14.03.2021

Update: Endlich am Ziel – Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) tritt in Kraft

Im Oktober 2019 hat die Bundesregierung das Klimaschutzprogramm 2030 beschlossen. Dieses sieht vor, dass bis 2030 sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen sein sollen. Was man sich damals nur schwerlich vorstellen konnte, scheint nun Realität werden zu können. Die Neuzulassungszahlen für Elektro-PKW explodieren geradezu – allein im Februar 2021: 18.278 (einschl. Hybride), siehe die aktuelle Pressemitteilung des KBA. Der Grund für diese Entwicklung sind die im letzten Jahr auf den Weg gebrachten massiven Förderprogramme und Gesetzesvorhaben (z.B. das WEMoG, wir berichteten hierüber in einer News).

Bereits im Mai letzten Jahres hat die Bundesregierung das Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für Elektromobilität (GEIG) auf den Weg gebracht. Durch das Gesetz soll die Einrichtung von Ladepunkten / Ladeinfrastruktur für E-Mobile in bzw. an Wohn- und Nicht-Wohngebäuden, differenzierend zwischen Neu- und Bestandsbauten, verpflichtend angeordnet werden. Das GEIG ist angelegt als Ordnungsvorschrift mit Bußgeldkatalog für den Fall von Pflichtenverstößen.

Nach monatelangen Beratungen hatte sich die Koalition noch auf erhebliche Änderungen am ursprünglichen Entwurf geeinigt, darunter die Absenkung der Schwellenwerte für erforderliche Stellplätze (BT-Drs. 19/26587). Im Februar 2021 wurde das GEIG dann in dieser geänderten Fassung nach zweiter und dritter Lesung im Bundestag beschlossen.

Nun (am 5.3.2021) hat auch der Bundesrat das Gesetz gebilligt. Das Gesetzgebungsverfahren steht somit kurz vor dem Abschluss. Nach der Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten wird das GEIG im Bundesgesetzblatt verkündet. Am darauffolgenden Tag wird es in Kraft treten. Das Gesetz gilt dann

  • bei Bestandsgebäuden mit sofortiger Wirkung und
  • bei Neubauten für Bauvorhaben, deren Bauantrag nach Inkrafttreten des GEIG gestellt wird.

Unsere Einschätzung

Das GEIG wird (zwangsläufig) gemeinsam mit dem WEMoG in den kommenden Jahren für einen erheblichen Schwung beim Ausbau von Ladeinfrastruktur im nicht- und im halb-öffentlichen Raum sorgen. Angesichts des bereits jetzt in genau diesen Sektoren bestehenden enormen Bedarfs in den Städten ist dies ein Schritt in die richtige Richtung.

Der Verlass auf das ausschließliche Stromtanken im öffentlichen Raum funktioniert – zumindest derzeit – oft nicht, aus vielerlei Gründen. Auch insoweit entwickelt sich allerdings der Markt gerade rasant. Mehr und mehr werden zudem von den Ladesäulenbetreibern Regulierungsinstrumente wie etwa Standzeitzuschläge eingeführt. Dies führt perspektivisch zu einer deutlichen Verbesserung bei der Suche nach einer freien Ladestation im öffentlichen Raum.

Kapazitäts- und Kostenproblem

Ein großes Problem bei der praktischen Umsetzung des GEIG – hierauf wiesen zuletzt auch die Ländervertreter des Bundesrates noch einmal zu Recht hin – wird leider bis auf weiteres der bisher nur schleppende Ausbau der Stromnetze sein. Durch die Schaffung neuer Ladepunkte erhöht sich die benötigte Anschlusskapazität im Gebäudesektor enorm. Einiges wird man über intelligente Lastmanagementsysteme abfangen können. Wenn allerdings eine Erweiterung der Hausanschlusskapazität erforderlich ist, wird man sich regional auf unschöne Preisdebatten mit den örtlichen Netzbetreibern einstellen müssen.

Gerade bei älteren Bestandsbauten wird zudem im Zusammenhang mit der Schaffung von LIS oft die umfassende Ertüchtigung des Hausanschlusses erforderlich werden, verbunden mit enormen Kosten.

„Größere Renovierung“

Auch der neu geschaffene Begriff der „größeren Renovierung“ wird voraussichtlich die Gerichte beschäftigen, bis insoweit Klarheit herrscht. „Größere Renovierung“ ist gem. § 2 Nr. 5  GEIG „die Renovierung eines Gebäudes, bei der mehr als 25 Prozent der Oberfläche der Gebäudehülle einer Renovierung unterzogen werden“. Derartige Maßnahmen lösen bei Bestandsgebäuden die Pflicht zur Einrichtung von Ladepunkten / Leitungsinfrastruktur aus, wobei die Anzahl nach Stellplatzanzahl differiert und danach, ob es sich um ein Wohn- oder Nichtwohngebäude handelt.

