Seit Jahren ist bekannt, dass die Akzeptanz vor Ort bei Erneuerbare-Energien-Projekten von herausragender Bedeutung ist. Und dass Akzeptanz nicht nur von transparenter Informationspolitik und Fingerspitzengefühl des Projektierers in der Planungsphase lebt, sondern auch von Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger und Gemeinden. In einzelnen Bundesländern gibt es daher bereits gesetzliche Regelungen zu Gemeinde- und/oder Bürgerbeteiligung, in anderen wird an entsprechenden Gesetzen gearbeitet. Auf Bundesebene bietet § 6 EEG Betreibern von WEA und PV-FFA die Möglichkeit, an die projektbetroffenen Gemeinden Zahlungen bis zu 0,2 Cent/kWh zu leisten. Es wird deutlich, dass die Politik explizit die finanzielle Beteiligung der Gemeinden an EE-Projekten gut heißt und fördern will.
Nach unserer Wahrnehmung begeben sich allerdings derzeit Gemeinden / Projektierer bei der Zusammenarbeit für Neu- und Repoweringprojekte, nicht nur im Zusammenhang mit § 6 EEG, in Einzelfällen auf (straf-)rechtliches Glatteis. Im Strafgesetzbuch (StGB) finden sich nach wie vor die Amtsdelikte der Vorteilsgewährung / Vorteilsnahme, der Bestechung / Bestechlichkeit sowie der Bestechung / Bestechlichkeit von Mandatsträgern. Die Grundsätze der Strafbarkeit nach diesen Tatbeständen sind dieselben geblieben und nicht etwa durch den Trend zur Gemeindebeteiligung aufgeweicht.
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14.12.2022, StB 42/22 sollte daher aufhorchen lassen:
Sachverhalt
In seiner Entscheidung setzt sich der BGH mit einem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen OLG auseinander. Darin hatte das OLG die Eröffnung eines strafrechtlichen Hauptverfahrens gegen fünf Personen abgelehnt, gegen die der Verdacht der Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern gemäß §§ 108e, 332, 334 StGB im Raum stand. Der BGH hat den Beschluss aufgehoben und die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens gegen die Angeklagten angeordnet.
Angeklagt sind zwei Bürgermeister sowie der Geschäftsbereichsleiter für Bauen und Wirtschaftsförderung des Amtes, dem die beiden Gemeinden angehören. Gleichzeitig richtet sich die Anklage gegen zwei vertretungsberechtigte Gesellschafter einer im Windenergiebereich tätigen GmbH & Co. KG.
Konkret wird den Angeklagten folgendes vorgeworfen:
Städtebaulicher Vertrag, Nachverhandlungen
Im Jahr 2013 habe die KG einen städtebaulichen Vertrag mit den Gemeinden geschlossen, wonach sie sich verpflichtete, im Gegenzug zur Errichtung von 5 neuen WEA insgesamt 10 alte WEA sofort zurück zu bauen. Falls die KG ihrer Rückbaupflicht nicht nachkomme, wurde eine Strafzahlung von EUR 5.000,00 pro Monat des Weiterbetriebs an einen Schulverband vereinbart. Anschließend wurden die 5 neuen WEA errichtet, jedoch nur 5 der Alt-WEA zurückgebaut.
Mit Blick auf ein zwischenzeitliches Moratorium des Landes Schleswig-Holstein, das neue raumbedeutsame WEA im gesamten Landesgebiet grundsätzlich für vorläufig unzulässig erklärte, wandten sich die KG-Geschäftsführer an die beiden Gemeinden, um über die Verlängerung des Weiterbetriebes der verbliebenen Alt-WEA nachzuverhandeln. Sie boten angeblich eine monatliche Zahlung von EUR 500,00 pro WEA an den Schulverband an, die Gemeindevertreter forderten das Doppelte. Man habe sich schließlich auf EUR 950,00 pro WEA und Monat geeinigt. Die Gemeinden fassten dann mit Empfehlung und Zustimmung der beiden Bürgermeister die von dem Geschäftsbereichsleiter vorbereiteten Beschlüsse zur entsprechenden Änderung des städtebaulichen Vertrages. Allen Beteiligten sei bewusst gewesen, dass die Beschlüsse zur Verlängerung der Laufzeit der Alt-WEA von der Zahlungsabrede abhängig waren.
