Am 16.08.2023 hat das Kabinett das Solarparket I – einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des EEG 2023 sowie weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften – beschlossen (abrufbar hier). Das parlamentarische Verfahren soll im September 2023 beginnen, das Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen ist für 2024 geplant. Über die Inhalte des Solarpakets I berichteten wir bereits übersichtsweise in unserem Blog (siehe hier).
Im Folgenden gehen wir näher auf die §§ 11a und 11b des Gesetzentwurfs ein. Diese Regelungen bezwecken eine wesentliche Erleichterung für Projektierer in der Errichtungsphase von EE-Projekten (Leitungen) bzw. speziell für WEA-Projekte (Überschwenk- und Überfahrtrechte). In der Begründung des Gesetzentwurfs findet sich der Hinweis darauf, dass bereits derartige Duldungspflichten für den Stromnetz- und Breitbandausbau bestehen.
Im Einzelnen:
§ 11a EEG-E Recht zur Verlegung von Leitungen für EE-Anlagen
Duldungspflicht, Rückbau
Absatz 1 der geplanten Neuregelung statuiert eine Duldungspflicht zulasten von Eigentümern sowie Nutzungsberechtigten von Grundstücken. Nutzungsberechtigte sind gemäß Begründung des Gesetzentwurfs alle Personen, die von den Leitungen in ihren Rechten beeinträchtigt werden können (z.B. Land- und Forstpächter, Inhaber von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten, Nießbrauchsberechtigte). Eigentümer und Nutzungsberechtigte sollen verpflichtet sein, Verlegung, Errichtung, Instandhaltung, Instandsetzung, Schutz und Betrieb von elektrischen Leitungen sowie von Steuer- und Kommunikationsleitungen sowie sonstigen Einrichtungen zum Anschluss von EE-Anlagen an den Netzverknüpfungspunkt sowie von Direktleitungen i.S.v. § 3 Nr. 12 EnWG hinzunehmen. Im Rahmen dessen sollen das Begehen und das Befahren der Grundstücke zulässig sein. Hervorgehoben wird sodann, dass in der Regel nur die privaten Grundstücke genutzt werden dürfen, die benötigt werden, um den wirtschaftlich günstigsten Anschluss zu errichten. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs sind für die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Wegs insbesondere die Kosten der Leitung, des Tiefbaus sowie für die Entschädigung zu beachten.
Die Duldungspflicht soll allerdings dann nicht bestehen, wenn dadurch die Nutzung des Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird oder das Grundstück der Landes- oder Bündnisverteidigung dient. Als Beispiele für eine unzumutbare Beeinträchtigung benennt die Begründung des Gesetzentwurfs die dauernde Beschränkung des Widmungszwecks bei öffentlichen Wegen, das Entgegenstehen wichtiger Gründe der öffentlichen Sicherheit, die unzumutbare Einschränkung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs etc. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass bei der zur Feststellung der Unzumutbarkeit vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen sind:
- das überragende öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien
- die Anzahl der Personen, deren Nutzung des Grundstücks durch die Verlegung der Leitung beeinträchtigt würde
- die Bedeutung der öffentlichen Aufgaben, die etwa durch öffentliche Verkehrswege wahrgenommen werden.
Berechtigte im Sinne der Vorschrift sind die Betreiber der Leitungen. Diese müssen, worauf die Begründung des Gesetzentwurfs hinweist, nicht identisch sein mit den Betreibern der EE-Anlage.
Abs. 1 a.E. enthält die Regelung, dass die Leitungen und sonstigen Einrichtungen keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks i.S.v. § 94 Abs. 1 BGB werden.
Gem. Abs. 2 S. 3 hat der Betreiber dem Grundstückseigentümer und dem Nutzungsberechtigten nach Leitungsverlegung einen Bestandsplan, der die Leitung und den Schutzstreifen ausweist, zu übergeben. Die Breite des Schutzstreifens soll sich gemäß Begründung des Gesetzentwurfs nach der Art der verlegten Leitungen sowie den Anforderungen des Netzbetreibers gegenüber dem Betreiber richten.
