Was nun, Energiewende? Geht den Erneuerbaren die Puste aus?
Rekordtemperaturen! Dürresommer! Fridays-for-future. Dass wir uns bereits mitten im Klimawandel befinden und dass die Sorge vor irreversiblen Umweltschäden mittlerweile breite Bevölkerungsschichten auf die Straße treibt, wird sich nicht mehr ernstlich bestreiten lassen. Ebenso wenig wird man von der Hand weisen können, dass die Energiewende eine der zentralen politischen und gesellschaftlichen Aufgaben unserer Gegenwart ist. Mit Blick auf mittlerweile fast 20 Jahre EEG müsste man eigentlich annehmen, dass die Bundesrepublik für die anstehenden Herausforderungen gut gewappnet ist. Seit Einführung des Gesetzes im Jahr 2000 steigerte sich der seinerzeit weit unter 5 Prozent dahin dümpelnde Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung auf mittlerweile fast 40 Prozent. Welch sagenhafte Entwicklung! In § 1 EEG ist sogar zu lesen, dass sich der Anteil im Jahr 2050 auf 80 % belaufen soll. Welch hehres Ziel!
Man könnte regelrecht in Euphorie verfallen. Wären da nicht die nackten Zahlen, nach denen es offenbar an allen Fronten klemmt. Bekanntlich betätigt sich die Bundesnetzagentur – vom Gesetzgeber dafür eingesetzt – als Aufseher über die Entwicklung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Ganz im Sinne deutscher Ordnungsliebe und Pedanterie schuf man hierfür eigens das Marktstammdatenregister. Ein Blick in die aktuellen Zahlen (die aktuellen Daten finden Sie hier) verheißt aber nichts Gutes.
Flaute im Windbereich …
Seit Monaten schon stockt der Ausbau der Windenergie an Land. Im Zeitraum Januar bis Juni 2019 betrug er lediglich knapp 300 MW. Der vom Gesetzgeber angestrebte Ausbau von 2.800 MW pro Jahr ist damit aktuell reine Utopie! Zurecht werden daher Rufe nach einem Windgipfel laut, die mittlerweile sogar die Bundesregierung erreicht haben (siehe hier). Die Gründe für die Flaute im Windbereich sind vielschichtig, vor allem aber auf der Genehmigungsseite und den zahlreichen Klagen gegen Windenergieanlagen zu suchen:
Genehmigungshemmnisse als Wurzel allen Übels …
In den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren sehen sich die Projektierer mit massiven Hemmnissen konfrontiert.
Verfahrensdauer
Diese finden ihren Anfang häufig in unberechtigten Nachforderungen für die einzureichenden Antragsunterlagen, um die Vollständigkeit des Genehmigungsantrags zu verzögern. Ein Schelm, der denkt, dass die Fristen zur Entscheidung über den Genehmigungsantrag erst mit Vollständigkeit der Antragsunterlagen zu laufen beginnen. Der Umfang und die Komplexität der zwischenzeitlich geforderten Antragsunterlagen, gerade mit Blick auf den Artenschutz, tragen zudem wesentlich dazu bei, dass Genehmigungsanträge für Windenergieanlagen mittlerweile oft eine Verfahrensdauer von mehreren Jahren bis zur Genehmigung aufweisen. Die vielfach vorhandene personelle Unterbesetzung der Genehmigungsbehörden tut hierbei ihr übriges.
Artenschutz und Planungsrecht
In materieller Hinsicht finden sich die größten Hürden im Bereich des Artenschutzes sowie in planerischen Hemmnissen durch entgegenstehende (Alt-)Regional- und Flächennutzungspläne, ebenso wie durch massive Schwierigkeiten bei der Aufstellung neuer Regional- und Flächennutzungspläne, die weitere Windenergieanlagen ermöglichen würden. Eine Vielzahl von Anträgen liegt zudem aufgrund von Plansicherungsinstrumenten, wie Zurückstellungen, landesplanerischen Untersagungen und Moratorien auf Eis.
Aktuell: Moratorium Region Prignitz-Oberhavel
Nach dem bereits endlos scheinenden Moratorium in Schleswig-Holstein (vgl. unseren Beitrag – hier-) bietet insoweit die Regionale Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel ein weiteres aktuelles Beispiel:
In ihrer Pressemitteilung vom 5.8.2019 (diese finden Sie hier) teilte die Planungsgemeinschaft mit, dass sie nunmehr die Möglichkeit des novellierten Regionalplanungsgesetzes (hier) nutzen werde. Die Anwendung des neuen § 2c habe nun zur Folge, dass zur Sicherung der laufenden fachübergreifenden Regionalplanung, die im April 2019 eingeleitet worden ist, die Genehmigung von Windenergieanlagen in der gesamten Region für zwei Jahre vorläufig unzulässig ist. Die entsprechende Bekanntmachung hierzu werde im Amtblatt für Brandenburg erscheinen.
