10.12.2021

(Kein) Grund für Optimismus – Der Diskussionsentwurf des BMJV zur Schriftform-Reform

Das Schriftformgebot im Mietrecht bietet gerade auch im Bereich der Grundstücksicherung für Erneuerbare-Energien-Projekte rechtliche Fallstricke und ist damit immer wieder Anlass für rechtliche Auseinandersetzungen (siehe u.a. unsere News vom 3.5.2020 und vom 27.6.2021). Die betreffende Kernvorschrift § 550 BGB regelt derzeit i.V.m. § 578 Abs. 1 BGB, dass Grundstücksmietverträge, die nicht der Schriftform entsprechen, als für unbestimmte Zeit geschlossen gelten. Dies führt gem. § 542 Abs. 1 BGB zur jederzeitigen Kündbarkeit des Vertrages mit der ordentlichen Kündigungsfrist, § 580 a BGB. Fehlende Rechtskenntnis schützt hiervor leider nicht.

Der Bundesrat hat bereits im Dezember 2019 einen Gesetzentwurf zur Reform der Schriftform im Mietrecht auf den Weg gebracht. Nach (aus unserer Sicht berechtigter) Kritik der Bundesregierung wurde das Reformvorhaben fallengelassen. (zum Nachlesen: siehe hier)

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat nun einen erneuten Reformversuch gestartet und am 26.10.2021 einen Diskussionsentwurf zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht veröffentlicht. Noch bis zum 21.01.2021 besteht die Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen.

Inhalt des Diskussionsentwurfes

Der Umfang der im Diskussionsentwurf vorgeschlagenen gesetzlichen Änderungen ist überschaubar. § 550 S. 1 BGB mit dem derzeitigen Wortlaut:

„Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit.“

bleibt im Prinzip erhalten. Die Regelung soll nur eine kosmetische Änderung erfahren und fortan wie folgt lauten:

Wird ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit, wenn er nicht in schriftlicher Form geschlossen wurde.“

Zudem soll § 578 Abs. 1 BGB entfallen (diese Norm verweist derzeit für Grundstücksmietverträge auf die entsprechende Anwendung von § 550 BGB). Stattdessen soll ein neuer § 578a BGB eingefügt werden mit folgendem Wortlaut:

§ 578a: Form von Mietverträgen über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind

  1. Wird ein Mietvertrag über Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, für längere Zeit als ein Jahr geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit, wenn er nicht in schriftlicher Form geschlossen wurde.
  2. Ein Rechtsgeschäft zur Änderung des Mietvertrages bedarf der Textform.

Rechtsfolgen für den Neuabschluss von Grundstücksmietverträgen

Bei Neuabschluss eines Grundstücksmietvertrages soll demnach auch in Zukunft die Schriftform einzuhalten sein, um die Rechtsfolge der jederzeitigen Kündbarkeit zu vermeiden. Der Gesetzentwurf hebt hervor, dass die Neuregelung hieran nichts ändern soll. Dies bedeutet, dass Fehler bei Vertragsabschluss, die nach der bisherigen Rechtsprechung zu einem Schriftformmangel führen, weiterhin wie ein „Damoklesschwert“ über dem Vertrag hängen und generell wie bisher nur durch einen Nachtrag, der seinerseits die Schriftform wahrt, die Schriftform des Vertrages nachträglich hergestellt werden kann.

Laut Gesetzesbegründung dient das Schriftformgebot weiterhin der Warn- und Beweisfunktion für die Vertragsparteien sowie der Schutzfunktion zugunsten eines nachträglich hinzutretenden Erwerbers der Mietsache.

Rechtsfolgen für nachträgliche Änderungen von Grundstücksmietverträgen

Für nachträgliche Vertragsänderungen sieht der Entwurf allerdings eine Absenkung der Formerfordernisse vor, und dies ist auch sein erklärtes Ziel:

Demnach wird hierfür das Textformerfordernis statuiert. Textform ist definiert in § 126 b BGB: Sie wird eingehalten z.B. durch Fax, Mail und SMS. Voraussetzung der Textform ist, dass die Erklärung lesbar, die Person des Erklärenden genannt ist und die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird. Anders als bei der Schriftform, ist für die Textform die handschriftliche Unterschrift des Erklärenden nicht erforderlich.

Der Diskussionentwurf führt hierzu begründend aus, dass im laufenden Mietverhältnis die Schriftform für Vertragsänderungen nicht immer beachtet werde. In der Praxis fände sich auf Nachträgen häufig nur die Unterschrift einer Vertragspartei, während die andere durch separates Dokument zustimme. Zur Schriftform gehöre es jedoch, dass die Urkunde von den Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnet sei (…). Zudem sei es nicht mehr hinzunehmen, dass die Nichteinhaltung der Schriftform im Nachtrag dazu führe, dass die Schriftform für das gesamte Vertragswerk entfalle.

Hier setzt der Diskussionsentwurf des BMJV also an: Für Nachträge soll verpflichtend, als Wirksamkeitserfordernis, die Textform eingeführt werden. Zudem soll bei Nichtwahrung der Textform eines Nachtrages (also z.B. bei mündlichen Nachträgen) dies nur zur Unwirksamkeit des Nachtrages führen. Auf das übrige Vertragswerk soll es jedoch keinen Einfluss haben.

Eher zahnloser Tiger als großer Wurf

Der Diskussionsentwurf des BMJV muss Erstaunen hervorrufen. Er legt zugrunde, dass die wesentlichen Anwendungsprobleme des § 550 BGB in Vertragsnachträgen lägen.  Nur insoweit bestehe ein Reformbedürfnis. Demzufolge steht in dem Papier, dass die Reform geeignet sei, dem Interesse der Parteien von Gewerbemietverträgen an Planungssicherheit in Zeitmietverträgen Rechnung zu tragen und auf einen Schriftformmangel gestützte Kündigungen zu vermeiden. Wir können diese Annahme des BMJV nicht bestätigen. Vielmehr passieren nach unserer Erfahrung die meisten schriftformrelevanten Fehler bei Vertragsabschluss und würde sich diesbezüglich durch die avisierte Reform absolut nichts ändern.

Eine Erleichterung entstünde allerdings tatsächlich für nachträgliche Vertragsänderungen: Die mit Vertragsnachträgen verbundenen Problemkreise, die bisher zum Entfallen der Schriftform für den gesamten Vertrag führen, würden entfallen. Man denke an die Diskussion, ob bzw. wann ein Vertragsnachtrag eine wesentliche Vertragsänderung regelt und damit dem Schriftformgebot unterfällt (siehe hierzu etwa BGH Urteil vom 25.11.2015, Az. XII ZR 114/14). Auch Fehler bei Vertragsnachträgen bezüglich der Bezugnahme auf das bisherige Vertragswerk, bei der Beifügung von Anlagen etc. wären nicht mehr für das Gesamtvertragswerk schriftformschädlich. Insofern wäre die Reform in der Fassung des Diskussionsentwurfs hilfreich. Die überwiegende Anzahl der Problemfälle würde hiervon jedoch, wie ausgeführt, nicht erfasst werden.

Es bleibt nach alledem abzuwarten, was sich in puncto „Schriftformgesetzgebung“ in den kommenden Jahren tatsächlich entwickelt. Dass dringender Reformbedarf besteht, ist dem Gesetzgeber bekannt.

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