29.05.2020

Update: Akzeptanz von Windenergieanlagen – Neues von Mindestabstand und Bürgerbeteiligung

Am 18.05.2020 hatte die Regierungskoalition eine Einigung über die zur Erhöhung der Akzeptanz von Windenergieanlagen geplante Mindestabstandsregelung erzielt. Danach soll von einer Mindestabstandsregelung des Bundes abgesehen und stattdessen eine Länderöffnungsklausel für die Länder in das BauGB aufgenommen werden.

Gesetzentwurf zur Änderung des § 249 Abs. 3 BauGB

Die Länderöffnungsklausel soll durch eine Änderung des § 249 Abs. 3 BauGB eingeführt werden. Nunmehr haben die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD einen Gesetzentwurf für die Änderung des § 249 Absatz 3 vorglegt. Die Änderung soll im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude“ als sog. Artikelgesetz erfolgen.

Der neue § 249 Abs. 3 BauGB soll danach wie folgt gefasst werden:

„Die Länder können durch Landesgesetze bestimmen, dass § 35 Absatz 1 Nummer 5 auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn sie bestimmte Mindestabstände zu den im Landesgesetz bezeichneten zulässigen baulichen Nutzungen zu Wohnzwecken einhalten. Ein Mindestabstand nach Satz 1 darf höchstens  1.000 Meter von der Mitte des Mastfußes der Windenergieanlage bis zur nächstgelegenen im Landesgesetz bezeichneten baulichen Nutzung zu Wohnzwecken betragen. Die weiteren Einzelheiten, insbesondere zur Abstandsfestlegung und zu den Auswirkungen der festgelegten Abstände auf Ausweisungen in geltenden Flächennutzungsplänen und Raumordnungsplänen, sind in den Landesgesetzen nach Satz 1 zu regeln. Auf der Grundlage von § 249 Absatz 3 in der bis zum … [einsetzen: Datum des Inkrafttretens dieses Gesetzes nach Artikel 10 Absatz 2] geltenden Fassung erlassene Landesgesetze gelten fort; sie können geändert werden, sofern die wesentlichen Elemente der in dem fortgeltenden Landesgesetz enthaltenen Regelung beibehalten werden.“

Maximalwert und Bezugspunkt

Ausdrücklich zu begrüßen ist die Begrenzung des erlaubten Mindestabstandes auf einen Maximalwert von 1.000 m. Wichtig ist auch die einheitliche Vorgabe des Bundes, dass der Abstand von der Mitte des Mastfußes zu bemessen ist. Dies schließt es aus, dass die Länder als Bezugspunkt des Abstandes die Spitze der Rotorblätter festlegen, was zu noch deutlich größeren Abständen führen würde.

Gesetzgeberische Enthaltung

Zu bedauern ist, dass der Gesetzentwurf „die zulässigen baulichen Nutzungen zu Wohnzwecken“ nicht näher konkretisiert und auf die wirklich schutzwürdigen Wohnnutzungen beschränkt. Es bleibt daher zu hoffen, dass sich die Länder im Interesse der Energiewende hier auf die überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete beschränken und den Abstand beispielsweise nicht auf Dorf- und Mischgebiete ausweiten.

Auch hinsichtlich der Regelung der Auswirkungen der festgelegten Abstände auf Ausweisungen in geltenden Flächennutzungsplänen und Raumordnungsplänen hält sich der Gesetzentwurf zurück. Dies sollen die Länder in eigener Verantwortung festlegen. Zumindest macht der Gesetzentwurf deutlich, dass die Bundesländer eine Regelung zu diesen Auswirkungen zu treffen haben. Leider ist eine solche Vorgabe des Bundes für den Umgang mit laufenden Genehmigungs-, Vorbescheidsverfahrens oder kurz vor Antragseinreichung stehenden Projekten nicht vorgesehen. Ebenso bleibt es den Ländern überlassen, ob sie eine sog. Opt-out Regelung für die kommunale Bauleitplanung vorsehen möchten.

Bayerischer Sonderweg

Die Erhaltung der 10H-Regelung in Bayern ist im letzten Satz des § 249 Abs. 3 BauGB berücksichtigt. Neben der generellen Kritik daran, bleibt der Sinn und Zweck des zweiten Halbsatzes zur Möglichkeit der Änderung des fortgeltenden Landesgesetzes unklar. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll hierdurch sichergestellt werden, dass Änderungen nur möglich sind, sofern diese keine grundsätzlich höheren Abstände einführen. Wirklich verständlich wird diese Begründung nicht. Die fortgeltende 10H-Regelung überschreitet im Regelfall bereits den 1.000 m Maximalabstand der Länderöffnungsklausel. Es stellt sich daher die Frage nach der eigentlichen Motivation. Will die CSU etwa einer künftigen Aufhebung oder auch nur wesentlichen Abschwächung der 10H-Regelung bei sich eventuell ändernden Machtverhältnissen in Bayern durch Einführung einer bundesgesetzlichen Regelung vorbeugen?

Meldung vom 20.05.2020

Mit der Akzeptanz von Windenergieanlagen verhält es sich scheinbar paradox. So befürworten laut einer repräsentativen Umfrage der Agentur für Erneuerbare Energien (siehe hier) 89 % der Bürgerinnen und Bürger eine stärkere Nutzung der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Gleichzeitig drohen immer mehr Windenergieprojekte am Widerstand der örtlichen Bevölkerung zu scheitern. Zur Auflösung dieses Konflikts hat die Bundesregierung im Klimaschutzprogramm 2030 verschiedene Maßnahmen beschlossen, um die Akzeptanz von Windenergieanlagen zu steigern.

