02.10.2019

Neuer Erlass zur Anwendung der LAI-Hinweise in der Bauleitplanung

Das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) des Landes Schleswig-Holstein hat gemeinsam mit dem Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration zum 19.08.2019 einen Erlass zum „Lärmschutz in der Bauleitplanung und im Baugenehmigungsverfahren – Heranrücken schutzbedürftiger Nutzungen an Windkraftanlagen“ (hier abrufbar) herausgeben.

Regelungsgegenstand des Erlasses

Der neue Erlass des MELUND knüpft zunächst, anlehnend an den Erlass vom 31.01.2018 (hier abrufbar), an die Einführung der von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) herausgegebenen Hinweise (hier abrufbar) in Schleswig-Holstein mit Erlass v. 31.01.2018 an. Das MELUND stellt klar, dass diese Hinweise derzeit von den Immissionsschutzbehörden angewandt werden. Zugleich ergeht der Hinweis, dass künftige Schallgutachten in der Bauleitplanung ebenfalls nach den LAI-Hinweisen zu erstellen sind.

Weiter unterscheidet der Erlass zwischen Bestandssituationen und Neuplanungen. Die Regelungen zu Bestandssituationen enthalten dabei wenig Neuerungen. So wird die Anwendung der in der TA Lärm geregelten Regelungen zu „Gemengelagen“ sowie der „Irrelevanz“ von Immissionsbeiträgen vorgestellt.

Die Ziffer zur Neuplanung stellt klar, dass es bei der Neuplanung von Wohnbauflächen der Vermeidung von Konfliktsituationen bedarf. Auch dies stellt grundsätzlich keine Neuerung dar. Hierfür gibt das MELUND den kommunalen Planungsträgern zwei Fallschema für den vorzunehmenden Abwägungsprozess vor.

Schließlich bietet das MELUND den kommunalen Planungsträgern an, die dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume vorliegenden Schallimmissionsgutachten genehmigter Windenergieanlagen zugänglich zu machen. Damit können diese zur Bewertung der Bestandssituation herangezogen werden.

Zum Abschluss stellt das MELUND klar: Die in den aktuellen Regionalplanentwürfen berücksichtigten Abstände von 800 m zu Siedlungsbereichen mit Wohn- und Erholungsfunktion auch unter Berücksichtigung der LAI-Hinweise können aufrecht erhalten bleiben. Die Festlegung von Siedlungsabständen entbindet die Planungsgemeinschfaten aber nicht von ihrer Pflicht, stets eigene immissionsschutzrechtliche Betrachtungen durchzuführen.

LAI-Hinweise und ihr Verhältnis zur TA Lärm – fehlende Klarstellung durch das MELUND

Kritisch anzumerken ist zunächst, dass das MELUND im aktuellen Erlass eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis der LAI-Hinweise zur Bindungswirkung der TA Lärm vermissen lässt.

Auch eineinhalb Jahre nach der Einführung der LAI-Hinweise in Schleswig-Holstein hat sich in der bundesweiten Rechtsprechung noch kein einheitliches Bild abgezeichnet, ob die LAI-Hinweise einen neuen gesicherten Erkenntnisstand darstellen und damit die Bindungswirkung der TA Lärm entfällt (wir berichteten zuletzt hier).

Das MELUND geht über diese Tatsache im aktuellen Erlass hinweg. So stellt das MELUND zunächst klar, dass die TA-Lärm bei der Zulassung von Windkraftanlagen als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift zu beachten sei. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Weiter führt das MELUND dann allerdings aus: „Da die TA Lärm auch im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung […] heranzuziehen ist, sind zukünftig erforderliche Schallgutachten unter Berücksichtigung der LAI-Hinweise zu erstellen.“  Statt somit klarzustellen, dass die LAI-Hinweise gerade nicht mit den Vorgaben der TA Lärm zum Prognosemodell vereinbar sind, wird seitens des MELUND eine Vereinbarkeit der TA Lärm mit den LAI-Hinwiesen unterstellt. Vielmehr noch wird unterstellt, dass die Anwendbarkeit der TA Lärm zur zwingenden Anwendbarkeit der LAI-Hinweise führt. Die TA Lärm und die LAI-Hinweise stehen allerdings hinsichtlich des Prognoseverfahrens weiterhin im Widerspruch zueinander.

Ob sich aus dem Erlass nunmehr die Pflicht der kommunalen Planungsträger ergibt, die LAI-Hinweise im Rahmen der Bauleitplanung zu berücksichtigen, wenn gleichzeitig die TA Lärm bei der Beurteilung von Gewerbelärm heranzuziehen ist, ist äußerst fraglich. Denn solange die TA-Lärm Bindungswirkung entfaltet, sind die erforderlichen Schallgutachten nach deren Prognoseverfahren und nicht nach den LAI-Hinweisen zu erstellen.

Das MELUND erweckt gerade in diesem Zusammenhang einen falschen Eindruck vom Zusammenspiel der TA Lärm mit den LAI-Hinweisen. Hier bestehtzwingender Klarstellungsbedarf.

