19.08.2019

Unsere Photovoltaik-Reihe – Das Märchen vom Flächenverbrauch

Die Deutsche Solarbranche legt 2019 wieder zu und stärkt dabei das wachsende Interesse am Ausbau von PV-Anlagen. Die niedrigen Produktions- und sinkenden Installationskosten steigern die Attraktivität der modernen Photovoltaik. Doch auch der geringere Widerstand trägt zur höheren Akzeptanz der PV-Anlagen bei: Anders als die Windkraft stoßen die dunkelblauen Module bei den meisten Bürgern in ihrer unmittelbaren Umgebung nicht auf Ablehnung. Dennoch trifft dies nicht auf jeden zu. Denn auch die Photovoltaik muss sich mit schweren Vorwürfen (nicht nur von Naturschützern und gut organisierten Bürgerinitiativen) auseinandersetzen.

Was der Windenergie die „Verspargelung der Landschaft“ ist, ist der Photovoltaik die „Schaffung von Solarwüsten“. Aus diesem Grund widmen wir uns in regelmäßigen Abständen einem aktuellen Thema zu genehmigungs-, vergütungs- und allgemeinen zivilrechtlichen Fragen rund um die Photovolatik.

Heute: Das Märchen vom Flächenverbrauch

Als eines der Hauptargumente gegen Freiflächen-PV-Anlagen wird seit jeher der angeblich vollkommen unnötige „Flächenverbrauch“ angeführt. Man dürfe nicht wertvolles Ackerland verbrauchen, es stünden doch genügend Dachflächen zur Verfügung. Dem mag man schon entgegenhalten können, dass der Markt für Kleinanlagen, die vom privaten Hausbesitzer errichtet werden, nur nach und nach erschließbar ist. Vor allem sollte in der Diskussion ein Aspekt nicht untergehen, der ein reiner Nebeneffekt des vermeintlich so unnützen Flächenverbrauchs ist. Natürlich stehen PV-Freiflächen nicht mehr als Bauland für Wohnsiedlungen oder wichtige Infrastruktur zur Verfügung. Sie können auch nicht mehr als „wertvolle“ Ackerfläche dienen.

Deutschland – Land der der Hochleistungsflächen und Monokulturen

Allerdings sind die Ackerflächen in der Bundesrepublik dank dem großzügigen Einsatz von Fungiziden und Insektiziden zumeist äußerst monotone und artenarme Hochleistungsflächen, die mit einer idyllischen, naturnahen Bauernscholle so gar nichts zu tun haben. Dies gilt vor allem dann, wenn dort sog. Energiepflanzen wie Mais oder Raps angebaut werden. Auf diesen ökologisch so gut wie wertlosen Monokulturen kann die Errichtung von PV-Freiflächenanlagen Auswirkungen auf das Klima und Ökosystem haben, die den Flächenverbrauch mitnichten als „unnütz“ erscheinen lassen. Denn wenn auf einer bisher intensiv genutzten Agrarfläche eine PV-Freiflächen-Anlage über 20 bis 30 Jahre errichtet wird, kann dies die Voraussetzungen für deutlich naturnähere, ökologisch wertvolle Flächen schaffen.

PV-Anlagen als „Biodiversitäts-Inseln“?

Schon die Verschattung der PV-Module hat deutlichen Einfluss auf die Temperatur unterhalb der PV-Module und somit auf das Pflanzenwachstum dort. Vor allem aber werden auf bisher ackerbaulich stark beanspruchten Böden keine Bodenbearbeitung, Düngung oder sonstigen Maßnahmen mehr durchgeführt, die bisher in mehr oder minder großem Ausmaß zu Bodenverarmung oder sogar Bodenerosion führen konnten. Dank dieser „Bodenruhe“ können sich die Böden biologisch wieder regenerieren. Es kann damit schon durch reine, ohne zusätzlichen Aufwand eintretende Nebeneffekte zu einer deutlichen ökologischen Aufwertung auf zuvor intensiv genutzten Flächen kommen. Den Auswirkungen von PV-Freiflächenanlagen sind unter anderem 2016 britische Forscher der Lancaster University und des Lancaster Environment Centre nachgegangen (hier). Auf diesen Erkenntnissen aufspringend werden daher für PV-Freiflächenanlagen Konzepte für artenreiche „Biodiversitäts-Inseln“ oder für die Schaffung lokaler „Insekten-Hotspots“ und Bienensommerweiden entwickelt.

Der „Solarschäfer“ – ein Beruf für die Zukunft?

PV-Freiflächen werden sich zwar nicht zu vollkommen unberührten Nationalparks entwickeln. Sie sind pflegebedürftig, da weder aufkeimende Gehölze noch hochwachsende Gräser für ungewollte Beschattungseffekte sorgen und eine Pflege und Kontrolle der Module behindern sollen. An dieser Stelle könnte aber ein alter Berufszweig in neuem Gewand zum Einsatz kommen: Der „Solarschäfer“. Dieser übernimmt neben der Beweidung mit Schafen teilweise auch die Wartung der PV-Anlagen. Eine mechanische Mahd mit entsprechender Lärm- und Staubentwicklung erübrigen sich so. Die Beweidung mit Schafen erhöht zusätzlich die Artenvielfalt, indem Schafe als Sameneinbringer und als „lebende Taxis“ für viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten von vorher beweideten Flächen fungieren. Schäfer und Schafe profitieren wiederum davon, dass die Solarflächen weder gedüngt noch mit Pestiziden behandelt werden und die Module als Unterstand vor Hitze und Wind schützen können.

