01.11.2021

BGH urteilt zur Sonderrechtsfähigkeit von Solarmodulen in Freiflächenanlagen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in vier Urteilen vom 22.10.2021 (Az. V ZR 225/19, V ZR 8/20, V ZR 44/20 und V ZR 69/20) mit der Sonderrechtsfähigkeit von Modulen bei Freiflächen-Photovoltaikanlagen (Freiflächen-PVA) auseinandergesetzt. Im Ergebnis wurden die Verfahren zunächst wieder an die Berufungsgerichte zurückgegeben. Eine erste rechtliche Würdigung hat der BGH allerdings bereits vorgenommen.

Die Verfahren stehen exemplarisch für das betreffende Kapitalanlagemodell und sind damit für dieses von grundsätzlicher Bedeutung. Ihre Tragweite geht jedoch darüber hinaus. Es ist daher für alle Player im Bereich Freiflächen-PVA wichtig, den weiteren Prozessverlauf zu verfolgen.

Im Einzelnen:

Sachverhalt / bisheriger Prozessverlauf

Ausweislich der Pressemitteilung des BGH (siehe hier) ist Kläger in allen vier Verfahren der Insolvenzverwalter einer Gesellschaft, die im Jahr 2010 eine Freiflächen-PVA mit insgesamt 5.000 Modulen erwarb. Die Anlage war zuvor auf dem Grundstück eines Dritten errichtet worden, und zwar auf der Grundlage eines Nutzungsvertrages. Die Gesellschaft verkaufte dann noch im Jahr 2010 die Module an insgesamt 65 Kapitalanleger. Konkret wurden jeweils verkauft eine bestimmte Anzahl von Modulen nebst einem Miteigentumsanteil an der Unterkonstruktion der Anlage. Zugleich vermieteten die Anleger die Module an ein Tochterunternehmen der Gesellschaft zurück.

Im Jahre 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet.

Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft hat in vier Verfahren die Feststellung begehrt, dass die jeweiligen Beklagten, also die Kapitalanleger, kein Eigentum an den Modulen erworben haben. Die Klagen wurden zumeist abgewiesen. Die unterlegenen Parteien gingen jeweils in Revision. Der BGH hat nun alle Berufungsurteile aufgehoben und an die jeweiligen Oberlandesgerichte zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Begründung des BGH

Der BGH stützt seine Entscheidung auf folgende Erwägungen:

Als Eingangssatz hält er fest, dass der Eigentumserwerb durch die Anleger u.a. voraussetzt, dass die Module zum Zeitpunkt der Übereignung sonderrechtsfähig waren, d.h. weder wesentliche Bestandteile des Grundstücks noch der Photovoltaikanlage. Hierzu seien durch die Berufungsgerichte ergänzende Feststellungen zu treffen. Der BGH trifft hierzu vorab folgende Wertungen:

(1) Photovoltaikanlage selbst ist regelmäßig nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks

In Übereinstimmung mit der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung hält der BGH fest, dass eine Photovoltaikanlage, die aufgrund eines Nutzungsvertrages auf einem Grundstück errichtet wurde, nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird. Vielmehr ist sie als Scheinbestandteil des Grundstücks anzusehen, § 95 BGB. Allerdings verweist der BGH zu Recht darauf, dass dies nur dann gilt, wenn, wie hier, im Nutzungsvertrag der Rückbau der Anlage zum Ende der Vertragslaufzeit geregelt ist. Denn nur dann wird die Anlage „nur zu einem vorübergehenden Zweck“ mit dem Grundstück verbunden.

(2) Ob Module wesentliche Bestandteile der Anlage sind, ist hier offen und bedarf der Klärung durch die Berufungsgerichte

Der BGH stellt sodann fest, dass eine Freiflächen-PVA kein Gebäude i.S.v. § 94 Abs. 2 BGB darstellt. Die Montage der Module auf der Unterkonstruktion sei daher auch nicht als Einfügung in ein Gebäude im Rechtssinne zu werten. Der BGH verweist darauf, dass der Gebäudebegriff in diesem Zusammenhang zwar weit zu werten sei, im Sinne eines Bauwerks. Allerdings setze ein Bauwerk regelmäßig voraus, dass es sich um etwas „mit klassischen Baustoffen Gebautes“ handele. Eine Freiflächen-PVA mit ihrer „gerüstähnlichen Aufständerung“ falle nicht hierunter.

In einem zweiten Schritt beschäftigt sich der BGH mit der Frage, ob die Module ggfs. nach § 93 BGB wesentliche Bestandteile der Gesamtanlage geworden sein können. Dies bestimme sich grundsätzlich nach den Verhältnissen bei Einbau der Module in die Anlage. Hier sei allerdings auf den Zeitpunkt des Verkaufs der Module abzustellen. Da dieser sehr kurz nach der Errichtung  der Anlage liege, seien die Module wohl durch vergleichbare, auf dem Markt verfügbare Modelle austauschbar gewesen. Dies spreche dagegen, dass die Module als wesentliche Bestandteile der Gesamtanlage zu betrachten sind. Der BGH überlässt es hier zwar dem Berufungsgericht, schlussendliche Feststellungen zu treffen. Er hält jedoch bereits fest, dass der Verlust der EEG-Einspeisevergütung für die Anlage durch den Ausbau eines oder mehrere Module in diesem Zusammenhang irrelevant sei (!).

Ergänzende Hinweise des BGH

In Abhängkeit davon, zu welchem Ergebnis die Berufungsgerichte bei der obenstehenden Fragestellung gelangen, gibt der BGH ergänzend folgende Hinweise:

Für den Fall, dass das Berufungsgericht nach den obenstehenden Maßgaben davon ausgehe, dass die Module wesentliche Bestandteile der Anlage sind, hebt der BGH folgendes hervor: Die Module sind dann nicht als Scheinbestandteil des Grundstücks nach § 95 Abs. 1 BGB anzusehen, da sie ja nicht mit dem Grundstück, sondern mit der Aufständerung verbunden sind.

Gelange das Berufungsgericht hingegen zu der Ansicht, dass die Module nicht wesentliche Bestandteile der Anlage sind, gibt der BGH folgendes auf: Es sei dann zu prüfen, ob bei der Übereignung der einzelnen Module an die Anleger der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz eingehalten worden sei. Hierfür sei maßgeblich, ob die einzelnen Module in den Lageplänen der Kaufverträge hinreichend deutlich gekennzeichnet worden sind. Zudem seien ggfs. ergänzende Feststellungen zur Übergabe der Module und der Unterkonstruktion bzw. einer Surrogation zu treffen.

Bedeutung der Entscheidung

Die BGH-Entscheidung, die derzeit leider noch nicht im Volltext vorliegt, hat zunächst einmal immense Bedeutung für sämtliche Kapitalanlegermodelle, die auf einer „rechtlichen Aufsplittung“ von Freiflächen-PVA basieren. In Abhängigkeit vom weiteren Verlauf stellen sich auch entsprechend weitreichende Haftungsfragen. Die Problemkreise „Module als wesentlicher Bestandteil der PV-Anlage“ und „sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz bei Übereignung von Modulen“ betreffen zudem auch viele andere Situationen außerhalb der o.g. Anlegerkonstrukte. Insoweit sehen wir mit Spannung den Urteilsgründen und insbesondere dem weiteren Verfahrensverlauf entgegen. Hieraus wird für die Branche einiges abzuleiten sein.

Kommen Sie bei Rückfragen gern auf uns zu.

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