Beschlussaufhebung, alternative Regelung „auf freiwilliger Basis“
Nach einem anonymen Hinweis und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden die beiden Bürgermeister darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Beschlüsse gegen das Koppelungsverbot (§ 11 II BauGB) verstoßen und sie mit der Prüfung einer Strafverfolgung rechnen müssten. Daraufhin legten sie jeweils Widerspruch gegen die Beschlüsse ihrer Gemeindevertretung ein. Die Beschlüsse wurden daraufhin aufgehoben.
Anschließend sollen die drei Amtsträger allerdings von der WEA-Betreiber-KG gefordert haben, an der ursprünglich vorgesehenen Vereinbarung festzuhalten.
Man habe sich dann mit Blick auf die staatsanwaltliche Vorprüfung darauf geeinigt, dass die Vereinbarung nicht schriftlich in Vertragsform, sondern als Zahlung „auf freiwilliger Basis“ deklariert werden solle. Im Anschluss wurden EUR 9.500,00 an das Amt gezahlt.
Bisheriger Verfahrensgang
Das OLG Schleswig-Holstein hat die Eröffnung des strafrechtlichen Hauptverfahrens abgelehnt. Der angeklagte Sachverhalt erfülle keinen Straftatbestand. Das Stimmverhalten der Bürgermeister bei den Abstimmungen in den Gemeindevertretungen sei nicht im Sinne von § 108e StGB „im Auftrag oder auf Weisung“ vorgenommen worden. Dies ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber Zahlungen von WEA-Betreibern an betroffene Gemeinden mit Blick auf § 6 EEG ausdrücklich als gewünscht bezeichne. Zum anderen liege kein Verstoß gegen das Koppelungsverbot vor.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Der BGH hat den Beschluss aufgehoben und die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens gegen die Angeklagten angeordnet.
Entscheidungsgründe des BGH
Hinreichender Tatverdacht besteht
Im Gegensatz zum OLG bejaht der BGH einen hinreichenden Tatverdacht gegen alle Angeklagten. Bei vorläufiger Tatbewertung bestehe eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich die Angeklagten wie folgt strafbar gemacht haben:
- die beiden Bürgermeister wegen Bestechlichkeit von Mandatsträgern in Tateinheit mit Bestechlichkeit
- der Geschäftsbereichsleiter für Bauen und Wirtschaftsförderung des Amtes wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit und zur Bestechung von Mandatsträgern in Tateinheit mit Bestechlichkeit sowie
- die beiden Geschäftsführer der WEA-Betreibergesellschaft wegen Bestechung von Mandatsträgern in Tateinheit mit Bestechung
und deswegen verurteilt werden.
Ungerechtfertigter Vorteil
Der BGH sieht in der Vereinbarung der „Entschädigung“ in Höhe von EUR 950,00 pro WEA an den Schulverband einen Vorteil, da der Schulverband hierdurch materiell bessergestellt wird als vorher.
Er bejaht auch unproblematisch einen Verstoß gegen das Koppelungsverbot: Zahlungen an den Schulverband hängen ersichtlich mit dem Weiterbetrieb von WEA sachlich nicht zusammen.
… als Gegenleistung für Handlungen bei der Mandatswahrnehmung (§ 108 e StGB)
Der BGH hält zunächst fest, dass die beiden Bürgermeister als Gemeindevertreter Mitglieder eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl gewählten Gremiums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit sind und damit nach § 108e Abs. 3 Nr. 1 StGB einem Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder gleichstehen.
Er hebt sodann hervor, dass Abstimmungen in den Gemeindevertretungen Handlungen bei Wahrnehmung des Mandates sind.
Weitergehend stellt er fest, dass nach Aktenlage die beiden Bürgermeister ihre Zustimmung zur Vertragsänderung als Gemeindevertreter von dem Zahlungsangebot zugunsten des Schulverbandes abhängig machten und dass die Betreibergesellschaft ebenfalls hiervon ausgegangen sei. Insbesondere sei nicht ersichtlich, warum die Angeklagten ihr – durch einen Gesprächsvermerk belegtes – Angebot zur Zahlung von EUR 500,00 pro WEA und Monat schließlich auf EUR 950,00 erhöht haben sollten, wenn kein Konnex zur Zustimmung der Gemeindevertretungen und der diesen angehörenden Bürgermeister zum Weiterbetrieb der WEA bestanden hätte.
In einer solchen Konstellation haben die Bürgermeister nach Ansicht des BGH „im Auftrag oder auf Weisung“ der Angeklagten (§ 108 e I StGB) gehandelt.
… als Gegenleistung für eine pflichtwidrige Diensthandlung (§§ 332 bzw. 334 StGB)
Hier hebt der BGH hervor, dass ein ehrenamtlicher Bürgermeister Amtsträger ist und die Vorbereitung von Beschlüssen der Gemeindevertretung eine Diensthandlung.
