18.11.2021

Verwaltungsgericht Gera erklärt Sachlichen Teilplan Windenergie des Regionalplan Ostthüringen für unwirksam

Das Verwaltungsgericht Gera hatte im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage in Ostthüringen zu entscheiden, ob der im Dezember 2020 beschlossene Teilplan Windenergie der Planungsgemeinschaft Ostthüringen dem geplanten Vorhaben entgegensteht. Das Vorhaben befindet sich nicht innerhalb eines im Regionalplan ausgewiesenen Vorrang- und Eignungsgebietes. Es war viele Jahre aufgrund einer landesplanerischen Untersagung nicht realisierbar. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die zuständige Immissionsschutzbehörde über die Genehmigungserteilung erneut zu entscheiden. Dabei erklärte es allerdings, dass die beiden Ablehnungsgründe, Artenschutz und der Regionalplan Ostthüringen, dem Vorhaben nicht entgegenstünden.

Inzidente Überprüfung des Teilplan Windenergie des Regionalplan

Ein Eilantrag war am 16.04.2020 bereits von dem Verwaltungsgericht Gera abgelehnt worden, da die festgestellten Fehler des Regionalplans damals noch hätten geheilt werden können (wir berichteten hier). Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens hatte das Verwaltungsgericht Gera nun zu prüfen, ob der Teilregionalplan Wind den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Ausweisung von Vorrang- und Eignungsgebieten mit Ausschlusswirkung im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB genügt. Es musste damit eine umfassende Überprüfung des im Dezember 2020 in Kraft getretenen Teilregionalplans vornehmen. Es ging darum festzustellen, ob dem geplanten Vorhaben der Klägerin regionalplanerische Belange entgegenstehen.

Damalige Kritik nicht umgesetzt

Schon im damaligen Eilverfahren (Beschluss v. 16.04.2020 (Az.: 5 E 1528/19 Ge) hatte das Verwaltungsgericht Gera Zweifel daran geäußert, ob der damalige Planentwurf der Windenergienutzung substantiell Raum verschaffe. Abgelehnt hatte es den Antrag auf Eilrechtschutz gegen eine damals ergangene landesplanerische Untersagung allerdings mit dem Argument, dass er sich nicht um solche materiellen Mängel leide, die nicht im weiteren Planverfahren noch geheilt werden könnten. Der Plan sei damit als solcher sicherungsfähig gewesen.

Von dieser Einschätzung hat sich das Verwaltungsgericht nun im Rahmen der mündlichen Verhandlung verabschiedet. Es wies darauf hin, dass der Plangeber trotz Hinweisen des Verwaltungsgerichts im damaligen Eilverfahren nicht die Notwendigkeit gesehen hatte, den Regionalplanentwurf zu überarbeiten. Insbesondere der Hinweis zu  einzelnen Flächen, die aufgrund des Denkmalschutzes nach Auffassung des Plangebers nicht für die Windenergienutzung zur Verfügung standen, noch einmal in den Blick zu nehmen wurde ignoriert.

Im damaligen Eilverfahren verwies das Verwaltungsgericht Gera darauf, dass es die „restriktive Ausweisung von Windvorrangflächen im Beschlussentwurf vom 30. November 2018“ nicht als „unbedingt zwingend“ ansehe. Die Regionale Planungsgemeinschaft hatte in diesen potentiellen Flächen wegen der Nähe zu einem Landschaftsschutzgebiet, der Prägung des potentiellen Raumes durch die Windenergieanlagen sowie Belange des Denkmalschutzes die Windenergienutzung ausgeschlossen. Dies sah das VG Gera angesichts der Pflicht der Regionalen Planungsgemeinschaft, sich in Richtung eines Ein-Prozent-Flächenziels auszurichten, als nicht stimmig an. Dennoch wurde der Entwurf in seiner damaligen Gestalt im Dezember 2020 durch die Regionale Planungsgemeinschaft beschlossen, ohne dass wesentliche Änderungen vorgenommen wurden.