Hintergrund dieser Entscheidung der Regionalen Planungsgesellschaft war, dass das zuständige Landesministerium den von der Planungsgemeinschaft beschlossenen Sachlichen Teilplan „Freiraum und Windenergie“ nur hinsichtlich der Kapitel „Freiraum“ und „Historisch bedeutsame Kulturlandschaften“ genehmigt hatte. Eine Genehmigung des Kapitels „Windenergie“ erfolgte hingegen nicht, da das Umweltministerium sein Einvernehmen zu insgesamt vier Eignungsgebieten nicht erteilt hatte. In allen vier Fällen würden erhebliche Konflikte des Naturschutzes einer Windenergienutzung entgegenstehen. Für die Genehmigung auch des Kapitels „Windenergie“ wäre hingegen das Einvernehmen aller fachlich zuständigen Landesministerien Voraussetzung gewesen. Damit existiert in Brandenburg neben der Region Havelland-Fläming eine weitere Planungsregion, in der sämtliche Genehmigungsanträge durch ein Moratorium blockiert sind.
Drehfunkfeuer und militärische Belange
Nach einer gemeinsamen Umfrage der Fachagentur Windenergie und des BWE (die Ergebnisse finden sie hier) sind zudem zahlreiche Genehmigungen durch Drehfunkfeuer und militärische Interessen blockiert. Mehr als 1.000 Anlagen mit 4.800 MW Leistung lassen sich derzeit nicht realisieren. Ihnen wird der Einfluss auf Flugsicherungseinrichtungen entgegengehalten. Die häufigsten Konflikte fänden sich Nordrhein-Westfalen und Niedersachen. Dort sei fast die Hälfte der erfassten Windprojekte wegen VOR/DVOR-Anlagen blockiert. 900 Anlagen bzw. 3.600 MW könnten zudem derzeit aufgrund von verteidigungsspezifischen Restriktionen des Luftraums nicht genehmigt werden.
Klagewelle als Verstärker …
Ein weiterer Grund für die geringen Inbetriebnahmezahlen liegt in den vielen Klagen gegen erteilte Genehmigungen. Hierdurch verzögert sich zumindest der Bau der Windenergieanlagen, wenn er nicht gar unmöglich wird. Die gemeinsame Umfrage der Fachagentur Windenergie und des BWE ergab, dass derzeit mindestens 700 MW genehmigte, noch nicht realisierte Windenergieleistung beklagt sind (näheres finden Sie hier und hier). Die häufigsten Klagegründe sind laut der Umfrage im Bereich des Artenschutzes zu finden. Bei der Hälfte aller betroffenen Windräder werden Verstöße gegen den Schutz von Vogel- und Fledermausarten geltend gemacht. Die Umfrage beleuchtet auch die Frage, wer gegen Windenergieanlagen klagt: Hier zeigt sich, dass Umwelt-/Naturschutzverbände gegen 60 Prozent der erfassten Windenergieanlagen prozessieren. Innerhalb dieser Gruppe ist ein bundesweit tätiger Verband in die Hälfte aller Verfahren involviert.
Damit kann das Thema „Artenschutz vs. Klimaschutz“ – oder noch drastischer, der Streit „Grün gegen Grün“ – in den Klagen gegen Genehmigungen von Windenergieanlagen als weitere Haupursache für den Einbruch des Windenergieausbaus ausgemacht werden.
Aktionplan als Rückenwind … ?
Diese massiven Hemmnisse im Genehmigungsverfahren hat der BWE nunmehr zum Anlass genommen, einen Aktionsplan für mehr Genehmigungen von Windenergieanlagen an Land vorzustellen (diese finden Sie hier). Dessen Ziele sind zusammengefasst:
- Die Bundes-und Landesregierungen sowie weitere Entscheidungsträger müssen sich zur Erreichung der EE-Ausbauziele als Notwendigkeit für den Klimaschutz öffentlich und eindeutig bekennen.
- Pauschalabstände führen zu einem faktischen Ausbaustopp für die Windenergie als wichtige Säule der Energiewende. Bundes-und Landesregierungen müssen auf pauschale Abstandsvorgaben verzichten. Allein die ohnehin ausreichenden, sich aus der Anwendung des Genehmigungs-und Fachrechts ergebenden Abstände müssen maßgeblich bleiben.
- Der Artenschutz ist im Einklang mit der Windenergie sachgerecht anzuwenden. Die Umweltministerkonferenz sollte sich dafür einsetzen, dass die Bundesländer kurzfristig über Erlasse und Leitfäden den Artenschutz sachgerecht und im Einklang mit der Windenergie zur Anwendung bringen.
- Auch auf Planungsebene muss Windenergie ermöglicht werden.
- Repoweringvorhaben müssen auf Planungsebene erleichtert werden.
- Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden.
- Auch der Luftverkehr muss sachgerecht in Einklang mit der Windenergie gebracht werden. Hierzu müssen die Konflikte um die Drehfunkfeuer (DVOR/VOR) aufgelöst und sachgerechte Lösungen beim Konfliktfeld Windenergie und Bundeswehr gefunden werden. Als erster dringend erforderlicher Schritt muss der deutsche Sonderweg beendet werden, und um DVOR der Prüfbereich auf max. 10km reduziert werden.
- Schließlich sind Widerspruchs- und Klageverfahren gegen Genehmigungen von Windenergieanlagen zu beschleunigen.
Es bleibt die dringliche Hoffnung, dass Bundes- und Landesregierungen den Aktionsplan ernst nehmen und dass er nicht in der Schublade verschwindet.
… oder droht weiteres Ungemach? – BNetzA vor Neuregelungen zum Netzausbausbaugebiet
Als wären die vorstehend geschilderten Hindernisse nicht schon ärgerlich genug und maßgeblicher Grund für einen zusehends gen Null tendierenden Windenergieausbau, legt nun offenbar die Bundesnetzagentur den Marktakteuren weitere Steine in den Weg. Dem Vernehmen nach (siehe hier die Pressemeldung des BWE) bereitet die Regulierungsbehörde gerade eine Änderung der Erneuerbare-Energien-Ausführungsverordnung (EEAV) vor. Offenbar will sie die bisher maximal bezuschlagbare Leistung im sogenannten Netzausbaugebiet von derzeit jährlich 902 MW auf 786 MW herabsetzen und die Anwendbarkeit der Verordnung bis 2023 verlängern. Zudem ist offenbar beabsichtigt, den Zuschnitt des Netzausbaugebiets zu ändern.
Dieser Vorstoß überrascht, hatte die BNetzA doch erst jüngst in ihrem Evaluierungsbericht vom 31.07.2019 (siehe hier) festgestellt, dass die Obergrenze im Netzausbaugebiet in den bisherigen Ausschreibungsrunden keine bedeutende Rolle gespielt habe. Weshalb es dennoch notwendig sein soll, den theoretisch möglichen Zubau in diesem Gebiet weiter zu reglementieren und zudem den Geltungsbereich der EEAV räumlich und zeitlich auszuweiten, ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass der Ausbau gegenwärtig ohnehin am Boden liegt.
Aber wenigstens doch sonnige Zeiten?
Stockt mit der Windenergie an Land schon der früher unumstrittene Motor der Energiewende, so sollten doch wenigstens die anderen Erzeugungsarten Optimismus verbreiten. Hoffnungsvoll stimmte dabei Anfang des Jahres noch, dass zahlreiche Marktakteure die Photovoltaik aktuell wieder für sich entdecken (wir berichten hier). Doch auch an dieser Front gerät der Motor offenbar ins Stocken:
Ausbau fast nur ohne Ausschreibung
Die Zahlen der Bundesnetzagentur zeigen nämlich, dass auch in diesem Bereich die anfangs noch sehr erfreulichen Zubauzahlen zwischenzeitlich drastisch eingebrochen sind. Wurde im Januar noch eine Leistung von 536 MW neu in Betrieb genommen, betrug der Zubau zuletzt lediglich 235 MW. Dabei zeigt die mittelfristige Betrachtung, dass der Rückgang um mehr als 50 % kein Ausrutscher ist. Vielmehr ist die rückläufige Tendenz bereits seit Februar dieses Jahres festzustellen. Und es droht weiteres Ungemach. Einen ganz erheblichen Anteil am PV-Zubau haben nämlich solche Anlagen, die entgegen § 22 Abs. 1 EEG 2017 nicht an der Ausschreibung teilnehmen müssen, weil sie eine Leistung von max. 750 kW aufweisen. Von den knapp 2 GW Zubau in der ersten Jahreshälfte entfallen auf eben solche Anlagen mehr als 92 % der neu registrierten Anlagenleistung.
52-GW-Deckel schon in einem Jahr erreicht?
Besonders problematisch wird das Ganze, wenn man den in § 49 Abs. 5 EEG 2017 verankerten Zubaudeckel berücksichtigt (wir berichteten bereits hier und hier). Demnach kommt bei Erreichen eines Gesamtbestandes an gesetzlich geförderter installierter Leistung von 52 GW eine Förderung von PV-Anlagen ohne Teilnahme an der Ausschreibung nach aktueller Gesetzeslage nicht mehr in Betracht. Nach den aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur aus Juni 2019 beträgt der Gesamtzubau aktuell knapp 48 GW. Berücksichtigt man, dass im ersten Halbjahr 2019 ca. 2 GW zugebaut wurden, dann dürfte in etwa einem Jahr der PV-Deckel ausgeschöpft sein. Angesichts der zuletzt dokumentierten Zubautendenz dürfte die Inbetriebnahme neuer PV-Anlagen danach gleichsam zum Erliegen kommen.