Um die Einführung eines Mindestabstands von Windenergieanlagen zu Siedlungen ringt die Koalition seit Monaten (wir berichteten hier und hier). Nun wurde offenbar in dieser Woche eine Einigung erzielt. Nahezu zeitgleich legte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BWMi) ein Eckpunktepapier zur finanziellen Beteiligung von Kommunen und Bürgern am Betrieb von Windenergieanlagen vor.

Mindestabstand bleibt Ländersache

Am 18.05.2020 vermeldeten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU sowie der SPD eine Einigung der Koalition zur Mindestabstandsregelung. Danach wird es auf Bundesebene keine Mindestabstandsregelung für Windenergieanlagen an Land geben.

Einführung einer Länderöffnungsklausel

Stattdessen ist die Einführung einer Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch geplant. Diese soll den Ländern die Möglichkeit geben, einen Mindestabstand von bis zu 1.000 Metern zwischen Windenergieanlagen und Wohngebäuden in ihren Landesgesetzen aufzunehmen. Wichtig ist die Klarstellung, dass es sich bei den 1.000 m um einen Maximalwert handelt. Diesen müssen die Länder bei Einführung eines Mindestabstandes natürlich nicht ausschöpfen. Auch Differenzierungen nach dem Grad der Schutzwürdigkeit der benachbarten Wohnnutzung oder im Interesse des Repowering scheinen möglich. Ein konkreter Regelungsvorschlag für eine Änderung des § 249 Abs. 3 BauGB wurde indes bislang nicht veröffentlicht.

Bayerischer Sonderweg

Die bestehende bayerische Regelung des 10H-Abstandes soll von alldem jedoch unberührt bleiben. Weshalb dem Freistaat Bayern ein solcher Sonderweg weiterhin zugestanden werden soll, ist völlig unklar. Für das bekannte Mia san Mia ist an dieser Stelle der zumindest bundesweiten Aufgabe des Umbaus der Energieversorgung kein Raum!

Finanzielle Beteiligung von Kommunen und Bürgern

Ein weiteres wichtiges Instrument zur Steigerung der Akzeptanz von Windenergieanlagen ist laut Bundesregierung eine finanzielle Beteiligung der Bevölkerung vor Ort. Ein in dieser Woche vom BMWi vorgelegtes Eckpunktepapier sieht hierfür eine Kombination aus einem verpflichtenden kommunalen Beteiligungsinstrument mit einem optionalen Bürgerbeteiligungsinstrument vor. Verankert werden soll das Ganze im EEG.

Obligatorisch: Zahlungen an Standortkommune

Betreiber neuer Windenergieanlagen, die ab 2021 einen Zuschlag im Ausschreibungsverfahren bekommen, sollen künftig eine jährliche Zahlung an die Standortkommune der Windenergieanlage leisten. Die Höhe der Zahlung orientiert dabei sich am jährlichen Stromertrag und soll bei mindestens 0,2 ct/kWh liegen. Nach Vorstellung des BMWi könnten die Kommunen hieraus Einnahmen in Höhe von ca. 20.000 € pro Jahr generieren. Dies erhöhe sowohl die Akzeptanz von Windenergieanlagen wie auch die Bereitschaft, künftig weitere Flächen für die Nutzung von Windenergieanlagen zur Verfügung zu stellen. Bieten Anlagenbetreiber der Kommune keine Zahlung an, sieht das Eckpunktepapier eine Reduzierung des Zahlungsanspruchs aus dem EEG vor. Als Sanktion soll der Zahlungsanspruch dann um 0,25 ct/kWh gekürzt werden.

Optional: Vergünstigter Bürgerstromtarif

Zusätzlich dazu sollen Anlagenbetreiber künftig den Bewohnern der Standortkommune einen Bürgerstromtarif anbieten und dadurch die Mindestzahlung an die Kommune auf 0,1 ct/kWh senken können. Die Anforderungen daran sind allerdings hoch. So muss der Anlagenbetreiber jährlich mindestens 80 vergünstigte Stromlieferverträge mit Bewohnern der Standortkommune nachweisen. Zudem dürfen die Kosten für den Bürgerstromtarif maximal 90 % des örtlichen Grundversorgertarifs betragen. Das BMWi rechnet hierbei mit einer Ersparnis für die Bürger von ca. 100-200 € pro Jahr. Dies könne potenziell eine hohe Akzeptanzwirkung entfalten.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht…

Im Ansatz sicherlich richtig und wichtig, dürfte im Detail noch erheblicher Nachbesserungsbedarf bestehen. So ist insbesondere kein Grund dafür erkennbar, warum ausschließlich die Standortgemeinde und deren Bürger profitieren sollen. Nicht selten befinden sich Windparks an Gemeindegrenzen, so dass auch die Schaffung von Akzeptanz in der Nachbargemeinde essenziell ist. Hinzu kommt, dass das angedachte Modell für einen Bürgerstromtarif einen hohen administrativen Aufwand erzeugt und zudem ein kaum kalkulierbares finanzielles Risiko für den Anlagenbetreiber birgt. Wird beispielsweise die Mindestanzahl von 80 Verträgen nicht erreicht oder fallen nachträglich Kunden durch Kündigung oder Wegzug weg, droht eine finanzielle Doppelbelastung. Der Anlagenbetreiber bliebe an die bestehenden Verträge trotzdem gebunden, könnte aber dadurch die Mindestzahlung an die Kommune nicht verringern.

Es steht zu erwarten, dass ein finanzielles Beteiligungsmodell auf dem Weg zum Gesetz noch einige Hürden nehmen muss und auch inhaltlich noch Änderungen erfährt. Gern halten wir Sie hierüber auf dem Laufenden.

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