Wo sollte die Reise hingehen?

Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, das Landesamt für Ländliche Entwicklung Brandenburg und die Landwirtschaftskammer Niedersachen haben all diese Vorteile einer solchen Kombinationsnutzung und die positiven Effekte von PV-Freiflächenanlagen auf die Biodiversität erkannt und daher eine umfangreiche Informationsbroschüre erarbeitet (hier).

Im Übrigen ist die Errichtung von PV-Freiflächenanlagen gegenüber dem Anbau von Energiepflanzen im Hinblick auf die Stromerzeugung klar im Vorteil. Die sog. „Flächeneffizienz“ von PV-Anlagen ist ganz erheblich höher als der Anbau von Energiepflanzen.

PV-Freiflächenanlagen sind weder schön grün, noch blühen sie im Frühjahr leuchtend gelb. Aber sie könnten ganz nebenbei für die Artenvielfalt einen größeren Beitrag leisten, als es ihr technischer Anblick vermuten lässt. Daher mögen Kommunen und Planer in sich gehen, ob der Flächenverbrauch für PV-Anlagen tatsächlich so unnötig ist.

Beitrag vom 30.07.2019  – Der Mythos „Solarwüste“

Eine aktuelle Einschätzung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE widerlegt die Behauptung von Photovoltaik-Gegnern, dass mit dem Betrieb von PV-Anlagen sogenannte „Solarwüsten“ entstünden!

Altbekanntes…

Der bereits seit den späten 90er Jahren unter Photovoltaik-Gegnern viel gebrauchte Slogan: „Photovoltaik schafft aus Freiflächen Solarwüsten!“ findet aktuell wieder häufig Anhänger. Dabei ist der Wahrheitsgehalt dieser Aussage seit jeher umstritten. Gleichwohl fürchten insbesondere Bürgerinitiativen beim Ausbau von Freiflächenanlagen neuerdings wieder verstärkt um die Ästhetik und das Wohlbefinden ihrer Landschaften. Das Gespenst der „Solarwüste“ geht wieder um.

Unter dem Begriff der „Solarwüste“ verstehen besorgte Bürger und Naturschützer ein extremes Aufheizen der Module, wodurch eine klimatische Veränderung der ehemaligen Freifläche entstehen soll. Die entstehende Temperaturveränderung soll sich in Form von sogenannten „Wärmeinseln“ zudem auch auf die umliegende Landschaft auswirken können. Aus diesem Grund, befürchten Photovoltaik-Gegner eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Natur und des Landschaftsbildes und organisieren sich zunehmend gegen die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen. Dieser Widerstand besteht momentan zwar noch meistens lokal, wird allerdings durch die Medien stärker nach außen getragen.

Dabei ist dieser Vorwurf tatsächlich zumeist haltlos:

…und neue Erkenntnis

Nach aktuellen Einschätzungen des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE kann es durch die Installation von PV-Modulen zwar tatsächlich zu einem veränderten Reflexionsgrad, die sogenannte Albedo, der durch sie bedeckten Oberfläche kommen. Diese Veränderung ist jedoch im Regelfall eher gering. Zudem hängt es vom vorherigen Untergrund ab, ob die Errichtung einer PV-Anlage überhaupt eine Erhöhung des Reflexionsgrades im Vergleich zur Bestandssituation bewirkt.

So entsteht beispielsweise bei Photovoltaik-Modulen, mit einem Wirkungsgrad von ca. 17 % während der Umwandlung von Sonnenenergie in elektrischen Strom, so viel Wärme wie bei einer Oberfläche mit ca. 20 % Albedo. Dies entspricht ungefähr dem Albedo-Wert einer Grasfläche (20% Albedo). Daran zeigt sich, dass PV-Anlagen mitnichten eine höhere lokale Erhitzung als Freiflächen bewirken.

Fun-fact am Rande: Die von den Photovoltaik-Gegnern gleich mit geschmähten Wüsten (Stichwort „Solarwüste„) weisen sogar eine höhere Reflexion von 30% Albedo auf. Sie sorgen damit für noch weniger Hitze-Absorption – eine „Solarverwüstung“ durch PV-Anlagen fände demnach am ehesten in Wüsten statt!

Was bringt uns das?

Zwar kann mit dem Vorwurf der Schaffung einer „Solarwüste“ ein Photovoltaik-Vorhaben erheblich erschwert werden. Mit den neueren Erkenntnissen des renomierten Fraunhofer-Instituts lässt sich diesem Mythos aber durchaus wirkungsvoll beikommen.

In den nächsten news aus unserer Photovoltaik-Reihe wird ein weiteres aktuelles Thema besprochen – seien Sie dabei!

 

 

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04.07.2019   Balkon-Solaranlagen – Was müssen Mieter beachten?
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20.06.2019   Solar boomt – hohe Ausschreibungsbeteiligung, 52-GW-Deckel in Sichtweite
14.05.2019   Ausschreibungsergebnisse Wind, Biomasse und Solar Frühjahr 2019 – Update
04.10.2018   Von Modulen, Solarkraftwerken und Gesamtkonzepten (ER 2/2016)

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