21.11.2020

Update zur E-Mobilität: Die Reform des WEG und BGB (WEMoG)

Mit der Verkündung des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) am 22.10.2020 steht fest: Am 01.12.2020 treten wesentliche Änderungen im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) und im BGB in Kraft, die den Markthochlauf der Elektromobilität in und an Gebäuden fördern sollen. Proaktive Wohnungseigentümer und Mieter erhalten erstmals durchsetzbare Ansprüche auf Einrichtung von Ladeinfrastruktur für E-Mobile, Wohnungseigentümergemeinschaften werden durch Änderung der Beschlussmehrheit für bauliche Veränderungen handlungsfähig. Mit diesen Neuregelungen befasst sich der vorliegende Beitrag.

Erwartung und Potential sind enorm hoch: Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur geht nach einer jüngst veröffentlichten Studie (siehe hier: Pressemitteilung vom 19.11.2020) davon aus, dass im Jahr 2030 an rund 61 % der privaten Stellplätze am Wohnort ein Ladepunkt zur Verfügung stehen wird.

Flankierend zum WEMoG wird voraussichtlich demnächst das GEIG in Kraft treten, das Eigentümer von Gebäuden mit größeren Stellflächen innerhalb oder außerhalb des Gebäudes in bestimmten Fällen zur Einrichtung von Ladeinfrastruktur / Ladepunkten verpflichtet. Das GEIG ist Gegenstand einer gesonderten News (siehe hier).

Zum WEMoG:

Die  Nutzung von Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb kommt mehr und mehr in der Mitte der Gesellschaft an. Denn die Kaufentscheidung für ein E-Mobil / Hybrid wird derzeit „von allen Seiten“ attraktiv gemacht. Umweltbonus, Innovationsprämie (wird bis 2025 verlängert), KfW-Zuschuss „Ladestationen für Elektroautos – Wohngebäude“ (Antragstellung ab 24.11.2020 möglich), steuerliche Anreize, eine erweiterte Modellpalette der Automobilhersteller, größere Reichweiten – es geht doch! Entsprechend stark wächst auch das Bedürfnis nach einer ausreichenden Ladeinfrastruktur. Bisher ist die Nutzung eines Elektroautos, ohne Lademöglichkeit auf dem heimischen Parkplatz, jedoch eher unkomfortabel.

Die Bundesregierung erleichtert daher durch die im Koalitionsvertrag 2018 vereinbarte Reform des WEG und des BGB Wohnungseigentümern und Mietern zukünftig die Errichtung von privaten Ladestationen. Das WEMoG tritt am 01.12.2020 in Kraft. Bereits in unserer News vom 06.04.2020 berichteten wir über die zu erwartenden Neuerungen. Der Gesetzesentwurf wurde dann im Nachgang in Details abgeändert.

Zeit für einen erneuten Überblick:

Hintergrund: Reformbedarf im WEG-Recht

Eine Reform des 1951 in Kraft getretenen WEG war überfällig, um das Gesetz an die heutige Wohnrealität und die geänderten Fortbewegungsmittel anzupassen.
Beispielhaft für die alte Rechtslage zum Thema Elektromobilität ist das Urteil des Landgerichts München I vom 21.1.2016, 36 S 2041/15 (hier abrufbar). Das Gericht verneinte einen Anspruch eines Eigentümers gegenüber der WEG auf Zustimmung zum Anbringen einer Elektroleitung von einem Verteilerkasten in der Tiefgarage über das Gemeinschaftseigentum zu seinem Stellplatz und zur Errichtung einer Steckdose an einem Stellplatz.

Was ändert sich für Wohnungseigentümer?

Bislang bedurfte es für eine bauliche Veränderung am gemeinschaftlichen Eigentum im Regelfall eines einstimmigen Beschlusses der Wohnungseigentümer. Dies ändert sich. Fortan ist nur noch die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen zur Beschlussfassung erforderlich. Das WEMoG gibt zudem künftig Wohnungseigentümern den Anspruch, das Gemeinschaftseigentum zu nutzen, um alle baulichen Veränderungen vorzunehmen, die zur Einrichtung von Ladepunkten für E-Mobile erforderlich sind. Dies betrifft vordergründig die Verlegung der erforderlichen Stromleitungen mit Nebeneinrichtungen. Der Anspruch kann aber auch z.B. auf die Ertüchtigung des Hausanschlusses zielen.

Bauliche Veränderung – § 20 WEG n.F.

Der konkrete rechtliche Anspruch jedes einzelnen Wohnungseigentümers ergibt sich aus § 20 Abs. 2 WEG n.F.. Demnach haben Eigentümer nun die Möglichkeit, bestimmte bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum einzufordern. Privilegiert ist dabei u.a. der Anspruch auf Schaffung eines Anschlusses für eine Wallbox bzw. Ladesäule für ein E-Mobil. Die Gemeinschaft kann den Einbau dann auch nicht wegen Kapazitätsproblemen verweigern. Erforderliche technische Voraussetzungen müssen geschaffen werden. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass die zur Verfügung stehende Leistung des Hausanschlusses nicht für den oder die Ladeanschlüsse ausreicht. Dann muss entweder über eine Erweiterung des Hausanschlusses oder über die Einführung eines Lastmanagements entschieden werden.

