21.01.2021

OVG Koblenz zur Einschätzungsprärogative von Behörden

In seiner aktuellen Entscheidung hebt das OVG Koblenz die Einschätzungsprärogative von Behörden hervor. Das Gericht sieht die Heranziehung von aktuellen naturschutzfachlichen Erkenntnissen als von der Einschätzungsprärogative gedeckt und hat mit seinem Urteil vom 06.10.2020 – 1 A 11357/19 die Klage eines Naturschutzverbandes gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen abgewiesen.

Vertretbarkeit der Abweichung von fachlichen Leitfäden

Das Gericht stellte in erster Linie fest, dass die Genehmigung nicht gegen das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BnatSchG in Bezug auf den Rotmilan verstoße. Insbesondere bestätigte es hierbei, dass die Abweichung der zuständigen Behörde von den herangezogenen fachlichen Leitlinien zulässig sei. Für die Ermittlung des Tötungsrisikos durch Windenergieanlagen haben sich bisher keine derart verbindlichen Maßstäbe und Methoden durchgesetzt, dass eine Abweichung hiervon als nicht mehr vertretbar anzusehen wäre. Sowohl der hier herangezogene Naturschutzfachliche Rahmen zum Ausbau der Windenergienutzung in Rheinland-Pfalz als auch das „Helgoländer-Papier“ und der Leitfaden zur visuellen Rotmilan-Raumnutzungsanalyse, haben lediglich den Verbindlichkeitsgrad von „fachlichen Empfehlungen oder Prognosen“.

Einschätzungsprärogative der Behörden – Flughöhe als wesentlicher Maßstab

Bei der Ermittlung einer erhöhten Tötungsgefahr kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls sowie ortsspezifische Anhaltspunkte an. Nach Ansicht des Gerichtes muss es daher möglich sein, den Leitfäden auch alternative Methoden und Maßstäbe gegenüberzustellen. Den Genehmigungsbehörden kommt hierbei eine Einschätzungsprärogative zu. So ist die Heranziehung von aktuellen naturschutzfachlichen Erkenntnissen ebenfalls von der Einschätzungsprärogative gedeckt. Das Gericht führte an, dass etwa auch die Flughöhe des Rotmilans – anders als im Leitfaden – zu berücksichtigen sei. Die genehmigten Windenergieanlagen gewähren einen Abstand von 90 Metern zwischen den unteren Rotorspitzen und dem Grund. Rotmilane fliegen hingegen während ihrer Nahrungsflüge im Median lediglich 50 Meter hoch.  Das OVG Koblenz stützte sich hierbei auf Erkenntnisse aus Hessen, welche dort mittlerweile in einer Verwaltungsvorschrift verankert wurden.

Berücksichtigung nachträglicher Erkenntnisse nur zugunsten des Betreibers

Zudem führte das OVG Koblenz aus, dass es hinsichtlich der zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage im immissionsschutzrechtlichen Verfahren grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ankomme. Nachträgliche Änderungen zulasten des Betreibers können somit nicht mehr herangezogen werden. Nachträgliche Änderungen zugunsten des Betreibers seien jedoch zu berücksichtigen.

Einstufung des Wespenbussards als nicht windkraftsensible Art

Schließlich bestätigte das Gericht erneut, dass der Wespenbussard als nicht windkraftsensibel einzustufen ist. Es bestätigte somit ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung.

 

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