27.02.2023

OVG Greifswald: Windenergie gewinnt gegen Denkmalschutz

Das OVG Greifswald hat sich in einem Urteil, das bereits seit einigen Tagen die Aufmerksamkeit der Branche auf sich zieht, zum oftmals „zerrütteten“ Verhältnis von Windenergie und Denkmalschutz positioniert. Und die Windenergie gewinnen lassen. Die Entscheidungsgründe wurden jetzt veröffentlicht. Als Geburtshelfer dieser Entscheidung fungierte auch das in § 2 EEG gesetzlich verankerte „überragende öffentliche Interesse“ am Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Denkmalfachbehörde unzuständig, Genehmigungsbehörde untätig

Allerdings beschränkte sich das OVG nicht einfach darauf, auf § 2 EEG zu verweisen. Das Gericht stellt vielmehr zunächst umfangreich klar, wer in Mecklenburg-Vorpommern über die denkmalschutzrechtliche Zulässigkeit einer Windenergieanlage zu entscheiden hat. Und das sind im Genehmigungsverfahren die Genehmigungsbehörden und im Gerichtsverfahren natürlich die Gerichte. Nicht – wie faktisch leider oftmals auch in anderen Bundesländern praktiziert – die Denkmalfachbehörden (in Mecklenburg-Vorpommern das LAKD und das übergeordnete (Landwirtschafts)Ministerium). Die Genehmigungsbehörde muss sich vielmehr „nach Maßgabe geltender denkmalschutzrechtlicher Bestimmungen eine eigene Überzeugung bilden.“ Aber diese wollte hier offenbar von ihrer Zuständigkeit und Entscheidungsmacht nichts wissen oder gar Gebrauch machen. Sie beschränkte sich stattdessen auf wiederholte Kontaktaufnahme mit den Denkmalfachbehörden, sodass sich über 1 1/2 Jahre hinweg ein „fortwährendes „Hin und Her“ zur denkmalfachlichen Beeinträchtigung der in Rede stehenden Denkmale in der Umgebung entwickelte – und so das Vorhaben letztlich weder genehmigt noch abgelehnt wurde.

Dieses Verhalten kritisierte das OVG  sehr deutlich. Es sei in keiner Weise mit den bundes- und landesgesetzlichen Fristenbestimmungen in Einklang bringen. Selbst im Fall einer unterbliebenen Stellungnahme der Fachbehörden dürfe die Genehmigungsbehörde „jedenfalls nicht einfach nicht entscheiden.

Regelmäßiges Überwiegen der öffentlichen Klimaschutz- und Sicherheitsinteressen gegenüber Denkmalschutz

Da sich die Genehmigungsbehörde zu keiner eigenen Entscheidung durchringen konnte, übernahm also das Gericht die denkmalschutzrechtliche Bewertung. Und gelangte zu der Überzeugung, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der denkmalrelevanten Sichtachsen nicht droht. Weder die monatelang ausgetauschten fachlichen Stellungnahmen des LAKD noch die Schlussfolgerungen des Beklagten waren für das Gericht plausibel.

Damit beließ es das Gericht aber nicht, sondern stützte seine Entscheidung zusätzlich auf § 2 EEG. Denn selbst wenn man eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds der denkmalgeschützen Bauwerke unterstellte: Die Genehmigung war jedenfalls nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 DSchG M-V zu erteilen, da „ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt“.

Das OVG hatte dabei keine Zweifel daran, dass dem Bundesgesetzgeber für § 2 EEG die entsprechende Gesetzgebungskompetenz zusteht und dass die Regelung auch für einzelne Windenergieanlagen Anwendung findet. § 2 S. 2 EEG ist dabei als sog. Sollbestimmung zu verstehen. Als solche kann in den einzelnen Schutzgüterabwägungen das überragende öffentliche Interesse an der Errichtung von Windenergieanlagen sowie das öffentliche Sicherheitsinteresse nur in atypischen Ausnahmefällen überwunden werden. Ein solcher wäre fachlich anhand der besonderen Umstände der jeweiligen Situation zu begründen und war für das Gericht im zu entscheidenden Fall schlicht nicht erkennbar.

Kein Verfassungsrang des Denkmalschutzes in M-V

Besonders hilfreich ist die Klarstellung des Gerichts, dass es in Mecklenburg-Vorpommern keinen  „Verfassungsrang“ des Denkmalschutzes gibt. Einen solchen Verfassungsrang führen die Denkmalschutzbehörden oft gegen Windenergievorhaben ins Feld. Konkret gegen den – spätestens mit der „Klimaschutzgesetz-Entscheidung“ des BVerfG unstrittigen – Verfassungsrang des Klimaschutzes. Weder dem Wortlaut der Landesverfassung noch der Begründung des Denkmalschutzgesetzes könne allerdings ein unmittelbarer „Verfassungsrang“ des Denkmalschutzes entnommen werden, so das Gericht.

Selbst wenn man der in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Verf M-V normierten Schutz- und Förderungspflicht u. a. hinsichtlich der Kultur auch den Denkmalschutz unterstellte, wäre wohl (nur) von einem in der Verfassung angelegten Optimierungsgebot auszugehen. Ein solches Optimierungsgebots bzw. einer solchen Gemeinwohlaufgabe „kann jedoch nicht für sich gesehen ein öffentliches Interesse begründen, das dem in § 2 Satz 1 EEG als überragend bestimmten öffentlichen Interesse an der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen im Einzelfall entgegengehalten werden oder dieses gar überwinden könnte.

Ebenso hilfreich ist das zusätzliche Argument des Gerichts, angesichts der üblichen Lebensdauer von Windenergieanlagen von ca. 20 Jahren sei der Eingriff in das Erscheinungsbild eines Kulturdenkmals zudem in der Regel reversibel und auch deshalb hinnehmbar. Bislang hat dieses durchaus „handfeste“ Argument in Genehmigungs- und Gerichtsverfahren keine erwähnenswerte Rolle gespielt. Gleichermaßen klar lehnt das Gericht eine von den Behörden geforderte „Alternativenprüfung“ ab. Und schließlich genauso das fast immer bemühte Argument der Denkmalschutzbehörden, das Denkmal sei ortsgebunden, die geplante Windenergieanlage demgegenüber nicht.

Das OVG Greifswald hat mit diesem Urteil zumindest in Mecklenburg-Vorpommern dem Ausbau der Windenergie einen schweren Stein aus dem Weg geräumt: Den aus juristischer Sicht oftmals wirklich nur schwer nachvollziehbaren und zugleich oft extrem weitreichenden Denkmalschutz. Ähnlich wie es kürzlich das BVerfG durch das Kippen landesgesetzlicher Verbote von Windenergie im Wald getan hat (wir berichteten hier). Und es macht deutlich, der Gesetzgeber mit § 2 EEG tatsächlich ein effektives Instrument eingeführt hat, das den Ausbau der Windenergie greifbar zu fördern vermag.

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