Abs. 3 verpflichtet den Grundstückseigentümer und den Nutzungsberechtigten, alle Maßnahmen zu unterlassen, die den Bestand oder den Betrieb der Leitung oder der sonstigen Einrichtungen gefährden oder beeinträchtigen können. Dies bedeutet ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs, dass der Schutzstreifen durch den Eigentümer und den Nutzungsberechtigten von störender Bebauung und tiefwurzelnder Bepflanzung freizuhalten ist.
Abs. 4 regelt, dass der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte des Grundstücks die Leitung bzw. sonstigen Einrichtungen nach dauerhafter Betriebseinstellung der Leitung noch 48 Monate unentgeltlich zu dulden haben, es sei denn, dass ihnen dies nicht zugemutet werden kann. Dies soll ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs Übergangsphasen im Zusammenhang mit Repoweringvorhaben absichern.
Abs. 6 enthält die Feststellung, dass § 11a EEG-E auf Verkehrswege entsprechend anzuwenden ist. Auf öffentliche Verkehrswege allerdings mit der Maßgabe, dass die Modalitäten der Nutzung vertraglich zu regeln sind. Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist insoweit auf die bestehende Rechtsprechung zur Zurverfügungstellung von öffentlichen Wegen für EE-Leitungen (BGH Urt. v. 11. November 2008, KZR 43/07, zu finden hier). Sie führt daher aus, dass Abs. 6 lediglich eine Klarstellung darstellt, zugleich jedoch dazu dient, den Projektierern das Erstreiten des Benutzungsrechts durch Gerichtsverfahren zu ersparen.
Die Begründung des Gesetzentwurfs merkt ergänzend an, dass eine dingliche Sicherung des Rechts aufgrund der gesetzlichen Duldungspflicht nicht mehr notwendig ist. Insoweit ist die Situation identisch mit Leitungen, die bisher unter Berufung auf das Notleitungsrecht (§ 917 BGB bzw. Landesrecht) oder mittels Durchörterung nach § 905 BGB verlegt werden, auch dort findet eine dingliche Sicherung mangels gesetzlicher Regelung nicht statt.
Entschädigung, Schadensersatz, nachträgliche Umverlegung
Gem. Abs. 2 S. 1 hat der Betreiber dem Grundstückseigentümer bei Inbetriebnahme der Leitung einmalig 5% des Verkehrswertes der in Anspruch genommenen Schutzstreifenfläche als Entschädigung zu zahlen.
Satz 2 weist klarstellend darauf hin, dass Schadensersatzansprüche des Grundstückseigentümers und des Nutzungsberechtigten unberührt bleiben. Als Beispiele für mögliche Schäden benennt die Begründung des Gesetzentwurfs die Beschädigung fremden Eigentums bei der Leitungsverlegung sowie den Umstand, dass Landwirtschaftsfläche während der Leitungsverlegung nicht genutzt werden kann. Der Folgesatz verpflichtet den Betreiber, entstehende Schäden so gering wie möglich zu halten.
Für den Fall, dass die Lage an der bisherigen Stelle für den Grundstückseigentümer im Nachhinein nicht mehr zumutbar ist, wird sodann in Abs. 3 S. 2 dem Grundstückseigentümer ein Anspruch auf Umverlegung der Leitung auf Kosten des Betreibers zugesprochen.
Durchsetzung des Rechts auf Leitungsverlegung
Hierzu ist in Abs. 5 geregelt, dass § 83 Abs. 2 EEG entsprechend anzuwenden ist. Demnach ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung auch ohne Glaubhaftmachung des Eilbedürfnisses möglich. Klarstellend ist allerdings ergänzt, dass eine etwaige Verpflichtung zur Einholung notwendiger öffentlich-rechtlicher Genehmigungen hiervon unberührt bleibt.
