06.11.2022

OLG Braunschweig urteilt zu Reflexionen einer PV-Dachanlage

In einem aktuellen Berufungsurteil hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig detailliert mit der Frage auseinandergesetzt, nach welchen Maßstäben Reflexionen einer Dach-Solaranlage als zumutbar zu betrachten sind (Urteil vom 14.7.2022, Az. 8 U 166/21, Pressemitteilung hier). Im Ergebnis hat das Gericht, wie zuvor die erste Instanz, die auf Unterlassung von Sonnenblendwirkungen gerichtete Klage des Nachbarn abgewiesen. Die Entscheidung ist gut begründet und lesenswert. Im Einzelnen:

Der Sachverhalt

Die Parteien sind Nachbarn. Auf dem Hausdach der Beklagten sind in Richtung des Wohnhauses der Klägerin Paneele einer Photovoltaikanlage montiert, dort befinden sich auch Dachfenster, von denen eines streitgegenständlich ist. Die Klägerin rügt unzumutbare Lichtreflexionen durch Sonneneinstrahlung auf die Paneele und das Dachfenster in ihr Wohnhaus.

Gegenstand der Klage ist der Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die von der Solaranlage und dem Dachflächenfenster ausgehende unzumutbare Sonnenblendwirkung auf das Wohnhaus der Klägerin zu unterlassen.

Aus Sicht der Klägerin seien für die Messung und Beurteilung der Lichtemissionen / Lichtimmissionen die Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimissionen der Bund Länder Arbeitsgemeinschaft (LAI) und die DIN EN 12665 einschlägig.

Nach Angaben des in der ersten Instanz hinzugezogenen Sachverständigen gebe es nach Auswertung der Wetterdaten der Jahre 2017-2019 innerhalb von drei Jahren im Mittel weniger als 20 Stunden pro Jahr, in denen kurzfristig Blendungen auftreten würden. Jede einzelne Spiegelung habe eine Dauer von ca. 10-15 Minuten. Die Reflexionen könnten dabei nur an 30 Tagen im April/Mai und ca. 30 Tagen im August/September auftreten. Insoweit ist durch den Sachverständigen auch ein Abgleich mit der Fotosammlung der Klägerin erfolgt.

Der Sachverständige hat zudem die Reflexionen im Tagesverlauf gemessen. Nach seiner Einschätzung wirkten die einzelnen Modulflächen nur über wenige Minuten störend. So habe er z.B. um 16:00 Uhr eine stärkere Reflexion an einem Dachfenster beobachtet, die weniger als 10 Minuten angedauert habe; die vorgenommene Lichtmessung habe einen Wert von 10.000 cd/m², mithin nur ca. 10% der Leuchtdichte für die Absolutblendung ergeben. Aus dem Kaminzimmer habe zwischen 17:15 Uhr und 17:45 Uhr eine Reflexion an der rechten Modulreihe mit einer Leuchtdichte von 20% der Absolutblendung wahrgenommen werden können. Die LAI-Hinweise seien nach den Erläuterungen des Sachverständigen nicht heranzuziehen, da sich diese nur auf große PVA bezögen.

Im Ergebnis hielt der Sachverständige die Reflexionen für zumutbar.

Das Landgericht hat auf dieser Grundlage die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Die Entscheidung des OLG

Das OLG Braunschweig hat die Berufung zurückgewiesen und dies wie folgt begründet:

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Beseitigung der von der PVA und dem Dachfenster auf dem Haus der Beklagten ausgehenden Reflexionen aus § 1004 BGB i.V.m §§ 903, 906 Abs. 1 BGB zu. Zwar sei das Eigentum durch die Lichtreflexe grundsätzlich i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB beeinträchtigt. Die Störung sei jedoch nicht wesentlich i.S.v. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt.

Maßstab: der verständige Durchschnittsmensch

Das Gericht hebt diesbezüglich Folgendes hervor: Maßstab für die Frage, ob eine Beeinträchtigung noch unwesentlich oder bereits wesentlich ist, ist das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des BGH vom 20.11.1992, Az. V ZR 82/91). Nach § 906 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB liegt eine unwesentliche Beeinträchtigung in der Regel bei Einhaltung von Grenz- und Richtwerten vor, die in Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften festgelegt sind. In Gesetzen oder Verordnungen festgelegte verbindliche Richtwerte in diesem Sinne, deren Überschreitung eine wesentliche Beeinträchtigung indizieren würde, bestünden für Reflexionen durch Sonneneinstrahlung jedoch nicht.

LAI-Hinweise enthalten keine Grenz- oder Richtwerte i.S.v. § 906 BGB

Konkret zu den von der Klägerin in Bezug genommenen LAI-Hinweise führt das OLG folgendes aus:

Diese geben Richtwerte an, bei deren Überschreitung es zu einer erheblichen Belästigung i.S.d. BImSchG kommt. Soweit sie sich im Anhang 2 mit der Minderung der Blendwirkung von PVA befassen, betrifft dies Empfehlungen zur Ermittlung, Beurteilung und Minderung der Blendwirkung von großflächigen Freiflächen-PVA im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren. Dort wird bisher davon ausgegangen, dass eine Absolutblendung in ihrer Auswirkung auf die Nachbarschaft wie der periodische Schattenwurf von WEA betrachtet werden kann. Die Schwellenwerte für eine zulässige Einwirkdauer werden entsprechend der LAI-Hinweise festgelegt. In Anlehnung an diese WEA-Schattenwurf-Hinweise wird nach den LAI-Hinweisen angenommen, dass eine erhebliche Belästigung im Sinne des BImSchG durch die maximal mögliche astronomische Blenddauer unter Berücksichtigung aller umliegenden PVA vorliegen kann, wenn diese mindestens 30 Minuten am Tag oder 30 Stunden pro Kalenderjahr beträgt.

Die LAI-Hinweise haben jedoch keinen normativen Charakter, sie enthalten keine Grenz- oder Richtwerte i.S.v. § 906 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB. Sie können aber als von Sachverständigen ausgearbeitete und von allen Ländern mitgetragene Hinweise gleichwohl als Entscheidungshilfe herangezogen werden (siehe BGH Urt.v. 23.03.1990, Az. V ZR 58/89). Die in den LAI-Hinweisen enthaltenen Grenz- und Richtwerte binden indes im Streitfall nicht. Sie können (nur) eine Orientierung für unzumutbare Lichtimmission durch Reflexionen von Sonnenlicht sein.

Nach diesen Maßgaben hat das OLG sich zunächst mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Angriffe der Berufung gegen die erstinstanzliche Sachverständigen-Untersuchung zutreffen. Diese Frage hat das OLG verneint und im Ergebnis, nach Maßgabe der o.g. Rechtsausführungen, die Lichtreflexionen als zumutbar bewertet.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Braunschweig gibt den aktuellen Stand der Gesetzeslage und Rechtsprechung zur Wesentlichkeit / Unwesentlichkeit von Lichtreflexionen, die durch eine Dach-PVA hervorgerufen werden, gut und zutreffend wieder.

 

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