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News
11.11.2024

OVG Münster zu § 36 Abs. 3 LPlG – Perspektive für Windenergie

Mit Beschluss vom 26.09.2024 hat das OVG Münster eine auf der Anweisung nach § 36 Abs. 3 LPlG NRW beruhende Aussetzungsentscheidung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde für rechtswidrig erklärt und zugleich umfassende Ausführungen zur möglichen Nichtigkeit der Norm geäußert.

Hintergrund

Erst kürzlich beschloss der Landesgesetzgeber mit § 36 Abs. 3 Landesplanungsgesetz (LPlG) NRW, den Bezirksregierungen eine besondere Handlungsoption einzuräumen. Danach können diese die jeweils zuständige Genehmigungsbehörde im Einzelfall anweisen, die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben der Windenergie vorübergehend auszusetzen, wenn durch sie die Durchführung der Regionalplanung wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht werden würde.

Im Rahmen eines laufenden Genehmigungsverfahrens für eine Windenergieanlage (WEA) stützte die Bezirksregierung Arnsberg ihre Anweisung zur Aussetzung auf gerade diese Norm. Die Antragssteller wandten sich im Eilrechtsschutz mit Erfolg gegen die auf der Anweisung beruhende Aussetzungsentscheidung der Genehmigungsbehörde. Die dazu ergangene Entscheidung des OVG Münster (OVG Münster, 22. Senat, Beschluss vom 26.09.2024 – 22 B 727/24.AK)), die sich in verschiedenen Hinsichten mit § 36 Abs. 3 LPlG NRW auseinandersetzte, könnte wegweisend für viele anderweitige Genehmigungs- und Vorbescheidsverfahren sein.

36 Abs. 3 LPlG NRW nichtig?

So ist zunächst bemerkenswert, dass das OVG Münster in beachtlicher Weise umfassende Ausführungen zur möglichen Nichtigkeit des § 36 Abs. 3 LPlG NRW traf, obwohl es selbst feststellte, dass im (gegenständlichen) Eilverfahren ohnehin keine Vorlagepflicht oder -möglichkeit zur Überprüfung der Gültigkeit der Norm besteht. Die Tendenz des Gerichts ist dabei klar erkennbar. Es erhob in der Begründung seines Beschlusses Zweifel an der Vereinbarkeit der Norm mit § 10 Abs. 6a BImSchG, der die Verfahrensdauer für Genehmigungen festlegt und Voraussetzungen für die Abweichung hiervon aufstellt. Die Sicherung des Planungsverfahrens sei jedoch kein dort aufgeführter Grund für die Aussetzung eines Verfahrens, sodass Aussetzungen nach § 36 Abs. 3 LPlG NRW durch die Genehmigungsbehörde regelmäßig nicht den Normbefehl des § 10 Abs. 6a BImSchG erfüllen können. Hierin liege ein Widerspruch zu § 73 BImSchG, demnach die Länder nicht von den Verfahrensvorschriften des BImSchG abweichen dürfen. Diese Kollision zwischen Bundes- und Landesrecht führe nach Auffassung des OVG in aller Wahrscheinlichkeit aufgrund des Art. 31 GG sogar zur Nichtigkeit der landesgesetzlichen Norm. Letztendlich stützte das OVG seine Entscheidung jedoch auf andere Gründe.

Begründung der Aussetzungsentscheidung an hohe Anforderungen geknüpft

Letztlich ebenfalls nicht für die Entscheidung maßgeblich, aber dennoch allgemein auch für anderweitige derartige Konstellationen beachtlich ist, dass das OVG besonders hohe Anforderungen an die Begründung der Aussetzungsentscheidung stellte.

Denn die Norm schütze im Gegensatz zu anderen Plansicherungsinstrumenten keinen konkreten Planungsinhalt, sondern den Planungsprozess als solchen und entferne sich damit „vom verfassungsrechtlichen Fundament einer solchen Sperre“. Dem ist zu entnehmen, dass der Einsatz von allgemeinen Textbausteinen in derartigen behördlichen Entscheidungen, die am konkreten Fall vorbeigehen, also gerade nicht ausreichend ist. § 36 Abs. 3 LPlG NRW erfordert daher eine behördliche Entscheidung im Einzelfall.

Zur Lage von WEA außerhalb vorgesehener Windenergiegebiete

Beachtlich sind ebenfalls die durch das Gericht geäußerten grundlegenden Bedenken an Anweisungen nach § 36 Abs. 3 LPlG NRW, die ihre Begründung allgemein darauf stützen, dass sich die geplanten WEA außerhalb der vom regionalen Planungsträger vorgesehenen Windenergiegebiete befinden. Nach Auffassung des Gerichts können derart beabsichtigte Anlagengenehmigungen den Planungszweck, also die Garantie einer Flächenverfügbarkeit in einem Mindestumfang, nämlich nur in Sondersituationen gefährden. Im Ergebnis dürfte das für Projekte, die die Errichtung von WEA außerhalb der im Regionalplan bzw. dessen Entwurf vorgesehenen Windenergiegebiete beabsichtigen, ein entscheidendes Signal sein.

Rechtsschutz

Für Fälle, wie der Entscheidung des OVG zugrundeliegend, in denen die Genehmigungsbehörde eine eigene Aussetzungsentscheidung trifft und zugleich die sofortige Vollziehung anordnet, kann sich zunächst im Wege des Eilrechtsschutzes an das OVG gewandt werden. In derartigen Konstellationen dürfte daher relativ zügig effektiv Rechtsschutz gewährt werden können. Zu klären wären dann aber noch die Rechtsschutzmöglichkeiten in etwaigen anders gelagerten Fällen. Denkbar wäre beispielweise, dass die Genehmigungsbehörde auf die Anweisung der Bezirksregierung keine eigene Aussetzungsentscheidung trifft, sondern das Verfahren einfach vorübergehend ad acta legt. Denn § 36 Abs. 3 LPlG NRW bezieht sich selbst nur auf die Möglichkeit der Anweisung zur Aussetzung durch die Bezirksregierung. Wie genau diese Anweisung dann durch die Genehmigungsbehörde umzusetzen ist, geht daraus aber gerade nicht eindeutig hervor.

Indizwirkung für andere Vorschriften und Ausblick

Während die Regelung des § 36 Abs. 3 LPlG NRW also weiterhin geltendes Recht darstellt, dürfte diese Entscheidung für die 17 noch vor dem OVG Münster anhängigen Eilverfahren mit ähnlich gelagerten Sachverhalten sowie für Fälle, über denen das Damoklesschwert der Anweisung zur Verfahrensaussetzung schwebt, ermutigend sein.

Es stellt sich zudem die Frage, ob diese Entscheidung zumindest Indizwirkung für vergleichbare gesetzliche Regelungen, etwa § 17a Thüringer LPlG (mehr dazu hier), haben könnte.

Nicht zuletzt wegen dieser kürzlichen Entscheidung des OVG Münster ist sogar in der Diskussion, den § 36 Abs. 3 LPlG NRW zu streichen. (LT-Drs. 18/10884)