Beteiligungsgesetze – Akzeptanz für die Windenergie durch unzulässige Sonderabgaben?
Jetzt nun auch Niedersachsen. Mehrere Bundesländer arbeiten derzeit an Gesetzen, die die Betreiber von Windenergieanlagen verpflichten sollen, Kommunen und Bürger an den Gewinnen aus Windstrom zu beteiligen, mit dem erklärten Ziel, die Akzeptanz für die Windenergie zu fördern. Den Anfang machte 2016 Mecklenburg-Vorpommern. Gegen dessen Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz hatten Projektierer vor dem BVerfG geklagt – erfolglos. Das Gericht erkannte in seinem Beschluss vom 23. März 2022 zwar: „Die Intensität des durch das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz bewirkten Eingriffs in die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte berufliche Freiheit der Vorhabenträger ist beträchtlich.“ Aber es hielt diesen Eingriff – wie auch den Einriff in die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG und in das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG – durch die mit dem Gesetz verfolgte Akzeptanzsteigerung für die „gemeinwohldienliche Förderung des Ausbaus der Windenergie“ und die damit einhergehende Sicherung der Stromversorgung für gerechtfertigt (wir berichteten).
Pflichtbeteiligung an WEA in Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen geplant
Das ließen sich die Bundesländer nicht zweimal sagen und so haben aktuell Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und zuletzt eben auch Niedersachsen in den letzten Monaten entsprechende Entwürfe für Beteiligungsgesetze vorgelegt. Bayern und Sachsen könnten perspektivisch hinzukommen. Diese vorgesehenen Beteiligungskonzepte sind sicherlich im Detail verschieden. Aber haben eines gemeinsam: Die zwingende Pflicht der Vorhabenträger, Gemeinden und Bürgern irgendeine Art finanzielle oder wirtschaftliche Beteiligung anzubieten. Und gehen damit über das seit dem EEG 2021 in § 6 EEG geregelte Beteiligungsmodell hinaus, das auf Freiwilligkeit der Vorhabensträger basiert. Für eine „Pflicht-Beteiligung“ mag die Öffnungsklausel in § 6 EEG den Ländern zwar eine ausreichende Gesetzgebungskompetenz ermöglichen. Nur scheinen sich die Länder einer zentralen Problematik nicht wirklich bewusst zu sein: Sie könnten mit den zwingenden Beteiligungspflichten den Vorhabensträgern sog. unzulässige „Sonderabgaben“ auferlegen.
Pflichtbeteiligungen an WEA – unzulässige Sonderabgaben?
Sonderabgaben sind Geldleistungspflichten, die – insoweit wie die Steuer – unabhängig von einer empfangenen oder bevorzugt angebotenen Gegenleistung des Staates geschuldet werden. Dabei wird aber – in Abkehr vom Grundsatz der Steuergleichheit – nur eine einzelne homogene Gruppe belastet. Das Aufkommen fließt auch nicht in den allgemeinen Staatshaushalt, sondern wird regelmäßig in Sonderfonds verwaltet, mit dem zumeist Akzeptanzmaßnahmen finanziert werden. Wenngleich das BVerfG nichtsteuerliche Sonderabgaben grundsätzlich als Abgabenform anerkennt, sind sie problematisch. Die deutsche Rechtsordnung kennt als „klassische“ Abgabenarten Steuern, Gebühren und Beiträge. Die Finanzverfassung geht grundsätzlich davon aus, dass Gemeinlasten aus Steuern finanziert werden. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht parafiskalische Sonderabgaben nur unter bestimmten, strengen Voraussetzungen für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Sie müssen nach bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung die seltene Ausnahme bleiben.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es aus rechtlicher Sicht, dass die Landesgesetzgeber in ihren Gesetzesentwürfe dieser Problematik praktisch keine Aufmerksamkeit schenken. Das ist zwar insoweit verständlich, als sich das Bundesverfassungsgericht seinerzeit im Rahmen seiner Entscheidung über das Beteiligungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern zu dieser Problematik tatsächlich nicht näher befasst hatte. Aber die vorgesehenen diversen Beteiligungspflichten bzw. Geldleistungspflichten der aktuellen Gesetzesentwürfe könnten womöglich als Sonderabgabe zu qualifizieren sein. Genau wegen dieser Bedenken hatte seinerzeit der Bundesgesetzgeber von einem „Pflichtmodell“ in § 6 EEG 2021 Abstand genommen. Es erscheint daher dringend veranlasst, dass die Landesgesetzgeber die finanzverfassungsrechtliche Einordnung der beabsichtigen Beteiligungspflichten kritisch prüfen.
Reine Finanzierungsfunktion?
Und man kann die Landesgesetzgeber nur daran erinnern: Sonderabgaben, die eine reine Finanzierungsfunktion haben, sind nach der Rechtsprechung des BVerfG mindestens hochproblematisch. Bei den aktuell angedachten Beteiligungs- und Zahlungspflichten könnte schon sehr zweifelhaft sein, ob noch irgendeine Lenkungs- oder Abschöpfungsfunktion oder nicht doch allein eine reine Finanzierungsfunktion gewollt ist. Dieser Verdacht kann schon mal aufkommen, wenn der sächsische Energieminister für gesetzliche Beteiligungspflichten mit den Worten wirbt: „Dreht sich das Windrad oder scheint die Sonne, kommt Geld rein für die neuen Fenster in der Kita, für die Freiwillige Feuerwehr, für das Vereinsleben im Ort.“
Akzeptanzsteigerung für Ausbau der Windenergie öffentliche Angelegenheit
Dann aber setzt die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sonderabgabe eine besondere Sachnähe und „Finanzierungsverantwortlichkeit“ der Abgabepflichtigen voraus, die aus einem besonderen Gruppeninteresse resuliert. Und das ist hier mehr als zweifelhaft. Denn am Ausbau der Windenergie, die mit ihr anzustrebende Reduzierung der Treibhausgasemissionen und Zunahme der Energieunabhängigkeit und letztlich die Akzeptanz der Windenergie, daran haben mitnichten nur die Projektierer und Betreiber von Windenergieanlagen ein Interesse. Das liegt vielmehr offensichtlich im öffentlichen, allgemeinem Interesse! Spätestens § 2 EEG hat das sogar bundesgesetzlich klargestellt. Die Landesgesetzgeber müssen sich daher ernsthaft fragen: Ist der Ausbau der Windenergie und die hierfür erforderliche Akzeptanz eine öffentliche Angelegenheit? Dann aber dürften deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen und deshalb nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, im Wesentlichen also durch die Gemeinlast Steuer, finanziert werden.
Die Gesetzgebungsverfahren in Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen laufen noch bzw. haben gerade erst begonnen. Interessenverbände, Projektierer und Betreiber von Windparks sollten diese Verfahren intensiv beobachten und sich soweit wie möglich auch einbringen. Damit nicht in Kürze die Akzeptanz für die Windenergie durch verfassungsrechtlich mindestens problematische Abgabenpflichten zu Lasten derer erkauft wird, die an der Energiewende entscheidend mitarbeiten.