22.11.2018

OLG Stuttgart fällt um – auch kein Emissionsminderungsbonus für erweiterte Anlagen

Der Emissionsminderungsbonus (auch Formaldehydbonus) ist gegenwärtig wohl einer der umstrittensten Aspekte des EEG. Nach § 27 Abs. 5 EEG 2009 kann der Bonus für Strom aus nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Biogasanlagen – verkürzt gesagt – dann verlangt werden, wenn die Formaldehydgrenzwerte der TA-Luft eingehalten werden und dies durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde nachgewiesen wird. Zur Vielzahl der hierzu kursierenden Probleme hat nun das OLG Stuttgart mit Urteil vom 26.04.2018 (Az. 2 U 129/17) eine weitere Facette hinzugefügt:

Rechtlicher Ausgangspunkt

Weil der Bonus grundsätzlich nur BImSch-pflichtigen Anlagen zusteht, führte schon eine Änderung der 4. BImSchV im Jahr 2012 dazu, dass viele ursprünglich nach Baurecht genehmigte Biogasanlagen aufgrund der Absenkung der Genehmigungsschwelle (auf 1,2 Mio. Nm³ Rohgasproduktion im Jahr) nachträglich dem BImSchG unterfielen. Betreiber, die ihre Anlagen nach § 67 Abs. 2 BImSchG den zuständigen Behörden zu melden hatten, fragten sich daher nicht ganz zu Unrecht, ob ihnen neben den nunmehr einzuhaltenden strengeren Betriebsanforderungen nicht auch der Emissionsminderungsbonus nach dem EEG 2009 zusteht. Als erste Gerichte entschieden hierzu das LG Stuttgart und das OLG Stuttgart (die Urteile finden Sie hier) und sprachen dem damals klagenden Anlagenbetreiber mit durchaus hörbarer Argumentation den Anspruch zu. Das Verfahren betreute unser Rechtsanwalt Dr. Christoph Richter seiner Zeit bis zum Bundesgerichtshof .

Der BGH gibt die Richtung zum Emissionsminderungsbonus vor

In der Revisionsinstanz entschied der BGH mit Urteil vom 06.05.2015 (Az. VIII ZR 255/14, lesen Sie das Urteil hier) aber, dass eine nachträgliche BImSch-Pflicht nicht zur Inanspruchnahme des Emissionsminderungsbonus führe. Dies begründete das höchste deutsche Zivilgericht damit, dass der Bonus unmittelbar an der Grundvergütung hänge. Diese sei aber mit der Inbetriebnahme festgelegt. Immerhin habe der Betreiber bei seiner Planung der Anlage mit bestimmten Einnahmen gerechnet, so dass v.a. außerhalb des EEG liegende Änderungen die einmal getätigten Investitionen weder positiv noch negativ tangieren können. Letztlich argumentierte der BGH also, Betreiber dürften nicht von Rechtsänderungen profitieren, die ihnen lediglich „in den Schoß“ gefallen seien.

Diese Sichtweise mutet schon sonderbar an, verkennt sie doch, dass die betroffenen Betreiber eben auch striktere rechtliche Anforderungen beim Betrieb ihrer Anlagen einzuhalten haben, weshalb sich die Beanspruchung des Bonus ohne weiteres rechtfertigt. Bemerkenswert ist auch, dass das eigentliche Ziel von § 27 Abs. 5 EEG 2009, nämlich der Schutz vor krebserregenden Emissionen, im Urteil des BGH keine Erwähnung fand. Einziger Lichtblick in der Entscheidung war für die Branche die Feststellung des BGH, Abweichendes könne dann gelten, wenn der Anlagenbetreiber vor oder nach Inbetriebnahme der Anlage hinsichtlich ihres (technischen) Zustandes oder des Stromerzeugungsvorgangs bestimmte Voraussetzungen herbeigeführt hat. Die Frage, die sich deshalb nahezu zwangsläufig stellte, war: Was gilt also dann, wenn die BImSch-Pflicht erst durch eine Anlagenerweiterung entsteht?

