16.04.2019

Wem stehen die BVVG-Rückzahlungsbeträge zu?

Seitdem der BGH mit Urteil vom 14.09.2018, Az. V ZR 12/17 (veröffentlicht hier) die Unwirksamkeit von „Windkraftklauseln“ festgestellt hat, die standardmäßig in den EALG-Grundstückskaufverträgen der BVVG eingesetzt wurden (wir berichteten hier), wird gegenüber der BVVG über die Rückerstattung von Zahlbeträgen verhandelt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob neben dem Grundstückseigentümer auch der EE-Projektierer Ansprüche geltend machen kann.

Anspruch auf Vertragsanpassung

Gegenstand der BGH-Entscheidung war ein Grundstückskaufvertrag zwischen BVVG  und Erwerber nach § 3 Abs. 5 AusglLeistG, der für den Fall, dass die Fläche während der Bindungsdauer von 15 Jahren für EE-Anlagen zur Verfügung gestellt wird, u.a. die Verpflichtung des Erwerbers enthielt, einen Betrag von 75% des auf die Gesamtnutzungsdauer der EE-Anlage kapitalisierten, von dem Betreiber der Anlage an den Erwerber gezahlten Entschädigungsbetrages, mindestens jedoch 75% des üblicherweise für die Errichtung vergleichbarer Anlagen an vergleichbaren Standorten gezahlten Betrages, jeweils abzüglich eines Bewirtschafter-/Pächterentschädigungsanteils von 15%, an die BVVG zu zahlen.

Auf dieser Grundlage wurden sodann regelmäßig Dreiseitige Gestattungsverträge zwischen BVVG, Grundstückseigentümer und EE-Anlagen-Projektierer geschlossen, die die Zustimmung der BVVG und des Grundstückseigentümers zur Flächeninanspruchnahme für die konkrete EE-Anlage regelten und im Gegenzug die Verpflichtung des Projektierers, an den Grundstückseigentümer ein bestimmtes Nutzungsentgelt sowie unmittelbar an die BVVG eine bestimmte einmalige Entschädigung zu leisten. Die Entschädigung war dabei regelmäßig außerordentlich hoch bemessen; insgesamt zahlte der EE-Projektierer in diesen Konstellationen in Summe üblicherweise wesentlich mehr als in Vertragsverhältnissen ohne Beteiligung der BVVG. In den Präambeln der Dreiseitigen Vereinbarungen wurde regelmäßig ausdrücklich auf die o.g. Regelungen aus dem EALG-Kaufvertrag hingewiesen.

Durch das BGH-Urteil vom 14.09.2018 steht für die betreffenden Kaufverträge fest, dass die Regelungen, die eine unbedingte Zahlungspflicht an die BVVG bei Zurverfügungstellung der Fläche für EE-Anlagen statuieren, unwirksam sind. Dies dürfte sich rechtlich auf die Dreiseitigen Verträge auswirken, und zwar im Rahmen von § 313 BGB. Es spricht einiges dafür, dass von einem gemeinsamen Irrtum der Parteien über die Rechtslage nach § 313 Abs. 2 BGB auszugehen ist, da sie bei Abschluss der Dreiseitigen Verträge irrig von der Wirksamkeit der „Windkraftklauseln“ in den Kaufverträgen ausgingen. Zugleich wären die Dreiseitigen Verträge nicht mit dem Inhalt abgeschlossen worden, dass die EE-Projektierer unbedingte Einmalzahlungen in dieser Höhe an die BVVG zu leisten haben, wenn die Parteien gewusst hätten, dass die „Windkraftklauseln“ in dem zugrunde liegenden Kaufvertrag unwirksam sind.

In der Folge lässt sich argumentieren, dass ein entsprechender Anpassungsanspruch der betreffenden EE-Projektierer nach § 313 Abs. 1 BGB in Bezug auf die Dreiseitigen Vereinbarungen besteht.

Konkreter Inhalt des Anpassungsanspruchs

Der Anpassungsanspruch nach § 313 Abs. 1 BGB ist darauf gerichtet, dass der Inhalt des geschlossenen Vertrages dem angepasst wird, der bei Kenntnis der tatsächlichen Rechtslage vereinbart worden wäre. Anpassung kann grundsätzlich jede Vertragspartei gegen die andere bzw. die anderen Vertragspartei(en) verlangen.

Dies lässt nun im Fall der Dreiseitigen Vereinbarungen Raum für einzelfallbezogene Argumentation. Mit welchem konkreten Inhalt wären diese Vereinbarungen geschlossen worden, wenn man sich der Unwirksamkeit der „Windkraftklauseln“ in den Kaufverträgen bewusst gewesen wäre?

Bei der Bestimmung des Anpassungsinhaltes besteht nach den allgemeinen Grundsätzen für das betreffende Gericht ein weiter Ermessensspielraum; das Gericht muss diejenigen Rechtsfolgen wählen, die allen Vertragsparteien unter Berücksichtigung der Risikoverteilung zumutbar sind. Insoweit dürfte hier lediglich feststehen, dass pauschale Einmalzahlungen in Höhe von 75% des auf die Gesamtnutzungsdauer der EE-Anlage kapitalisierten Entschädigungsbetrages an die BVVG nicht vereinbart worden wären. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass eventuelle Zustimmungspflichten, Rücktritts-, Zahlungs-, oder Rückkaufansprüche nach FlErwV für die BVVG bestanden, zu deren Abgeltung ggfs. im Rahmen der Dreiseitigen Vereinbarungen eine Zahlung geregelt worden wäre. Dies wird im Einzelfall bei Ermittlung des Anpassungsinhaltes zu ermitteln und zu berücksichtigen sein.

Ebenso wird eine Rolle spielen, ob es vor Abschluss der Dreiseitigen Vereinbarung bereits einen Grundstücksnutzungsvertrag zwischen Grundstückseigentümer und Projektierer gab, da hierdurch belegt werden könnte, zu welchen finanziellen Konditionen sich die beiden Parteien geeinigt hätten, wenn die BVVG keine Zahlungen beansprucht hätte.

Teilweise wurden sodann nach Abschluss der Dreiseitigen Vereinbarungen noch zusätzliche Vereinbarungen zwischen EE-Projektierer und Grundstückseigentümer getroffen, durch die sehr hohe Zahlungen zur Abgeltung von Bewirtschaftungserschwernissen vereinbart wurden. Auch diese zusätzlichen Vereinbarungen sind im Rahmen der Vertragsanpassung darauf zu prüfen, ob bzw. inwieweit Anpassung verlangt werden kann.

Konsequenzen

Die meisten Veröffentlichungen zum Thema „Unwirksamkeit der Windkraftklauseln“ betrachten nur die Rückforderungsansprüche der Grundstückseigentümer gegen die BVVG. Aus dem Verlauf und dem Ergebnis der in unserer Kanzlei bearbeiteten Fälle ergibt sich allerdings, dass es auch für EE-Projektierer durchaus lohnenswert sein kann, die Rechtslage zu prüfen und die entsprechenden Ansprüche geltend zu machen.

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