Die Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung könne sich daraus ergeben, dass sie sich auf den Abschluss des rechtswidrigen Änderungsvertrages bezogen habe. Entsprechendes gelte für den Bereichsleiter im Amt. Dieser sei ebenfalls als Amtsträger in die Vertragsgestaltung und (geplante) -abwicklung eingebunden gewesen.
Nach dem durch Beweise unterlegten Anklagevorwurf hätten die beiden Bürgermeister die monatlichen Zahlungen an den Schulverband als Gegenleistung dafür gefordert, von der Durchsetzung der vertraglichen Rückbaupflicht abzusehen und diese durch eine den Weiterbetrieb der Anlagen ermöglichende Vertragsgestaltung zu ersetzen.
Keine andere Wertung durch § 6 EEG
Der BGH hebt sodann ab Rz. 33 des Beschlusses hervor, dass eine Rechtmäßigkeit des Vorteils auch nicht etwa aus § 6 EEG folge. Zahlungen nach § 6 EEG seien gemäß dem klaren Wortlaut der Norm Zahlungen ohne Gegenleistung. Die hier vereinbarte „Entschädigung“ sei jedoch nach Aktenlage als Gegenleistung für den Weiterbetrieb der WEA vereinbart worden.
Schlussfolgerungen aus dem Beschluss
Mit seiner Entscheidung zeigt der BGH, dass alle Player sich auch im Rahmen des politisch wünschenswerten Ausbaus der erneuerbaren Energien an Recht und Gesetz zu halten haben. Für Bürgermeister und andere Amtsträger oder Verwaltungsangestellte, aber auch Projektierer und Anlagenbetreiber zeigt die Entscheidung deutlich, welche Konsequenzen hier drohen können.
Koppelungsverbot als Maßstab
Der BGH schafft mit seiner Entscheidung dankenswerte Klarheit. Werden städtebauliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Verträge geschlossen, die nicht den verwaltungsrechtlichen Maßstäben, insbesondere dem Kopplungsverbot, genügen und ist dies den Parteien auch bewusst, drohen ggfs. strafrechtliche Konsequenzen. Es empfiehlt sich daher stets, bei Verhandlung und Abschluss solcher Verträge darauf zu achten, dass etwaige Gegenleistungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der begehrten (Amts-)Leistung stehen. Diese alten Grundsätze gelten weiterhin.
Zeitpunkt der Strafbarkeit
Zudem sollte man sich bewusst machen, dass eine Strafbarkeit nach den §§ 108e, 332, 334 StGB schon im Rahmen der Vertragsverhandlungen eintreten kann. Tatbestandlich ist schon (auf der Seite der Bestechlichkeit) das Fordern bzw. (auf der Seite des Bestechenden) das Anbieten erfasst. Die Parteien machen sich so regelmäßig bereits im Vorfeld der späteren Umsetzung des Vereinbarten strafbar.
Auch bezüglich der Wertungen zum Verdacht der Bestechlichkeit von Mandatsträgern setzt der BGH Maßstäbe. Für Mandatsträger gilt hier, besondere Vorsicht walten zu lassen, inwieweit und in welchem Zusammenhang man finanzielle Forderungen an Anlagenbetreiber stellt / Zusagen tätigt oder einfordert.
Verbotsirrtum nur im Ausnahmefall denkbar
Lediglich ergänzend, allerdings nicht weniger bedeutend, weist der BGH auf folgendes hin: Für eine Strafbarkeit kommt es nicht darauf an, dass sich die betreffende Person auch über die Strafbarkeit ihres Verhaltens bewusst ist. Insoweit gilt, dass ein Irrtum über die Strafbarkeit bzw. Straflosigkeit des eigenen Verhaltens nur dann beachtlich ist, wenn er unvermeidbar war (sog. Verbotsirrtum). An die Unvermeidbarkeit des Irrtums werden sehr hohe Anforderungen gestellt. Im vorliegenden Fall sah der BGH ausdrücklich keine Ansatzpunkte für einen Verbotsirrtum.
Dass mit der Verlängerung der WEA-Laufzeit letztlich politisch wünschenswerte Ziele verfolgt wurden, ließ der BGH als Argument ebenfalls unbeachtet.
Die Entscheidung des BGH unterstreicht einmal mehr, wo die strafrechtliche Grenze des Erlaubten bei der Beteiligung von Gemeinden liegt. Diese Wertungen sollten ernst genommen werden.