25.05.2020

BGH entscheidet zu EEG-Bürgerenergiegesellschaften – Alles nur Rechtsgeschichte?

Gerade erst hat der Gesetzgeber die ohnehin schon seit längerem ausgesetzten Privilegien von Bürgerenergiegesellschaften im Rahmen der Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land im EEG weitgehend wieder abgeschafft (wir berichteten hier). Nun veröffentlichte der BGH am 19.05.2020 eine Entscheidung vom 11.02.2020 (siehe hier) zu den rechtlichen Anforderungen an Bürgerenergiegesellschaften im Sinne des EEG. Was auf den ersten Blick wie Rechtsgeschichte anmutet, hat jedoch auch künftig erhebliche Bedeutung für die gesellschaftsrechtliche Strukturierung von Bürgerenergiegesellschaften.

Bürgerenergiegesellschaften – ein Rückblick

Mit Einführung der verpflichtenden Ausschreibungsteilnahme hatte der Gesetzgeber diverse Privilegien für Bürgerenergiegesellschaften im EEG verankert. Dies sollte vor allem zur Akzeptanzsteigerung der Erneuerbaren beitragen. Der wohl wichtigste Vorteil war dabei, dass die Bürgerenergiegesellschaften ohne die sonst zwingend erforderliche BImSchG-Genehmigung an den Ausschreibungsrunden teilnehmen konnten. Zudem profitierten Bürgerenergiegesellschaften von verlängerten Realisierungsfristen sowie vom Einheitspreisverfahren.

Diese Privilegien sorgten letztlich dafür, dass in den ersten Ausschreibungsrunden im Jahr 2017 fast ausschließlich Bürgerenergiegesellschaften bezuschlagt wurden (siehe etwa hier). Diese konnten nämlich aufgrund der längeren Realisierungszeit auf fallende Anlagenpreise in der Zukunft setzen und so erheblich günstigere Gebote abgeben. Aufgrund des Einheitspreisverfahrens profitierten sie zugleich vom höchsten Zuschlagswert.

Hintergrund der Entscheidung

Die gesetzliche Regelung wurde seinerzeit heftig kritisiert, da sie infolge der längeren Realisierungsfristen zu einer Ausbaulücke der Windenergie führte. Hinzu kam, dass vielen bezuschlagten Bürgerenergiegesellschaften vorgeworfen wurde, es handele sich nicht um echte Bürgerbeteiligungsmodelle. Genau dieser Vorwurf war nun Hintergrund der aktuellen Entscheidung des Kartellsenats des BGH.

Ein nicht bezuschlagter Bieter hatte sich gegen seine Nichtberücksichtigung im Rahmen der Ausschreibung für Windenergieanlagen an Land zum 01.08.2017 gewandt und einen Zuschlag für sich verlangt. Konkret lag er mit dem von ihm abgegebenen Gebot auf Rang 76. Lediglich 67 Gebote hatten jedoch einen Zuschlag erhalten. Darunter befanden sich allerdings 37 als GmbH & Co. KG strukturierte Bürgerenergiegesellschaften, die zumindest organisatorisch einem einzigen Projektierer zuzuordnen waren. Der Bieter hatte vorinstanzlich vor allem vorgetragen, diese Gesellschaften erfüllten nicht die gesetzlichen Anforderungen an eine Bürgerenergiegesellschaft. Bei deren aus seiner Sicht nötigen Ausschluss vom Gebotsverfahren hätte er einen Zuschlag erhalten müssen.

In der Vorinstanz blieb der Bieter vor dem OLG Düsseldorf erfolglos. Der BGH gab ihm nun dem Grunde nach Recht.

Nicht überall, wo „Bürger“ draufsteht, ist auch „Beteiligung“ drin

Der BGH stieß sich vor allem an der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion der Bürgerenergiegesellschaften. Das Gesetz verlange zwar nach § 3 Nr. 15 EEG 2017 zunächst nur, dass die Gesellschaft aus mindestens zehn natürlichen Personen, die Mitglieder oder Anteilseigner der Bürgerenergiegesellschaft sein müssen, besteht und mindestens 51% der Stimmrechte bei natürlichen Personen liegen, die ihren Wohnsitz im Landkreis haben, in dem die Windenergieanlage errichtet werden soll. Zudem dürfe kein Gesellschafter mehr als 10% der Stimmrechte halten.

Das EEG gebe damit für Bürgerenergiegesellschaften  weder eine bestimmte Rechtsform vor, noch formuliere es inhaltliche Vorgaben für das Stimmrecht der mindestens zehn Mitglieder oder Anteilseigner der Bürgerenergiegesellschaft. Dies bedeute jedoch nicht, dass jede beliebige gesellschaftsvertragliche Regelung den gesetzlichen Anforderungen genüge. Vielmehr müsse auch der Gesetzeszweck beachtet werden, wonach die Sonderkonditionen nur tatsächlich schutzbedürftigen, lokal verankerten Bürgerenergiegesellschaften zugute kommen sollen.