Auch WEG’s /WEG-Verwalter müssen diese Verpflichtung im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 19 Abs. 2 WEG) beachten.

Die Verpflichtung zur Einrichtung von Ladepunkten / Leitungsinfrastruktur bei einer „größeren Renovierung“ entfällt allerdings gem. § 14 GEIG, wenn die Kosten für die Lade- und Leitungsinfrastruktur 7 % der Gesamtkosten der „größeren Renovierung“ des Gebäudes überschreiten (Härtefallregelung).

Will man sich auf die Härtefallregelung berufen, stellt sich folgendes Problem: Man kann keine Behörde mit dem Vorgang befassen, um sich vorab einen Befreiungsbescheid erteilen lassen. Stattdessen muss man sich darauf verlassen, dass die eigene Härtefall-Rechnung einer etwaigen behördlichen Nachprüfung standhält.

Dass eine solche Härtefall-Rechnung alles andere als einfach ist, erschließt sich bei der Lektüre der Gesetzesbegründung. Demnach soll eine „größere Renovierung“, bei der mehr als 25 Prozent der Oberfläche der Gebäudehülle einer Renovierung unterzogen werden, nur dann vorliegen, wenn die Baumaßnahme „an solchen Bauteilen der Gebäudehülle vorgenommen wird, durch welche der Wärmeenergiebedarf des Gebäudes unmittelbar beeinflusst wird. Dies sind vor allem Maßnahmen an der wärmeübertragenden Umfassungsfläche wie an der Außenwand oder am Dach. Eine solche Maßnahme an der Außenwand wäre z.B. eine Erneuerung des Außenputzes der Fassade. Lediglich ein Neuanstrich der Außenwand oder reine Putzreparaturen an beschädigten Stellen wären keine größere Renovierung im oben genannten Sinne.“

Dies bedeutet ganz klar, dass man insbesondere bei komplexeren Sanierungsmaßnahmen sehr genau im Einzelnen prüfen muss, welche Kostenanteile man tatsächlich heranziehen kann, um eine „Härtefall-Ausnahme“ nach § 14 GEIG zu begründen. Gleiches gilt, wenn man Maßnahmen zeitlich gestaffelt durchführt. Dann ist unklar, inwieweit diese noch als „eine Renovierung“ zusammenzufassen ist. Auch der Umgang mit (gewollten oder ungewollten) nachträglichen Umplanungen von Renovierungsmaßnahmen ist offen.

Wer sich „verrechnet“, für den kann es sehr teuer werden. § 15 GEIG sieht für Verstöße gegen die Pflicht, Ladepunkte / Leitungsinfrastruktur einzurichten, Geldbußen bis zu EUR 10.000,00 vor. Tröstlich ist dabei allerdings, dass Geldbußen nur bei vorsätzlichen oder leichtfertigen Gesetzesverstößen verhängt werden dürfen. Man sollte daher im eigenen Interesse alle vorgenommenen Prüf- und Rechenschritte sehr sorgfältig dokumentieren. Dies gilt zum einen für die Frage, ob überhaupt eine „größere Renovierung“ vorliegt. Zum anderen, und hier werden die größten Schwierigkeiten liegen, gilt dies für die Härtefall-Rechnung: Welche Kosten der Renovierungsmaßnahme einerseits und der Einrichtung von Lade- und Leitungsinfrastruktur andererseits hat man warum und wie in die Härtefall-Rechnung aufgenommen? Dieser Rat gilt insbesondere für WEG-Verwalter, für die sich in diesem Zusammenhang ein echtes Haftungsrisiko auftut.

Fazit

Das GEIG, das die EU-Gebäuderichtlinie umsetzt, wird in der Praxis für erhebliche Anwendungsschwierigkeiten sorgen, jedenfalls in den kommenden Jahren. Die Evaluierung des Gesetzes soll auf Drängen der SPD bereits in zwei Jahren erfolgen. Bis dahin dürfte die erste Rechtsprechung vorliegen, die dann ggfs. dazu führt, dass durch den Gesetzgeber nachgesteuert wird.

Wir halten Sie hierzu auf dem Laufenden.

 

Meldung vom 11.02.2021

Erst dümpelte das Gesetzgebungsverfahren für das GEIG über Monate vor sich hin. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung datiert vom 20.5.2020 (BT-Drs. 19/19366 – inhaltlich identisch mit BT-Drs. 19/18962). Wir haben den Entwurf in einer ausführlichen News vorgestellt (siehe hier). Nun nimmt das Gesetzgebungsverfahren rasant Fahrt auf:

Der 9. Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat dem Bundestag am 10.2.2021 (BT-Drs. 19/26587) die Übernahme des Änderungsantrags der Regierungsfraktionen vom 9.2.2021 empfohlen. Wenn die Beschlussfassung in dieser Form in Kraft tritt, würde dies im Vergleich zum bisherigen Gesetzentwurf folgende wesentliche Änderungen bedeuten:

Neubauten

§ 6: Für neu zu errichtende Wohngebäude würde gelten, dass schon dann, wenn sie über mehr als 5 (bisher 10) Stellplätze innerhalb des Gebäudes oder über mehr als 5 (bisher 10) an das Gebäude angrenzende Stellplätze verfügen, jeder Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur auszustatten ist.