Bestandssituation – Pflicht zur Neubewertung?

Auch hinsichtlich der Ausführungen zu Bestandssituationen in der Bauleitplanung lässt das MELUND in seinem Erlass klare Aussagen vermissen.

So wird zum einen nicht deutlich, ob die kommunalen Planungsträger auf der Grundlage des Erlasses verpflichtet sind, Neubewertungen von Bestandsgebieten in Siedlungsbereichen vorzunehmen oder nicht. Es ergeht seitens des MELUND nur der Hinweis, dass die Neubewertung (wohl auf der Grundlage der LAI-Hinweise) zur Folge haben könnte, dass die Lärmimmissionen bestehender Windenergieanlagen lauter zu bewerten sein könnten.

Nach dem MELUND kann in einem solchen Fall die Bildung von Zwischenwerten in Gemengelagen nach Ziff. 6.7 TA Lärm eine Lösung anbieten. Dies ist aber gar nicht erforderlich.

Die Regelungen zur Gemengelage in der TA Lärm dienen grundsätzlich dazu, den maßgeblichen Immissionsrichtwert für die jeweiligen Gebiete zu bestimmen. Hierbei kann es auch zur Bildung von Zwischenwerten in bestimmten Gebieten kommen. Nach diesen Regelungen richtet sich, ob geplante Vorhaben die maßgeblichen Immissionsrichtwerte und damit die Vorgaben der TA-Lärm einhalten oder nicht. Für die nachträgliche Bewertung von Bestandssituationen in Siedlungsbereichen sind die Regelungen der Gemengelage allerdings nach diesseitiger Auffassung nicht von Relevanz. Werden die maßgeblichen Immissionsrichtwerte nicht eingehalten, ist dies allenfalls für die Überwachungsbehörden von Interesse. Dies, um zu prüfen, ob nachträgliche Anordnungen gegenüber den Windparkbetreibern erlassen werden sollen. Die kommunalen Planungsträger sind hiervon –  allenfalls – mittelbar betroffen.

Irrelevanzkriterien und Gemengelage – nur mittelbare Auswirkungen auf die Bauleitplanung

Schließlich sind auch die Hinweise zur Anwendung des Irrelevanzkriteriums kritisch zu betrachten, da Tor und Tür für Missverständnisse eröffnet werden. So erklärt das MELUND im Erlass, dass ein Windpark nur dann in seiner Leistung verstärkt oder nachverdichtet werden kann, wenn der Zuwachs der Immissionen so geringgehalten wird, dass er faktisch nicht wahrnehmbar ist. Dies ist eine Aussage, die im klaren Widerspruch zu den Regelungen der TA Lärm steht.

Die TA Lärm regelt nach dem sogenannten Irrelevanzkriterium, dass die Genehmigung einer Windenergieanlage auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte durch bereits bestehende Vorbelastung dann nicht versagt werden darf, wenn die hinzukommende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet.

Das MELUND erklärt in dem Erlass zum einen nicht, wann ein Zuwachs der Immissionen „faktisch nicht wahrnehmbar“ sei. Zudem stellt es dieses Kriterium für die Nachverdichtung von Windparks auf. Und zwar unabhängig der Frage, ob bereits durch die Vorbelastung die Schallimmissionsrichtwert eingehalten werden oder nicht. Wenn allerdings auch bei einer Nachverdichtung bzw. beim Zuwachs von Windenergieanlagen die maßgeblichen Immissionsrichtwerte eingehalten werden, kann es auf die „faktische Wahrnehmbarkeit“ der Immissionen gar nicht mehr ankommen. Das Irrelevanzkriterium spielt in solchen Fällen keine Rolle.

Fazit

Für Anlagenbetreiber in Schleswig-Holstein bringt der Erlass des MELUND nicht viele Neuerungen. Hauptschwerpunkt des Erlasses bleibt die Bauleitplanung, auch wenn der Erlass konkrete Handlungsanweisungen für kommunale Planungsträger vermissen lässt. Zwar beschäftigt er sich im letzten Teil ebenfalls mit der Neuplanung von Wohnbauflächen. Dass die kommunalen Planungsträger hierbei allerdings grundsätzlich dazu verpflichtet sind, Konfliktsituationen zu vermeiden bzw. zu minimieren, ist ein allgemeiner Grundsatz der Bauleitplanung und bedarf keiner weitergehenden Konkretisierung. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass der Betrieb von Bestandswindparks durch Neuplanungen von heranrückender Siedlungsbebauung weder beschränkt noch sonst wie in den genehmigten Betrieb von Windenergieanlagen eingegriffen werden darf. Denn das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gilt ebenfalls in der Bauleitplanung und dürfte den kommunalen Planungsträgern bereits hinreichend bekannt sein. Offen bleibt schließlich nur, wie die Genehmigungsbehörden den Erlass in Zukunft bei der „Nachverdichtung“ von Windparks berücksichtigen werden.

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