Dies erfordere, dass die kreisansässigen Gesellschafter mit der Stimmrechtsmehrheit von mindestens 51% den lokalen bürgerschaftlichen Belangen und Bedürfnissen auch Geltung verschaffen können. Entscheidend sei die tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die Gesellschaft und der Mitwirkung an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung. Damit sei aber eine Regelung der Willensbildung in der Gesellschafterversammlung unvereinbar, bei der der Stimmrechtsmehrheit in allen wesentlichen Belangen der Gesellschaft, über die die Gesellschafter befinden können, keine Bedeutung zukommt.

Das lokale Element muss auch ein gewichtiges Wörtchen mitreden dürfen

Der Gesellschaftsvertrag dürfe zwar für grundsätzliche Entscheidungen (etwa über die Aufnahme weiterer Gesellschafter) grundsätzlich eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung oder gegebenenfalls auch ein Einstimmigkeitserfordernis vorsehen. Er dürfe sie aber nicht der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung vollständig entziehen. Dies liefe letztlich darauf hinaus, dass die kreisansässigen Gesellschafter gerade in grundlegenden Fragen keinerlei Einfluss mehr auf die Entscheidungsfindung in der Gesellschaft hätten.

Hier sah der BGH in dem vom ihm entschiedenen Fall gravierende Verstöße bei den bezuschlagten Bürgerenergiegesellschaften:

Entscheidungen, die (tatsächlich) mit der Mehrheit der Stimmen und damit auch mit der Stimmrechtsmehrheit der kreisansässigen Gesellschafter getroffen werden könnten, waren im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen. So lagen die Entscheidung über die Aufnahme weiterer Kommanditisten und stiller Gesellschafter sowie die Aufbringung des benötigten Eigenkapitals nach der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags allein bei der Komplementärin und waren damit dem Einfluss der kreisansässigen Gesellschafter vollständig entzogen.

Zugleich war in dem Gesellschaftsvertrag für die Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses, die Entlastung der Komplementär-GmbH, die Gewinnverteilung und Entnahmen, die Auflösung der Gesellschaft etc. Einstimmigkeit vorgesehen. Dies entspricht zwar, worauf der BGH hinweist, der Vorschrift des § 119 HGB. Üblicherweise werde hierzu jedoch im Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung getroffen. Eine solche abweichende Regelung werde nun durch § 3 Nr. 15 b EEG für Bürgerenergiegesellschaften vorausgesetzt – es sei also erforderlich, im Gesellschaftsvertrag einer Bürgerenergiegesellschaft eine entsprechend abweichende Regelung zu treffen und diese Entscheidungen „nur“ der einfachen oder qualifizierten Mehrheit zu unterwerfen. Warum hat der BGH dies beanstandet? Gründungskommanditist mit Stimmrecht war in jeder von dem betreffenden Projektierer strukturierten Bürgerenergiegesellschaft einer seiner Mitarbeiter. Gegen dessen Willen und damit gegen den Willen des Projektierers war eine Einstimmigkeit erfordernde Beschlussfassung in der KG nicht möglich.

Alles zu spät?

Der BGH sah in diesem Regelungsgefüge, welches unstreitig in allen von dem betreffenden Projektierer strukturierten Bürgerenergiegesellschaften identisch war, eine „Entmündigung“ der kreisansässigen Gesellschafter. Dies sei mit Sinn und Zweck der den Bürgerenergiegesellschaften mit Blick auf ihre lokale oder regionale Verankerung verliehenen gesetzlichen Privilegien unvereinbar.

Aus Sicht vieler in den ersten Ausschreibungsrunden nicht zum Zuge gekommener Bieter mag diese Entscheidung wie ein Pyrrhussieg anmuten. Schließlich sind fast drei Jahre mit zwischenzeitlicher Gesetzesänderung vergangen, ganz abgesehen von inzwischen verstrichenen Ausschlussfristen. Gänzlich ohne Bedeutung ist die Entscheidung indes nicht.

Auch wenn die Privilegien der Bürgerenergiegesellschaften mittlerweile weitgehend aufgehoben wurden, so gilt dennoch weiterhin das Einheitspreisverfahren. Bezuschlagte Bürgerenergiegesellschaften erhalten nicht zwingend ihren tatsächlichen Gebotswert, sondern gemäß § 36g Abs. 5 EEG 2017 den Gebotswert des höchsten noch bezuschlagten Gebots desselben Gebotstermins. Doch auch dieses Privileg gilt nur für „echte“ Bürgerenergiegesellschaften im Sinne von § 3 Nr. 15 EEG 2017. Die rechtskonforme gesellschaftsrechtliche Strukturierung von Bürgerenergiegesellschaften bleibt daher auch künftig entscheidend. Der BGH hat die Leitlinien hierfür nun vorgegeben, die es bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages sorgfältig umzusetzen gilt. Gern unterstützen wir Sie dabei.

Copyright by prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH | All rights reserved. | Impressum | Datenschutz | Sitemap