§ 7: Bei neu zu errichtenden Nichtwohngebäuden sehen die Änderungen vor, dass bei Errichtung von Objekten, die über mehr als 6 (bisher 10) Stellplätze innerhalb des Gebäudes oder mehr als 6 (bisher 10) an das Gebäude angrenzende Stellplätze verfügen, mindestens jeder 3. (bisher 5.) Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur ausgestattet und zusätzlich mindestens ein Ladepunkt errichtet wird.

Ergänzend ist hinzuweisen auf § 10 Abs. 2 in der neuen GEIG-Entwurfsfassung („Bündelungserlaubnis“), der auf neu zu errichtende Nichtwohngebäude entsprechend anwendbar ist!  (siehe hierzu den folgenden Absatz zu Bestandsgebäuden).

Bestandsgebäude

Eine wesentliche Änderung ist in § 10 der GEIG-Entwurfsfassung („Bestehende Nichtwohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen innerhalb des Gebäudes oder mehr als 20 an das Gebäude angrenzenden Stellplätzen“) vorgesehen. Für diese gilt nach dem bisherigen Entwurf, dass nach dem 1.1.2025 ein Ladepunkt je Gebäude eingerichtet wird.

Ergänzend soll nun im neuen Absatz 2 des § 10 folgendes geregelt werden: Wenn die Pflicht zur Einrichtung von Ladepunkten für einen Eigentümer für mehr als ein Gebäude besteht, kann er die Gesamtzahl der Ladepunkte an einer Stelle „bündeln“. Voraussetzung ist, dass dem LIS-Bedarf in den betroffenen Liegenschaften hierdurch Rechnung getragen wird. Es muss zudem eine „Bündelungs-Planung“ erfolgen, die der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen ist. Mit dieser Änderung trägt der Gesetzgeber den massiven Forderungen der Branchenverbände im Gesetzgebungsverfahren nach Flexibilisierung bei der Einrichtung von LIS Rechnung. In der Praxis wird sich zeigen, welche Kriterien bei der „Bündelung“ zu beachten sind. In den Materialien finden sich hierzu keine Hinweise. Maßgeblich dürfte es darauf ankommen, dass die „gebündelten“ Ladeplätze für die Nutzer der betreffenden Gebäude zugänglich und mit zumutbarem Aufwand erreichbar sind.

Gemäß § 10 Abs. 3 GEIG-E soll die „Bündelungserlaubnis“ auch für neu zu errichtende Nichtwohngebäude (§ 7) sowie auf Nichtwohngebäude im Bestand, bei denen die Pflicht zur Einrichtung von Leitungsinfrastruktur / Ladepunkten im Zusammenhang mit größeren Renovierungen entsteht (§ 9), gelten.

Neu: § 12 Lade- und Leitungsinfrastruktur im Quartier

Auf Drängen der Branchenverbände im Gesetzgebungsverfahren wurden in § 12 GEIG-E Regelungen für Quartierungslösungen aufgenommen. Demzufolge können Bauherren oder Eigentümer, deren Gebäude in räumlichem Zusammenhang stehen, Vereinbarungen über eine gemeinsame Ausstattung von Stellplätzen mit LIS oder Ladepunkten treffen, um die gesetzlichen Anforderungen (§§ 6-10) zu erfüllen. Ausdrücklich ist vorgesehen, dass Dritte, insbesondere Energieversorgungsunternehmen, an derartigen Vereinbarungen beteiligt werden können. Durch diese Regelungen werden sinnvolle, bedarfsgerechte Strukturen in Quartieren unterstützt.

Fazit

Das GEIG ist auch in der neuen Entwurfsfassung sicher kein „großer Wurf“. Im letzten Jahr ist, bedingt durch parallele Fördermechanismen, die Zahl der Neuzulassungen bei E-Mobilen und Plug-In-Hybriden in die Höhe geschossen. Ob der Bedarf an Ladeinfrastruktur durch das GEIG perspektivisch gedeckt wird, ist eher fraglich.

Zugleich fallen diejenigen Wohn- und Nichtwohngebäude, deren Stellplatzzahl unterhalb der Grenzen des GEIG bleibt, gänzlich aus der Pflicht zur Einrichtung von Ladeinfrastruktur heraus. Auch insoweit war der Gesetzgeber nicht mutig genug. Als Trostpflaster ist allerdings das seit dem 1.12.2020 geltende WEMoG zu sehen (siehe hier unsere damalige News). Wohn- und Gewerbemietern sowie Eigentümern in WEG-Immobilien steht demnach, allerdings auf eigene Kosten, ein Anspruch auf Schaffung von LIS zu.

Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden.

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