§ 11b EEG-E Recht zur Überfahrt und Überschwenkung während der Errichtung und des Rückbaus von WEA
Duldungspflicht
§ 11b EEG-E statuiert die Pflicht von Eigentümern und Nutzungsberechtigten von Grundstücken,
- die Überfahrt und Überschwenkung des Grundstücks zur Errichtung und zum Rückbau von WEA sowie
- das Ertüchtigen des Grundstücks für die Überfahrt durch den Betreiber der WEA und von ihm beauftragte Dritte
zu dulden. Die Regelung stellt zugleich fest, dass nur Grundstücke genutzt werden dürfen, die für den Transport benötigt werden. Umfasst von der „Überfahrt“ sollen ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs das Betreten, Befahren, Umladen oder kurze transportbedingte Zwischenlagerungen sein – also alle logistischen Abläufe während des Transports. Die Duldungspflicht soll, wie in § 11a EEG-E, dann nicht bestehen, wenn dadurch die Nutzung des Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird oder das Grundstück der Landes- oder Bündnisverteidigung dient.
Zugleich wird geregelt, dass der Betreiber nach der letzten Überfahrt den ursprünglichen Zustand auf seine Kosten unverzüglich wiederherzustellen hat.
Abs. 4 enthält die Feststellung, dass § 11b EEG-E auf Verkehrswege entsprechend anzuwenden ist. Auf öffentliche Verkehrswege allerdings mit der Maßgabe, dass die Modalitäten der Nutzung vertraglich zu regeln sind
Entschädigung, Schadensersatz
Gem. § 11b Abs. 2 EEG-E hat der Betreiber dem Nutzungsberechtigten, der durch die Überfahrt unmittelbar in der Nutzung des Grundstücks eingeschränkt war, nach Errichtung bzw. Rückbau der WEA eine Entschädigung i.H.v. EUR 28,00 je Monat und Hektar in Anspruch genommene Fläche zu zahlen. Angeknüpft hat der Gesetzgeber hier gemäß Begründung des Gesetzentwurfs an die durchschnittliche jährliche Pachthöhe für landwirtschaftliche Grundstücke von EUR 329,00 je Hektar. Überschwenkungen sind hingegen unentgeltlich zu dulden.
Auch hier hebt der Gesetzestext sodann wieder hervor, dass Schadensersatzansprüche des Grundstückseigentümers und des Nutzungsberechtigten unberührt bleiben. Als Beispiele für mögliche Schäden benennt die Begründung des Gesetzentwurfs wie zu § 11a EEG-E die Beschädigung fremden Eigentums bei der Überfahrt sowie den Umstand, dass Landwirtschaftsfläche vorübergehend nicht genutzt werden kann.
Durchsetzung des Rechts auf Überfahrt und Überschwenken
Wortgleich zu § 11a Abs. 3 ist in § 11b Abs. 5 geregelt, dass § 83 Abs. 2 EEG entsprechend anzuwenden ist. Demnach ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung auch ohne Glaubhaftmachung des Eilbedürfnisses möglich. Klarstellend ist allerdings ergänzt, dass eine etwaige Verpflichtung zur Einholung notwendiger öffentlich-rechtlicher Genehmigungen hiervon unberührt bleibt.
Fazit
Die geplanten Neuregelungen sind geeignet, bisher bestehende Hindernisse im Rahmen der EE-Projektrealisierung zu überwinden. Allerdings wird sich in der Praxis herausstellen, ob die Regularien Anwendungsschwierigkeiten bergen, die ggfs. nachgebessert werden müssen. Denkbar sind solche Probleme im Zusammenhang mit § 11a EEG-E z.B. bei der Ermittlung des „richtigen“ Verlaufs der Leitungstrasse sowie der Höhe der Entschädigung. Im Rahmen von § 11b EEG-E sehen wir z.B. die Problematik der Unzumutbarkeit in bestimmten Überschwenk-Konstellationen, insbesondere mit Blick darauf, dass zum Überschwenken fremder Grundstücke diverse Rechtsprechung existiert, die ggfs. bei der Auslegung der Norm heranzuziehen sein wird.