25.06.2021

OVG Koblenz: Keine harte Tabuzone um einen Rotmilanhorst

Rotmilan und Windenergie – diese beiden Begriffe sind in Deutschland kaum mehr voneinander zu trennen. So überrascht es nicht, dass das OVG Koblenz erneut über die Vereinbarkeit beider zu entscheiden hatte. Allgemein bekannt ist die naturschutzfachliche Vermutung, wonach die Windenergienutzung in einem Umkreis von 1.000m bzw. 1.500m um einen besetzten Rotmilanhorst unter Umständen nicht mit dem artenschutzrechtlichen Tötungsverbot vereinbar sei. Erfreulich ist, dass das OVG Koblenz diese Wertung nicht bereits auf der Planungsebene gelten lässt.

Von vorne: Das OVG Koblenz entschied am 26.05.2021 (Az: 8 C 11151/20.OVG) über einen Flächennutzungsplan (FNP), in dem Konzentrationszonen für die Windenergienutzung dargestellt sind. Laut FNP sollten die Konzentrationszonen Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB entfalten. Die Ausschlusswirkung hat zur Folge, dass die Windenergienutzung nur in den dargestellten Flächen zulässig und außerhalb dieser Flächen ausgeschlossen ist.

Voraussetzungen für die Ausschlusswirkung

Damit Darstellungen eines FNP diese Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB entfalten können, muss die Planung strenge, von der Rechtsprechung entwickelte Kriterien erfüllen. Dazu gehört es Tabuzonen herauszuarbeiten, in denen die Windenergienutzung unzulässig sein soll. Dabei unterscheidet die Rechtsprechung zwischen sog. „harten“ und „weichen Tabuzonen“. Nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen hat der Plangeber zu überprüfen, ob der Windenergienutzung substantiell Raum verschafft wurde. Dazu müssen insbesondere die verbleibenden Potenzialflächen ins Verhältnis zu den tatsächlich ausgewiesenen Flächen gesetzt werden.

Rotmilanhorst rechtfertigt keine harte Tabuzone

Im Zuge des ersten Planungsschrittes hatte die Gemeinde einen Umkreis von 1.000m um kartierte Rotmilanshorste als harte Tabuzonen festgelegt. Dies erklärte das OVG Koblenz laut einer entsprechenden Pressemitteilung als grundsätzlich unzulässig. Denn die einmalige Kartierung des Rotmilanhorsts habe nicht zur Folge, dass die Windenergienutzung hier in den kommenden Jahren schlechthin ausgeschlossen sei. Vielmehr – so argumentiert das OVG Koblenz – sei aufgrund der Dynamik der Natur eine Prognose über das Artenverhalten nicht möglich. So könne ein aktuell besetzter Horst im darauffolgenden Jahr nicht mehr besetzt sein. Mithin folgt aus der Besetzung eines Horstes nicht, dass die Windenergienutzung in dem Umkreis von 1.000m um den Horst auf unabsehbare Zeit an dem artenschutzrechtlichen Tötungsverbot scheitern müsse. Daher sei es grundsätzlich unzulässig, eine harte Tabuzone im Umkreis eines Rotmilanhorsts festzulegen.

Überdies: Kein substantieller Raum verschafft

Überdies bemängelte das OVG, dass der Plangeber der Windenergie nicht substantiell Raum verschafft habe. Er habe nicht die verbleibenden Potentialflächen mit den tatsächlich ausgewiesenen Konzentrationszonen in ein Verhältnis gesetzt. Insbesondere wäre dabei zu berücksichtigen gewesen, dass im Landesentwicklungsplan IV des Landes Rheinland-Pfalz das Ziel festgesetzt wurde, 2%-der landesweiten Flächen für die Windenergienutzung zur Verfügung zu stellen.

Bewertung und Ausblick

Diese Bewertung des OVG Koblenz überzeugt. Es ist artenschutzfachlich anerkannt, dass der Rotmilan nicht „reviertreu“ ist. Es ist weiter kein Geheimnis, dass die Natur insgesamt dynamisch ist und sich ständig verändert – nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels. Ein Flächennutzungsplan (ebenso wie ein Regionalplan) soll aber viele Jahre gelten. Aus diesem Grund kann nicht aufgrund eines einmaligen Ereignisses ein dauerhafter Ausschluss einer Fläche erfolgen. Der Entscheidung des OVG Koblenz ist auch zuzustimmen, da artenschutzfachliche Fragestellungen auf der Genehmigungsebene einzelfallbezogen effektiver gelöst werden können.

Die Argumentation des OVG Koblenz lässt sich auch auf die Abwägungsebene übertragen, also die Auswahl der weichen Tabuzonen. Auch hier kann nicht von einem einmaligen Brutereignis auf eine dauerhafte Unvereinbarkeit einer Fläche mit der Windenergienutzung abgestellt werden.

Soweit sich das OVG Koblenz mit den Voraussetzungen für das Verschaffen substantiellen Raums auseinandersetzt, ist zu begrüßen, dass es die landesplanerischen Ziele als Maßstab für die Auseinandersetzung benennt. Es bleibt abzuwarten, ob in der Entscheidungsbegründung noch ein mutigeres Bekenntnis zum 2-%-Ziel für die Flächennutzungs- und damit auch Regionalplanung erfolgt.

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