Der Zugang zu Grundstücksinformationen ist für die Flächenakquise bei Erneuerbare-Energien-Projekten essenziell. Bereits in einem frühen Planungsstadium – oft noch vor Inkrafttreten von Regional- oder Bauleitplänen – müssen Projektierer auf die Eigentümer der potenziellen Standortflächen zugehen können. Dies scheitert jedoch häufig daran, dass die Eigentümer und deren Kontaktdaten nicht bekannt sind. Abhilfe kann hier ein Antrag auf Offenlegung von Eigentümerdaten aus dem Liegenschaftskataster schaffen – zumindest in der Theorie. In der Praxis werden derartige Anträge von den zuständigen Landesbehörden aber häufig unter Verweis auf ein fehlendes berechtigtes Interesse abgelehnt.
Rechtslage in den Bundesländern unterschiedlich
Da Vermessungsrecht Landesrecht ist, ist auch der Anspruch auf Zugang zu Grundstücksinformationen in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Zwar sehen alle Landesgesetze einen solchen Anspruch grundsätzlich vor, wie beispielsweise § 11 Abs. 2 SächsVermKatG für Sachsen, § 10 Abs. 1 BbgVermG für Brandenburg oder § 5 Abs. 2 NVermG für Niedersachsen. Doch die Voraussetzungen für eine Bereitstellung von Eigentümerdaten an Personen außerhalb des öffentlichen Bereichs sind nicht überall gleich. Während es in manchen Bundesländern (z.B. Niedersachsen) ausreicht, dass ein berechtigtes Interesse dargelegt wird, fordern andere Bundesländer (z.B. Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern) zusätzlich, dass schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen dürfen.
Haben Projektierer ein berechtigtes Interesse?
In der Praxis sprechen zahlreiche Vermessungsbehörden den Projektierern von Erneuerbare-Energien-Anlagen, insbesondere Windenergieanlagen, das notwendige berechtigte Interesse an der Offenlegung von Eigentümerdaten ab. Die Behörden stützen sich hierbei auf die zur Grundbuchordnung entwickelte Rechtsprechung. Danach soll die Absicht, eine Fläche zu erwerben oder zu pachten, kein berechtigtes Interesse im Sinne des Grundbuchrechts begründen. Speziell gegenüber Projektierern von Windenergieanlagen wird zudem vorgebracht, dass das Vorliegen eines Regionalplanentwurfs nicht ausreiche. Von einem berechtigten Interesse könne vielmehr erst dann ausgegangen werden, wenn bereits eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Anlage vorliege.
Bereits im Jahr 2014 hatte das VG Hannover für die niedersächsische Rechtslage geurteilt, dass keine zu hohen Anforderungen an die Annahme eines berechtigten Interesses gestellt werden dürften. Es genüge, wenn das dargelegte Interesse verständig und durch die Sachlage gerechtfertigt sei. Dies hatte das Gericht bei der Planung von Windenergieanlagen auch in einem sehr frühen Planungsstadium für gegeben angesehen. So benötige der Projektierer die Daten u.a. auch, um – nach Kontaktaufnahme mit den Eigentümern – entscheiden zu können, wie er im Rahmen der Beteiligung bei der Aufstellung des Raumordnungsplans Stellung nehmen möchte.
Auch das VG Frankfurt/Oder hatte in einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 den Anspruch eines Projektierers von Windenergieanlagen auf Bereitstellung von Geobasisinformationen bejaht, hier bezogen auf die Rechtslage in Brandenburg. Nach Auffassung des Gerichts genüge es, wenn mit dem Verweis auf das Tätigkeitsgebiet des Unternehmens und die Planungsabsichten dargelegt werde, dass das Interesse an der Offenlegung von Eigentümerdaten der Verwirklichung wirtschaftlicher Interessen dient. Insbesondere sei es ausreichend, wenn die begehrten Eigentümerangaben erst zur Anbahnung von Verhandlungen mit dem Eigentümer benötigt würden.
VG Dresden verurteilt Vermessungsbehörde zur Offenlegung von Eigentümerdaten
Mit Urteil vom 06.01.2020 hat sich nun auch das VG Dresden mit erfrischender Klarheit zu der Streitfrage geäußert und sich auf die Seite der Projektierer gestellt. Die zur Grundbuchordnung ergangene Rechtsprechung sei nicht übertragbar, entschieden die Richter. Insbesondere habe der Informationsgehalt des Liegenschaftskatasters nicht denselben Umfang wie der des Grundbuchs und lasse keine Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation des jeweiligen Eigentümers zu. Auch hat das Gericht unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich klargestellt, dass Regionalplänen bereits im Aufstellungsverfahren rechtserhebliche Vorwirkungen mit steuernder Kraft zukommen. Deshalb liege ein berechtigtes Interesse eines Windenergieprojektierers bereits dann vor, wenn die betreffenden Grundstücke im Entwurf eines Regionalplans als Windvorrang- und Eignungsgebiet ausgewiesen seien. Im Übrigen teilt das Gericht vollumfänglich die Auffassung des VG Hannover und des VG Frankfurt/Oder.
Dem vorangegangen war ein kurioser Streit zwischen dem Sächsischen Staatsministerium des Innern und dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten. Das Ministerium hatte während des Rechtsstreits seine Rechtsauffassung geändert und war gewillt, die beantragten Grundstücksinformationen herauszugeben. Ein entsprechender Erlass aus dem Jahre 2012, wonach Eigentümerdaten für die Errichtung von Windenergieanlagen nur bei Vorliegen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung herausgegeben werden durften, sollte aufgehoben werden. Das Ministerium sah sich daran jedoch durch den Sächsischen Datenschutzbeauftragten gehindert, der dieser Vorgehensweise nicht zustimmte. Das Gericht hat dem nun klar eine Absage erteilt.
Offene Fragen bleiben…
So erfreulich die bisherigen Entscheidungen für die Branche der Erneuerbaren auch sind – an der Behördenpraxis haben diese bislang wenig geändert. Noch fehlen obergerichtliche Entscheidungen, so dass viele Fragen nach wie vor offen sind. Dürfen die Behörden vorab die Eigentümer nach ihrer Zustimmung zur Offenlegung der Daten fragen? Wie weit reicht der Offenlegungsanspruch? Umfasst er auch Grundstücke außerhalb von Vorrang- und Eignungsgebieten, die für Abstandsflächen, Zuwegung oder Kabelverlegung benötigt werden?
Aufgrund der in den Bundesländern unterschiedlichen Rechtslage lassen sich diese Fragen möglicherweise gar nicht länderübergreifend einheitlich beantworten. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung weiter positioniert. Gern unterstützen wir Sie bei der Geltendmachung von Ansprüchen zur Bereitstellung von Grundstücksinformationen gegenüber den Vermessungsämtern – sprechen Sie uns einfach an.