10.11.2022

BVerfG – Verbot der Windenergie im Wald verfassungswidrig!

Das BVerfG hat mit heute veröffentlichtem Beschluss vom 27.09.2022 entschieden, dass das ausnahmslose Verbot der Windenergie im Wald nach dem Thüringer Waldgesetz verfassungswidrig ist. Für das in § 10 Abs. 1 Satz 2 Thüringer Waldgesetz geregelte Verbote und für den damit verbundenen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG fehlt dem Freistaat Thüringen schlicht die Gesetzgebungskompetenz.

Keine Öffnungsklausel im BauGB

Denn ein solches Bauverbot unterfällt der Gesetzgebungszuständigkeit für das „Bodenrecht“, wie das Gericht umfangreich begründet. Für das Bodenrecht steht aber allein dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu. Und von dieser, so das BVerfG, hat der Bund insbesondere durch die bauplanungsrechtliche Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB abschließend Gebrauch gemacht. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass das Baugesetzbuch daneben bodenrechtliche Regelungen der Länder zulassen wollte, die ihrerseits die Flächennutzung zur Errichtung von Windenergieanlagen im Wald ausschließen. Auch  § 249 Abs. 3 Satz 1 BauGB erlaube den Ländern nur Abstandsregelungen zwischen Windenergie und Wohnbebauung, jedoch offensichtlich kein waldflächenbezogenes Errichtungsverbot. Das Baugesetzbuch wolle keine derart breite Durchbrechung des in § 35 und § 249 BauGB  detaillierten Flächennutzungsregimes für Windenergieanlagen im Außenbereich durch das Waldrecht zulassen. Hierfür wäre vielmehr eine ausdrückliche Öffnung zu erwarten.

Verbot der Windenergie im Wald kontra Privilegierung und Klimaschutzstrategie

Auch § 9 Abs. 3 Nr. 2 Bundeswaldgesetz, wonach die Länder bestimmen können, dass die Umwandlung von Wald weiteren Einschränkungen unterworfen oder, insbesondere bei Schutz- und Erholungswald, gänzlich untersagt wird, eröffne den Ländern keine Kompetenz für ein ausnahmsloses Verbot der Windenergie im Wald. Dem stehe die Privilegierung der Windenergie gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BbauGB entgegen. Denn der Ausbau der Nutzung der Windkraft leistet einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a GG und durch grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels. Um das verfassungsrechtlich maßgebliche Klimaschutzziel zu wahren, müssten erhebliche weitere Anstrengungen der Treibhausgasreduktion unternommen werden. Insbesondere der Ausbau der Windkraftnutzung trägt hierzu bei. Zugleich, so das BVerfG, unterstützt dieser Ausbau die Sicherung der Energieversorgung, die derzeit besonders gefährdet ist.

Vor diesem Hintergrund läge es fern, dass das Bundesrecht auf eine zentrale Klimaschutz- und Energieversorgungsstrategie – die privilegierte Zulassung der Windenergie im Außenbereich – in nennenswertem Umfang verzichten könnte, indem es über § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG den Ländern erlaubte, durch landesrechtliche Umwandlungsverbote die Windenergieerzeugung auf Waldflächen vollständig auszuschließen.

Hoffnung für den Ausbau der Windenergie

Dieser Beschluss ist nicht nur im Ergebnis erfreulich. Er ist bundesweit von ganz erheblicher Bedeutung. Denn damit hat das BVerfG genauso den Verboten in den Waldgesetzen anderer Bundesländer, wie in Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein, den grundgesetzlichen Boden entzogen. Verbotsregelungen anderer Bundesländer sind zwar nicht etwa automatisch mit dem Beschluss zum Thüringer Waldgesetz ebenfalls nichtig. Derzeit müssten sie im Wege langwieriger Verpflichtungsklageverfahren einzeln und inzident von den Gerichten verworfen werden.

Die Landesgesetzgeber sehen sich aber akut einer ganz anderen, neuen Herausforderung gegenüber: Bundesgesetzlich vorgegebenen Flächenbeitragswerten, die sie bis 2027 ereichen müssen (wir berichteten hier). Ein Verbot der Windenergie im Wald ist hierfür natürlich nicht förderlich. Karlsruhe hat folglich den Landesgesetzgebern – nolens volens – den Weg „geebnet“, ihre kompetenzwidrigen Verbote in den Landeswaldgesetzen aufzuheben – und auf diese Weise ihre jeweiligen Flächenbeitragswerte leichter zu erreichen. Erst recht werden sämtliche Planungsträger überprüfen müssen, ob ihre Planungskonzepte die vom BVerfG klargestellte Zulässigkeit der Windenergie im Wald hinreichend beachten.

Neben der argumentativ sehr überzeugenden Begründung liefert das BVerfG mit diesem Beschluss einen Hoffnungsschimmer für den immer dringenderen Ausbau der Windenergie.

Copyright by prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH | All rights reserved. | Impressum | Datenschutz | Sitemap