OLG Stuttgart vermeidet zweiten Rüffel

Über einen eben solchen Fall hatte das OLG Stuttgart in seinem Urteil 26.04.18 zu entscheiden. Dabei wandte sich das Gericht, dessen Urteil aus dem Jahr 2014 der BGH (gleichsam mit Pauken und Trompeten) vollumfänglich aufgehoben hatte, von seiner einstmals vertretenen, überaus überzeugenden Argumentation ab. Es folgt nun in nahezu allen Punkten in einer Art vorauseilendem Gehorsam dem BGH. Demnach können auch nachträglich erweiterte Anlagen den Emissionsminderungsbonus nicht geltend machen.

Dies vermag, abseits der bereits geäußerten Kritik an der BGH-Rechtsprechung, nicht zu überzeugen. Denn das OLG hat die Besonderheiten einer Anlagenerweiterung nicht hinreichend gewürdigt. Dies zeigt sich schon an den recht unreflektierten Ausführungen, der Bonus solle als Teil der Vergütung letztlich entstandene Investitionen ausgleichen. Warum aber diese Feststellung dann nicht erst recht zur Zuerkennung des Bonus geführt hat, wird das Geheimnis des Gerichts bleiben. Dies zumal der BGH eben diese Konstellation ausdrücklich als Ausnahmefall hervorgehoben hatte. Gerade eine Anlagenerweiterung zieht aber nahezu immer auch erhebliche Kosten nach sich, die nach der Logik des Gerichtes den Bonusanspruch an sich rechtfertigen müssten.

Alles geklärt?

Man könnte nun meinen, mit dem Urteil des OLG Stuttgart sei die Frage, ob der Emissionsminderungsbonus bei nachträglicher Anlagenerweiterung beansprucht werden kann, weitgehend geklärt. Ein genauerer Blick in die Urteilsgründe gibt aber noch Hoffnung. In seinem Übereifer hat das Gericht nämlich auch die Ausführungen des BGH übernommen, wonach „bei einer über § 21 Abs. 3 EEG 2009 hinausgehenden Erweiterung einer Anlage um zusätzliche Generatoren“ eine rechtlich andere Bewertung geboten sein könnte. Dies vor Augen wird man zu zugestehen haben, dass der vom OLG Stuttgart abgeurteilte Fall in zweierlei Hinsicht nicht gerade besonders geeignet war, die Frage der Bonusberechtigung einer abschließenden Klärung zu zuführen:

Zum einen fällt die  Erweiterung gegenständlichen Anlage mit der Änderung der 4. BImSchV im Jahr 2012 zusammen. Die maßgebliche Biogasanlage war nämlich im Jahr 2012 auch ohne die vorgenommene Erweiterung BImSch-pflichtig geworden, wozu sich der BGH aber bereits eingelassen hatte. Zum anderen war die Anlage nicht durch Zubau eines weiteren Generators, sondern nur durch Austausch des alten BHKW erweitert worden. Dies hat nach § 21 Abs. 3 EEG 2009 aber gerade keine Auswirkungen auf das rechtliche Schicksal einer Anlage. Es könnte sich angesichts der durchaus überzeugenden Argumente für den Bonusanspruch bei einer Anlagenerweiterung lohnen, über einen weiteren Anlauf nachzudenken.

Ausblick

Die meisten Netzbetreiber werden das Urteil vom 26.04.2018 einstweilen aber zum Anlass nehmen, den Bonus nach § 27 Abs. 5 EEG 2009 erst nachträglich BImSch-pflichtig gewordenen Anlagen zu verweigern. Dies könnte vor allem für diejenigen Betreiber problematisch sein, denen die Netzbetreiber im Nachgang zum BGU-Urteil im Jahr 2015 den Bonus bei Anlagenerweiterung – freilich unter dem seinerzeitigen Vorbehalt anders lautender höchstrichterlicher Rechtsprechung – ausgezahlt haben. Hier ist zeitnah mit Rückforderungen zu rechnen, die rechtlich sorgfältigst geprüft werden sollten. Gern sind wir Ihnen hierbei behilflich.

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