Der bauwillige Wohnungseigentümer hat also die Möglichkeit, die für seinen Anschluss erforderliche bauliche Maßnahme im Gemeinschaftseigentum zu verlangen. Die WEG hat dann durch Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG n.F. zu entscheiden, ob sie die bauliche Maßnahme selbst durchführt (auf Kosten des oder der Kostenpflichtigen, dazu sogleich) oder ob sie die Durchführung einem oder mehreren Wohnungseigentümern gestattet. Über die konkrete Ausführung der Maßnahme wird dann gem. § 19 Abs. 1 WEG n.F. im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung beschlossen. Bei der Beschlussfassung entscheidet jeweils (nur noch) die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Ausgeschlossen ist der Anspruch auf die bauliche Veränderung gem. § 20 Abs. 4 WEG, wenn diese die Wohnanlage grundliegend umgestalten oder ein Eigentümer durch die Entscheidung unbillig benachteiligt würde. Beides wird nur im absoluten Ausnahmefall vorliegen.

Beschlussersetzungsklage

Die Beschlussfassung der WEG nach § 20 Abs. 1 WEG n.F. kann notfalls gerichtlich, mittels Beschlussersetzungsklage, durchgesetzt werden. Dabei ist sicherlich wie bisher das Vorbefassungsgebot zu berücksichtigen. Der Kläger muss also zuvor der WEG die Möglichkeit gegeben haben, sich anhand geeigneter Unterlagen mit der von ihm begehrten baulichen Veränderung zu befassen. Das Gericht fasst dann den Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG n.F., die WEG beschließt weiterhin über die konkrete Durchführung der Maßnahme nach § 19 Abs. 1 WEG n.F.

Kosten und Nutzung der baulichen Veränderung – § 21 WEG n.F.

Kosten und Nutzung der baulichen Veränderung am Gemeinschaftseigentum sollen nach § 21 WEG n.F. strikt gleichlaufen. D.h. wer die Kosten getragen hat bzw. trägt, ist auch ausschließlich zur Nutzung berechtigt. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Nutzung sich auf die bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum bezieht, nicht etwa auf die Nutzung bestimmter Stellplätze (!). Fehlt es also an einer Zuweisung von Stellplätzen an bestimmte Wohnungseigentümer, wird diese durch die Neuregelungen im WEG nicht geschaffen; dies bedarf einer separaten Regelung (mittels Sondereigentum / Sondernutzungsrecht / Gebrauchsregelung).

Die Kostentragung für bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum gestaltet sich gem. § 21 Abs. 1-3 WEG n.F. wie folgt, wobei genau diese Prüfungsreihenfolge vorgesehen ist:

  1. Bei baulichen Veränderungen, die von einem oder mehreren Wohnungseigentümern beantragt wurden, tragen diese die Kosten.
  2. Bei mit qualifizierter 2/3-Mehrheit beschlossenen baulichen Veränderungen tragen alle Wohnungseigentümer die Kosten (es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden).
  3. Auch bei baulichen Veränderungen, deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren, tragen alle Wohnungseigentümer die Kosten.
  4. Im übrigen tragen diejenigen Wohnungseigentümer die Kosten der Maßnahme, die sie beschlossen haben.

Mit „Kosten“ in diesem Sinne sind laut Gesetzesbegründung des WEMoG nicht nur die Kosten der Durchführung der Maßnahme, sondern auch sämtliche Folgekosten gemeint. Hierunter fallen u.a. Versicherung und Wartung. Nur denjenigen Eigentümern, die die Kosten tragen, gebührt dann auch die Nutzung der entstandenen Anlage. Diese bilden dann eine Art Betreiber- und Kostengemeinschaft.

Solange nicht durch die Rechtsprechung geklärt ist, wie der Begriff „angemessener Zeitraum“ im o.g. Sinne zu verstehen ist, innerhalb dessen sich die Kosten der baulichen Maßnahme amortisieren müssen, sind Abgrenzungsprobleme bei den Beschlussmehrheiten vorprogrammiert. Es empfiehlt sich daher in jedem Fall die namentliche Abstimmung. Die WEG sollte auch stets, im Sinne der Eindeutigkeit und Transparenz, zugleich über die bauliche Maßnahme als solche, die konkrete Durchführung sowie die Kosten und Nutzungen beschließen, also die Beschlüsse nach den §§ 19-21 WEG n.F. miteinander verknüpfen.

