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News
12.12.2024

Kurswechsel bei der Eingriffskompensation – BVerwG kassiert langjährige Verwaltungspraxis

Die Gründe einer BVerwG-Entscheidung vom 12.09.2024 definieren einen neuen Maßstab für die Eingriffsbewältigung bei Landschaftsbildeingriffen durch Windenergieanlagen (WEA). Ersatzmaßnahmen können demnach auch dann zum Ausgleich für Landschaftsbildeingriffe genutzt werden, wenn sie nicht auf dieselbe Art in die Höhe wirken.

Bisherige Praxis geht über die gesetzlichen Anforderungen hinaus

In der Entscheidung (Begründung hier abrufbar) gab das BVerwG der Revision einer WEA-Betreiberin statt. Diese hatte sich gegen die Festsetzung einer Ersatzzahlung für den Eingriff durch insgesamt fünf neu zu errichtenden WEA in das Landschaftsbild gewehrt.

Die zuständige Behörde war der gefestigten Verwaltungspraxis – insbesondere dem Brandenburgischen „Kompensationserlass Windenergie“ – in der Annahme gefolgt, die Eingriffe durch WEA seien aufgrund ihrer besonderen Höhe und der von ihnen ausgehenden Fernwirkung nur durch Maßnahmen zu kompensieren, die wiederum auf dieselbe Art in die Höhe wirken. Dies bedeutete in der Praxis, dass nur der Rückbau von entsprechend hohen Anlagen als geeignete Kompensationsmaßnahme anzusehen war, anders gestaltete Maßnahmen wurden nicht berücksichtigt. Auf diesen Standpunkt stellte sich auch das OVG Berlin-Brandenburg in der nun revidierten Entscheidung, indem es die vorgeschlagenen Maßnahmen – Aufforstung und Entsiegelung von Flächen sowie Rückbau gewerblicher Anlagen – als so ungeeignet ansah, dass es diese nicht einmal teilweise berücksichtigt wurden.

Dieses Urteil, somit auch den Kompensationserlass und die darauf basierende Verwaltungspraxis – die keineswegs auf die Brandenburgischen Behörden beschränkt, sondern nahezu bundesweit Pendants hatte – hat das BVerwG nun grundlegend in Frage gestellt.

Ersatzmaßnahmen isoliert auf ihre Wirkung zu beurteilen

Die Leipziger Richter konkretisierten den Maßstab, an dem Ersatzmaßnahmen (in klarer Abgrenzung zu Ausgleichsmaßnahmen) für Eingriffe in das Landschaftsbild durch Windenergieanlagen zu messen sind. Die Beurteilung der Wirkung solcher Maßnahmen richte sich – wie auch beim Eingriff – an der optischen Beurteilung eines durchschnittlichen Betrachters aus. Hierbei wird, bestehender Rechtsprechung des Gerichts folgend, betont, dass technische Anlagen nicht von vornherein als verunstaltend, sondern als Teil der Raumausstattung eines Industrielandes zu werten sein können.

Ersatzmaßnahmen müssen dabei qualitativ und quantitativ hinsichtlich des beeinträchtigten Landschaftsbildes im betroffenen Naturraum Ersatz schaffen. Qualitativ wird nicht nur auf den optischen Bezug der Ersatzmaßnahme zum Eingriff oder eine damit vergleichbare Flächenwirkung abgestellt. Stattdessen ist die Maßnahme isoliert betrachtet in ihrer Wirkung auf die beeinträchtigten Funktionen des Landschaftsbildes zu beurteilen. Für die Quantifizierung ihrer Wirkung ist relevant, welche Qualität das Landschaftsbild am Standort der Ersatzmaßnahme hatte (insbesondere durch Vorbelastungen) und wie stark die konkrete Maßnahme eine positive Wirkung entfalten kann.

Während noch aussteht, welche Änderungen sich bei der Umsetzung dieser Konkretisierung in der Verwaltungs- und Genehmigungspraxis für konkrete Vorhaben ergeben werden, ist jedenfalls mit einer größeren Anzahl denkbarer Ersatzmaßnahmen für Landschaftsbildeingriffe durch WEA zu rechnen. Fälle, in denen mangels verfügbarer Kompensationsmaßnahmen eine Ersatzgeldzahlung festgelegt wird, dürften künftig jedenfalls seltener vorkommen.