25.04.2024

Lenkung der Windenergie durch LEP NRW rechtswidrig – und doch beschlossen

Das OVG Münster hält die in NRW mit dem neuen Landesentwicklungsplan (LEP) forcierte Lenkung des Windenergieausbaus für rechtswidrig. Dies ergibt sich aus einem kürzlich veröffentlichtem Urteil vom 16.02.2024.

Das Gericht konnte nicht erkennen, dass die dort streitgegenständlichen 13 Windenergieanlagen jedenfalls offensichtlich raumordnungsrechtlich unzulässig wären. Die beklagte Behörde hatte argumentiert, dem Vorhaben stünde das „Ziel“ 10.2-13 des damals noch im Entwurf befindlichen Landesentwicklungsplan entgegen. Nach diesem soll der Zubau von Windenergieanlagen nur in sog. „Kernpotenzialflächen“ stattfinden. Übergangsweise, bis die Regionalpläne in Kraft treten, die zum Erreichen der Flächenbeitragswerte für NRW erforderlich sind. Aber ohne zu definieren, welche Flächen das sein sollen. Das sollte der sog. Lenkungs-Erlass übernehmen, den Wirtschaft-, Bau- und Umweltministerium letzten September an die Behörden schickten (wir berichteten hier). Es sei deshalb eindeutig, so die beklagte Behörde, dass mit dem dortigen Verweis auf „Kernpotenzialflächen“ diejenigen gemeint seien, die in diesem Erlass genannt und die das LANUV auf seiner Homepage veröffentlicht habe. Das Vorhaben – offensichtlich außerhalb solcher Flächen geplant – sei deshalb raumordnungsrechtlich unzulässig.

„Kernpotenzialflächen“? Viel zu unbestimmt

Das sah das Gericht ganz anders. Es sei schon „mindestens fraglich“, dass es sich bei dem Plansatz 10.2-13 des Entwurfs der 2. Änderung des Landesentwicklungsplans tatsächlich um ein zu beachtendes Ziel der Raumordnung handelt. Plansatz 10.2-13 sei so unbestimmt, dass ihm keine Zielqualität zukommen kann. Die angesprochenen „Kernpotenzialflächen“ ließen sich dem Plan(entwurf) überhaupt nicht entnehmen und konkretisieren. Der offenbar als Konkretisierung gedachte Lenkungserlass vom 21. September 2023  half auch nicht weiter. Dieser sei nirgendwo im Entwurf erwähnt und dürfte ohnehin kaum ausreichen, da er „nicht Teil des Planes ist, nicht vom Träger der Landesplanung stammt und jedenfalls nicht den Publizitäts- und Authentizitätsanforderungen entspricht, die an eine verbindliche Raumordnungs- oder Landesplanung zu stellen sind.“

LEP NRW – Unzulässiges Ausschlusskonzept

Diesen zutreffenden Feststellungen setze das Gerichts noch obendrauf: „im Übrigen dürfte der LEP-E insoweit unzulässiger Weise ein Ausschlusskonzept verfolgen, wie es seit dem 1. Februar 2024 für neue Flächennutzungs- und Raumordnungspläne nicht mehr zur Verfügung stehen dürfte„! Und verwies auf den zwischenzeitlich in § 245e Abs. 1 BauGB geregelten Paradigmenwechsel. Demnach kommt neuen Plänen, die nach dem 1. Februar 2024 in Kraft treten, keine Ausschlusswirkung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB mehr zu. Das gelte gleichermaßen bei der Festlegung von Zielen in Raumordnungsplänen. Eine entsprechende Kompetenz komme dem Landesplaner nach der gesetzlichen Systematik nicht zu. Dies käme „einer ihm nicht zukommenden „Selbstermächtigung“ gleich.“

Das Gericht konnte deshalb im Plansatz 10.2-13 LEP-E „schon grundsätzlich kein beachtliches, dem Vorhaben der Klägerin entgegenstehendes Ziel der Raumordnung“ erkennen.

LEP trotzdem beschlossen

So unmissverständlich diese inzidente „Verwerfung“ der beabsichtigen Lenkung des Windenergieausbaus des OVG Münster auch sind – sie scheinen die Landesplanung bzw. den Landtag nicht mehr rechtzeitig erreicht zu haben. Denn am 21.03.2024 beschloss der Landtag unverändert den LEP samt dem rechtwidrigen Ziel 10.2-13. Dennoch: Inwieweit dieser LEP NRW tatsächlich die ihm zugedachte Lenkung der Windenergie in einen „gesicherten Flächenkorridor“ auch nur übergangsweise übernehmen wird, ist derzeit vollkommen unklar. Verkündet ist der Plan noch nicht.

Militärische Belange

Dieses Urteil ist im Übrigen auch für diejenigen, deren Windenergievorhaben militärische Belange entgegengehalten werden, relevant. Denn der eigentliche Klagegrund, der dem knapp 60-seitigen Urteil des OVG Münster zu Grunde lag, war, dass das Vorhaben im Bereich eines Truppenübungsplatzes bzw. der Flugbeschränkungszone der britischen Streitkräfte geplant ist. Dennoch hob das Gericht den Ablehnungsbescheid hinsichtlich von sieben Anlagen auf und verpflichtete die Behörde, neu zu entscheiden. Dabei bejahte das Gericht nicht nur eine Zustimmungsfiktion, es erlegte der Bundeswehr bzw. den britischen Streitkräften bemerkenswert hohe Darlegungslasten auf. Diesen genügte der Beklagte offenkundig nicht, sodass das Gericht auf Grund der festgestellten „entscheidungsrelevanten Einsatzrealitäten auf dem Truppenübungsplatz“ keine konkrete Gefährdung des militärischen Luftverkehrs erkennen konnte.

Alles in allem klare Ansagen des Gerichts an alle Beteiligten – vor allem an die Landesplanung.

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