Entscheidung in der Hauptsache: Nicht substantiell Raum verschafft

Das Verwaltungsgericht nahm die damalige Kritik am Planentwurf des Regionalplan zum Anlass, im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Hauptsacheentscheidung gemeinsam mit dem Plangeber die Prüfbögen einzelner Flächen zu betrachten und den Plangeber darauf hinzuweisen, dass gerade die Belange des Denkmalschutzes nach Auffassung des Gerichts wesentlich restriktiver hätten berücksichtigt werden dürfen.  Auch in der Urteilsbegründung griff das Verwaltungsgericht weitere Tabu- und Restriktionskriterien auf, die nach Auffassung des Gerichts vom Plangeber falsch bewertet worden waren (so unter anderem die Einordnung von Naturparks und Landschaftsschutzgebieten sowie das Grüne Band als harte Tabuzone).

Zwar stellt das Gericht erneut fest, dass die im Thüringer Klimaschutzgesetz enthaltene 1-Prozent-Vorgabe nicht zu einer verbindlichen Flächenvorgabe für Regionale Planungsträger erstarke. Dabei machte sich das Gericht die Ausführungen des OVG Weimar zu § 4 Abs. 2 S. 2 ThürKlimaG zu eigen (wir berichteten hier).

Allerdings gelangt das Verwaltungsgericht dennoch zu dem Ergebnis, dass der Windenergienutzung durch den Regionalplan nicht substantiell Raum verschafft wurde. Es stellt hierbei maßgeblich auf das Verhältnis der Größe der ausgewiesenen Vorrang- und Eignungsgebiete zur Größe der Potentialflächen ab (in Anlehnung an die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.11.2020 (2 A 1.19)) und berücksichtigte insbesondere, dass viele Flächen im Außenbereich durch den Plangeber zu Unrecht als harte oder weiche Tabuzonen eingeordnet wurden.

Thüringer Landeswaldgesetz hebelt nachträglich Vorrang- und Eignungsgebiete aus

Schließlich verwies das Verwaltungsgericht Gera im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf, dass es die Änderung des Thüringer Landeswaldgesetzes und den damit verbundenen Wegfall von Flächen für die Frage der Rechtmäßigkeit des Regionalplans ebenfalls für relevant halte. Das Thüringer Landeswaldgesetz verbietet den Bau von Windenergieanlagen im Wald. Hierdurch werden noch einmal mindestens 40 Prozent der vom Regionalen Planungsverband ausgewiesenen Flächen für die Windenergienutzung faktisch nicht nutzbar sein (wir berichtete bereits hier).

Eingang in die Urteilsbegründung fand diese in der mündlichen Verhandlung angedeutete Einschätzung des Verwaltungsgerichts zur Relevanz des Thüringer Landeswaldgesetzes und den Wegfall von Waldflächen für die Rechtmäßigkeit des Regionalplans im Ergebnis nicht.  Das Verwaltungsgericht Gera konnte die Feststellung der Unwirksamkeit des Regionalplans jedoch auf viele andere Gründe stützen und tat dies auch.

Allerdings ist unabhängig der durch das Verwaltungsgericht Gera festgestellten Mängel des Planungskonzeptes weiterhin davon auszugehen, dass der Regionalplan bereits aufgrund eines Wegfalls von mehr als 40 Prozent der ausgewiesenen Flächen durch das neue Landeswaldgesetz funktionslos und damit unwirksam geworden ist.

Fazit:

Das Verwaltungsgericht Gera ist mit dieser Entscheidung seiner damaligen Kritik am Teilregionalplan Wind der Planungsregion Ostthüringen treu geblieben, auch wenn es dem Plangeber im damaligen Eilverfahren die Möglichkeit eingeräumt hat, den Plan noch einmal zu überarbeiten. Dass der Plangeber keinen Überarbeitungsbedarf gesehen hat, führt nunmehr im Ergebnis dazu, dass die Planungsregion Ostthüringen erneut Gegenwind von der Rechtsprechung bekommen hat. Zwar ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera bisher nicht rechtskräftig. Sieben Jahre nach der Aufhebung des damaligen Teilregionalplans Wind sieht es nun jedoch erneut so aus, als bedürfte es eines Neustarts im Planungsprozess mit hoffentlich besseren Aussichten für die Windenergienutzung in der Planungsregion Ostthüringen.

 

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