14.04.2020

Schaffung von Wohnraum trotz hoher Lärmbelastung

Das OVG Lüneburg hat die Planungsspielräume von Gemeinden bei der Schaffung von Wohnraum mittels Bebauungsplan gestärkt (die Entscheidung finden sie hier). Demnach ist die Ausweisung von Wohngebieten selbst dann möglich, wenn die Außenpegel sogar die Gesundheitsgefährdungsschwelle überschreiten.

Das Gericht hatte über eine als „heranrückende Wohnbebauung“ bekannte Problematik zu entscheiden. Ein Vermieter von Gewerbebetrieben, u.a. einer Diskothek klagte gegen einen Bebauungsplan, der in unmittelbarer Nähe Wohngebiete und Urbane Gebiete festsetzte. Er befürchtete, unerfüllbaren Schutzansprüchen ausgesetzt zu werden. Das OVG Lüneburg lehnte seinen Antrag ab. Da im Gebäudeinneren zumutbare Lärmwerte sichergestellt waren und die Gemeinde gewichtige Gründe vorbringen konnte, konnte das Gericht keinen Abwägungsfehler erkennen.

Druck auf den Wohnungsmarkt

Ein gewichtiger Grund, neuen Wohnraum in lärmbelasteten Gebieten auszuweisen, kann darin bestehen, eine Abwanderung der Bevölkerung in ländliche Gebiete zu verhindern. Ebenso kann das Ziel, einen Ortsteil zu erweitern und dessen Infrastruktur (ÖPNV, soziale Einrichtungen) mit zu nutzen, hinreichend gewichtig sein. Das OVG betonte jetzt, dass die Innenentwicklungsnovellen der letzten Jahre das „normative Gewicht“ dieser Ziele weiter gestärkt haben. Angesichts des zunehmenden Drucks auf den Wohnungsmarkt habe die Schaffung von Wohnraum in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Zudem akzeptierte das Gericht speziell die im dortigen Fall maßgebliche Begründung, dass ein zentrumsnahes Wohngebiet mit Blick auf das Wasser natürlich besonders attraktiv ist.

Kombination mit Festsetzung von Maßnahmen des passiven Schallschutzes

Als weitere Voraussetzung muss aber die Gemeinde zumindest im Gebäudeinnern angemessenen Lärmschutz gewährleisten. Dies kann – anstatt einer räumlichen Trennung – durch ein Zusammenspiel von Nutzungsbeschränkungen, Gebäudeanordnung und Maßnahmen des passiven Schallschutzes geschehen. Im vom OVG Lüneburg zu prüfenden Bebauungsplan waren z.B. schallabschirmende Vorbauten vor Tür- und Fensteröffnungen festgesetzt worden.

Folglich billigte das OVG Lüneburg die Festsetzung des Wohngebietes in unmittelbarer Nachbarschaft eines Bowling-Centers, einem Catering-Service mit Küche, einer Eventlocation samt Diskothek sowie diversen Gewerbebetrieben und einer Moschee.

In Zeiten von Wohnungknappheit sollte diese Entscheidung Kommunen ermutigen, Wohngebiete auch in eine „nach üblichen Maßstäben eigentlich unzumutbare Immissionssituation“ hineinzuplanen.

Copyright by prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH | All rights reserved. | Impressum | Datenschutz | Sitemap