Nachträglich fordernde Wohnungseigentümer

Ein Wohnungseigentümer, der nachträglich an der baulichen Veränderung mit teilnehmen möchte, hat hierauf einen Anspruch. Dieser richtet sich gegen die WEG. Die WEG muss dann auf seinen Antrag die bauliche Veränderung beschließen, die zu seinem Anschluss erforderlich ist. Der betreffende hinzutretende Eigentümer hat dann einen einmaligen – durch die WEG festzusetzenden – Ausgleich für die bisherige Investition zu leisten. Zudem hat er fortan die Kosten gemäß seinem Miteigentumsanteil mitzutragen. Er wird also Mitglied der Betreiber- und Kostengemeinschaft. Es kann dann das Problem entstehen, dass durch einen solchen „Trittbrettfahrer“ die Ertüchtigung des Hausanschlusses oder ein Lastmanagement erforderlich werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung haben die dadurch entstehenden Kosten alle Mitglieder der Betreiber- und Kostengemeinschaft zu tragen. Denn sie alle möchten hiervon profitieren.

Gerade im Zusammenhang mit den nachträglich partizipierenden Wohnungseigentümern ist bereits jetzt großes Streitpotential absehbar. Nach welchen Maßstäben ist der einmalige Kostenausgleich festzusetzen? Wer trägt die Kosten, wenn Streit entsteht über technische Varianten zur Anbindung der zusätzlichen Ladestation?

Was ändert sich für Mieter?

Mieter haben künftig gem. § 554 BGB n.F. ebenfalls einen Anspruch auf Gestattung des Einbaus einer Elektro-Ladestation. Der Anspruch ist gegen den Vermieter gerichtet, auch wenn der Vermieter seinerseits Wohnungseigentümer ist.

Aufgrund des Verweises in § 578 Abs. 1 BGB n.F. sind Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen (Voraussetzung ist stets, dass ein Stellplatz mitvermietet ist, an dem der Ladepunkt installiert werden kann) sowie Stellplatzmieter fortan anspruchsberechtigt.

Der Anspruch des Mieters ist auf Zustimmung des Vermieters zu der baulichen Maßnahme gerichtet. Es gilt: Kein Recht auf Selbstvornahme ohne Zustimmung des Vermieters! Notfalls muss der Mieter den Klageweg beschreiten und den Vermieter auf Zustimmung zur Maßnahme sowie Duldung der erforderlichen Umbauten verklagen.

Gem. § 554 Abs. 2 BGB n.F. ist der Anspruch des Mieters allerdings ausgeschlossen, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter „unter Abwägung der gegenseitigen Interessen“ nicht zugemutet werden kann. Der Vermieter ist in dem Fall darlegungs- und beweisbelastet für die Umstände, die ihm aus seiner Sicht nicht zumutbar sind. Dabei kann z.B. das besondere Erhaltungsinteresse (etwa bei statisch problematischen oder denkmalgeschützten Gebäuden) eine Rolle spielen. Des weiteren kann der vermietende Wohnungseigentümer dem Mieter entgegenhalten, dass er zunächst die Zustimmung der WEG einholen muss.

§ 554 BGB n.F. geht davon aus, dass der Mieter die Kosten der baulichen Veränderung trägt und dass er nach Ende des Mietverhältnisses zum Rückbau bzw. zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verpflichtet ist. Daher sieht § 554 Abs. 3 BGB n.F. vor, dass der Vermieter eine entsprechende Rückbausicherheit fordern und hiervon auch seine Zustimmung zur baulichen Maßnahme abhängig machen kann.

Alternativ zum Einbau der Lademöglichkeit durch den Mieter kann der Vermieter auch bestimmen, dass er, der Vermieter, die Lademöglichkeit schafft und hierzu eine Modernisierungsvereinbarung geschlossen wird. Dies scheint auch die vorzugswürdige Variante zu sein, da der Vermieter die Maßnahme hierdurch „in der Hand“ behält und insbesondere der Rückbau nach Mietvertragsende entfällt.

Ein Schritt in die richtige Richtung?

Das WEMoG leistet einen sehr bedeutsamen Beitrag zur Umsetzung des Masterplans Ladeinfrastruktur der Bundesregierung, welcher vorsieht, dass bis 2030 deutschlandweit eine Million Ladepunkte für Elektrofahrzeuge zur Verfügung stehen. Es schafft Möglichkeiten für Eigentümer und Mieter, Ladestationen für E-Mobile eigenständig und zumeist ohne großen Anforderungen auf privaten Stellplätzen einbauen zu lassen. Zu hoffen bleibt, dass es zu den rechtlichen Problemen, die z.T. in den neuen Regelungen stecken, bald belastbare Rechtsprechung geben wird. In dem Zusammenhang obliegt es den Gerichten, den Ausbau der Elektromobilität als politisch gewünschte Zielsetzung in zukünftigen Rechtsstreitigkeiten hinreichend zu gewichten.

Copyright by prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH | All rights reserved. | Impressum | Datenschutz | Sitemap