieanlagen auf sehr viel geringere Raumwiderstände“ als andernorts.

Sofortige Geltung und Rechtsgrundlage für vorläufigen Flächenkorridor?

Das bedeutet: Innerhalb dieses Flächenkorridors soll der Windenergieausbau raumordnungsrechtlich bereits jetzt, sofort ermöglicht werden. Außerhalb aber „widerspricht der Zubau in der Übergangszeit dem Steuerungsziel„. Obwohl die Regionalpläne bislang nur im Entwurf vorhanden sind und die „Beschleunigungsflächen“ einzig das LANUV festgelegt hat. Jedenfalls liest sich so der Erlass, der seit 1. September 2023 in Kraft ist und keine Übergangsregelung oder ähnliches enthält.

Die Angaben auf der Homepage der Landesplanung hingegen sprechen eher gegen eine sofortige Geltung des Flächenkorridors! Demnach möchte NRW auf „bekannte Rechtsinstrumente“ zurückgreifen. Hierfür will man im Landesentwicklungsplan ein entsprechendes Ziel der Raumordnung implementieren. Tatsächlich ist im aktuellen LEP-Entwurf das Ziel 10.2-13 enthalten – nur ist dieser LEP eben noch nicht in Kraft. Offenbar erachtet man in NRW das Ziel 10.2-3 als „in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung“ und damit als berücksichtigungspflichtig. So richtig klar wird aber nicht, auf welche Rechtsgrundlage man die Anwendung des zumindest in weiten Teilen außerhalb jedes gesetzlich vorgesehenen Planungsverfahrens ermittelten Flächenkorridors zu stützen gedenkt.

Befristete Aussetzung außerhalb des Flächenkorridors

Das ist umso misslicher, als der Erlass sogar ein modifiziertes Aussetzungsverfahren nach § 36 Abs. 2 LP1G für Vorhaben außerhalb des gesicherten Flächenkorridors vorsieht. Demnach kann die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Windenergieanlage im Einzelfall (befristet) ausgesetzt werden. Hierfür ist aber nun das Einvernehmen der Gemeinde im Hinblick LEP Ziel 10-2.13 erforderlich. Erteilt die Gemeinde ihr Einvernehmen im Rahmen des BlmSchG-Genehmigungsverfahrens, ist keine weitere Prüfung einer Vereinbarkeit mit LEP-Ziel 10-2.13 erforderlich. Soweit so gut. Aber verweigert die Gemeinde ihr Einvernehmen, wird es kompliziert. Dann muss die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde die Einvernehmensverweigerung prüfen und die Bezirksregierung beteiligen. Diese prüft dann, ob „die gesetzlichen Voraussetzungen und die Regelungen dieses Erlasses für eine Aussetzung erfüllt sind“, so der Erlass. Bejaht sie dies, „bittet sie ein noch einzurichtendes Vermittlerteam innerhalb einer angemessenen Frist (in der Regel 1 Monat) auf eine einvemehmliche Regelung hinzuwirken„. Kommt eine einvernehmliche Regelung nicht zu Stande, weist die Bezirksregierung „unter Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde“ an, die Entscheidung über die Zulässigkeit des beantragten Vorhabens befristet auszusetzen.

Keine Aussetzung bei Vertrauensschutz und Repowering

Dabei muss die Bezirksregierung allerdings ausdrücklich Vertrauenschutzgesichtspunkte berücksichtigen. Vertrauensschutz soll dem Erlass nach für Windenergievorhaben gelten, für die bis zum 6. Juni 2023 vollständige Genehmigungsunterlagen vorlagen und für die zu diesem Zeitpunkt „bei einer verständigen Gesamtabwägung aufgrund der Umstände vor Ort ein gefestigtes schutzwürdiges Vertrauen der Antragstellenden in die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens fortbestand„. Trotz der Bemühung des Erlassgebers, die Voraussetzungen dieses Vertrauentatbestand zu konkretisieren, dürften ausgiebige Streitigkeiten absehbar sein.

Immerhin erkennt NRW an, dass jedenfalls Repowering unter den Voraussetzungen des § 245 e Abs. 3 BauGB auch außerhalb der Windenergiegebiete der Regional- und Bauleitplanung zulässig ist. Eine Zurückstellung ist insoweit ausgeschlossen. Und man sah sich veranlasst eine etwaige Entschädigungspflicht aufgrund einer unzulässig angeordneten Zurückstellung zu regeln. Diese trifft nach dem Erlass stets das für Fragen erneuerbarer Energien zuständige Ressort (und nicht die lediglich ausführenden Kreise oder kreisfreien Städte oder ihr Einvernehmen verweigernden Kommunen).

Dieser in NRW jetzt zu beachtende Erlass zur Lenkung des Windenergieausbaus ist ein weiteres Beispiel, dass Planungsträger und Behörden sich offenkundig veranlasst sehen und keinen Aufwand scheuen, den Windenergieausbau irgendwie zu „lenken“. Selbst wenn diese „Lenkung“ nicht als Bremse gedacht sein sollte, hat dieser Erlass doch das Potenzial, zu einer solchen werden.

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