BFH schränkt „Kleinen-Versorger-Status“ stark ein
Mit Beschluss vom 19.12.2024 hat der Bundesfinanzhof (BFH – Entscheidung hier abrufbar) von weiten Branchenkreisen größtenteils unbemerkt zum sogenannten „eingeschränkten Versorgerstatus“ bei Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 2 MW entschieden. Das höchste deutsche Finanzgericht wirft darin eine jahrelang geübte Verwaltungspraxis der Hauptzollämter (HZA) zum sog. „kleinen Versorger“ über den Haufen. Das dürfte so manchen Betreiber von größeren Wind- und Solarparks vor erhebliche rechtliche Unsicherheiten stellen. Sie sind daher gut beraten, ihre aktuelle Versorgungssituation einmal näher zu durchleuchten.
Ein Buch mit sieben Siegeln – was ist eigentlich wem erlaubt?
Hintergrund des vom BFH entschiedenen Falls ist die auf Grundlage des deutschen Stromsteuerrechts nicht immer ganz einfach zu beantwortende Frage, in welchen Situationen welche stromsteuerrechtlichen Erlaubnisse benötigt werden. Wann also von wem die Stromsteuer zu entrichten ist und wann nicht. Mit Rücksicht auf die unbestreitbare Komplexität stromsteuerrechtlicher Regelungen und Verpflichtungen sieht der Gesetzgeber verschiedentliche Erleichterungen für sogenannte „kleine Versorger“ (geregelt in § 1a Abs. 6 und 7 Stromsteuer-Durchführungsverordnung [StromStV]) vor, denen unter bestimmten Voraussetzungen ein eingeschränkter Versorgerstatus zuerkannt werden kann.
Gegenstand war nun konkret ein Fall, in dem die Betreiberin eines aus mehreren Windenergieanlagen bestehenden Windparks für selbsterzeugten Strom die Stromsteuerbefreiung für Strom zur Stromerzeugung in Anspruch wollte. Sie verfügte aus der Zeit vor 2018 insoweit sogar über eine entsprechende Erlaubnis für die entsprechende stromsteuerfreie Entnahme. Diese Erlaubnis hob das zuständige HZA aber mit Blick auf eine Gesetzesänderung zum 01.01.2018 auf. Denn seit diesem Zeitpunkt ist die Steuerbegünstigung für Strom zur Stromerzeugung für „kleine Versorger“ nur noch im Wege der nachträglichen Entlastung möglich. Bis zur Vorlage des Erlaubnisscheins verlangte das HZA im Übrigen eine Steueranmeldung von der Betreiberin. Hiergegen wehrte diese sich durch die Instanzen bis hin zum BFH; im Ergebnis mit Erfolg.
Eingeschränkter Versorgerstatus setzt Drittbelieferung voraus
Der BFH stellte nämlich fest, dass es sich bei der Windparkbetreiberin letztlich nicht um einen sog. „kleinen Versorger“ handelte. Die rechtliche Begründung gerät an dieser Stelle juristisch durchaus feinsinnig. Die Parteien stritten letztlich darum, ob § 1a Abs. 7 StromStV nun eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung darstellt. Vereinfacht gesagt ging es um die Frage, ob es für den eingeschränkten Versorgerstatus ausreichend ist, Wind-, PV- oder Biomasse-Anlagen mit einer elektrischen Leistung mehr als 2 MW zu betreiben. Das vertrat – gestützt auf eine jahrelange Verwaltungspraxis – das HZA . Oder ob darüber hinaus auch die Voraussetzungen des § 1a Abs. 6 StromStV – hier insbesondere die Leistung von Strom an Letztverbraucher/Dritte – gegeben sein müssen. Der BFH positionierte sich deutlich zugunsten letztgenannten Ansicht.
Von hinten durch die Brust ins Auge!?
Soweit so gut, möchte man meinen. Die Betreiberin, die in ihrem Windpark keine Dritten mit Windstrom versorgte, siegte. Sie konnte die Erlaubnis aus der Zeit vor 2018 weiterhin ausnutzen und Strom von vornherein steuerfrei entnehmen. Was allerdings auf den ersten Blick wie ein Erfolg aussieht, könnte sich beim zweiten Hinsehen als gefährlicher Bumerang für die Branche erweisen. Denn nicht wenige Anlagenbetreiber im Leistungsbereich von mehr als 2 MW haben sich in der Vergangenheit bewusst dafür entschieden, die Privilegien eines sog. „kleinen Versorgers“ in Anspruch zu nehmen.
Folge daraus war und ist unter anderem, dass eine „große“ Versorgererlaubnis nach dem Stromsteuergesetz entbehrlich und eine bloße Anzeige vor Aufnahme der Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 StromStV ausreichend ist. Zudem konnten sich die Betreiber unter stromsteuerrechtlichen Gesichtspunkten auf die mit ihren Anlagen erzeugten Strommengen konzentrieren. Insbesondere der Netzbezug ist für sie, und zwar durchaus aus im Sinne des Gesetzgebers, irrelevant. Das alles könnte nun in nicht wenigen Fällen aber zweifelhaft geworden sein. Betreiber von Anlagen mit mehr als 2 MW sind daher – zumal mit Blick auf die zum Teil gravierenden steuerrechtlichen Konsequenzen – gut beraten, ihre nicht selten sehr komplexen Versorgungskonstellationen genauer zu prüfen und sich dabei nötigenfalls fachliche Hilfe zu suchen. Wir unterstützen dabei gern.
Schützenhilfe vor vom Gesetzgeber?
Möglicherweise kommt aber der Gesetzgeber zur Hilfe. Die Ende Juli von der Bundesregierung in die Wege geleitete Novelle des Energie- und Stromsteuerrechts (siehe hier Referentenentwurf vom 23.07.2025) stellt sich nämlich deutlich gegen die Rechtsprechung des BFH. So soll es sich ausweislich der Begründung zu § 1a Abs. 7 StromStV doch um eine Rechtsfolgenverweisung handeln. Das würde bedeuten, dass der eingeschränkte Versorgerstatus von Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 2 MW auch bei einer reinen Eigenversorgung in Anspruch genommen werden kann.
Ob sich diese Ansicht über das gesamte Gesetzgebungsverfahren hinweg durchsetzen kann und vor allem auch rechtlich halten lässt, bleibt abzuwarten. Im (neuen) Gesetzeswortlaut sind jedenfalls keine gravierenden Änderungen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage vorgesehen. Zwar gibt es semantische Umstrukturierungen, echte inhaltliche Neuregelungen sind bei Lichte betrachtet aber nicht ersichtlich. Es ist deshalb auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, wie die Bundesregierung ihre Rechtsauffassung konkret begründen will. Umso wird mehr abzuwarten sein, wie die Finanzverwaltung auf die „neue“ Rechtslage reagiert. Wir halten Sie wie dazu wie üblich auf dem Laufenden.