Der frühe Vogel fängt den Wurm
Für die Marktakteure bedeutet dies nun zu aller erst einen weiter enorm ansteigenden Zeitdruck. Gilt es doch, förderfähige Flächen zu identifizieren und zu sichern. Weiterhin sind Vergütungsvoraussetzungen nach dem EEG zu prüfen und die Anlagen innerhalb eines Jahres in Betrieb zu nehmen. Die damit verbundenen Herausforderungen sind ebenso anspruchsvoll wie vielschichtig (lesen Sie hierzu auch unsere neue PV-Reihe). Gerade die Frage, wann eine Ansammlung von PV-Modulen die Ausschreibungsgrenze von 750 kW überschreitet, ist vielfach hochkomplex.
Sie birgt aber durchaus auch Chancen. So lassen sich viele Fallkonstellationen denken, in denen durch geschickte Flächenauswahl oder zeitlichen Versatz der Inbetriebnahme die Ausschreibungsgrenze u.U. mehrfach ausgeschöpft werden kann. Anlagenbetreiber, die mit dem Gedanken einer derartigen Vergütungsoptimierung spielen, sollten aber vorab dringend rechtlichen Rat einholen. Denn vielfach ist es ein schmaler Grat zwischen optimaler Ausnutzung des Gesetzes und Gesetzesmissbrauch. Lesen Sie hier den in der ER 04/2018 erschienenen Beitrag unserer Anwälte Dr. Herms und Dr. Richter.
Biomasse bei Null-Wachstum
Und die Biomasse? Nicht zuletzt wegen der massiven Vergütungseinkürzung durch das EEG 2014 bewegt sich der Zubau hier seit Jahren nahezu im Nullbereich. Das hat sich nach den aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur auch 2019 nicht geändert. Dabei hat der Gesetzgeber den jährlich avisierten Zubau mit 150 MW schon vergleichsweise bescheiden angesetzt. Gemäß den Juni-Zahlen der BNetzA betrug der Zubau im ersten Halbjahr lediglich 28,5 MW. Davon entfallen knapp 23 MW (mehr als 80 Prozent!) auf Anlagen außerhalb der Ausschreibung, also solche mit einer installierten Leistung von max. 150 kW.
Immer wieder der Anlangenbegriff
Einen relevanten Leistungszuwachs konnte die Biomasse zuletzt lediglich über die in § 50b EEG 2017 verankerte Flexibilitätsprämie verzeichnen. Hier lag die Summe der flexibel bereitgestellten (zusätzlich) installierten Leistung in der ersten Jahreshälfte immerhin bei knapp 79 MW. Diese Entwicklung ist insbesondere bedingt durch den Anlagenbegriff im EEG. Dieser wird – durch den BGH abgesegnet – besonders weit ausgelegt (siehe hier, hier und hier).
Folge daraus ist, dass jedes zu einer Biogasanlage hinzugebaute (neue) Blockheizkraftwerk zum Bestandteil dieser Anlage wird. Dass die zusätzlich installierte Leistung dann aber nach denselben Konditionen gefördert wird, wie die bestehende Anlage, war dem Gesetzgeber ein Dorn im Auge. Er hat deshalb die sogenannte Höchstbemessungsleistung erfunden. Die förderfähige Strommenge aus einer bereits vor dem 01.08.2014 betriebenen Biogasanlage wurde damit auf die zu diesem Zeitpunkt seit Inbetriebnahme in einem Kalenderjahr bereits erzielte höchste Bemessungsleistung bzw. auf 95 % der bis zum 31.07.2017 installierten Leistung der Anlage begrenzt. Die Erweiterung bestehender Biomasseanlagen war daher zuletzt vielfach nur unter Inanspruchnahme der Flexibilitätsprämie wirtschaftlich darstellbar.
Flexdeckel erreicht
Allerdings lag die seit dem 01.08.2014 (Inkrafttreten des EEG 2014) zur Inanspruchnahme der Flexprämie hinzugebaute Leistung Ende Juni (vorbehaltlich etwaiger Fehl- und Doppelmeldungen) bei knapp 999 MW und damit nur noch 1 MW unterhalb des in Anlage 3 zum EEG 2017 niedergelegten Deckels von 1.000 MW. Wenngleich die BNetzA die Zahlen für Juli bislang nicht veröffentlicht hat, ist mit Blick auf den Ausbau im ersten Halbjahr stark davon auszugehen, dass der Flexdeckel im Juli erreicht und überschritten wurde (wir berichteten dazu bereits hier und hier).
Folge hieraus ist, dass neue Flexibilisierungen den Anspruch auf die Flexprämie wohl ab dem 01.11.2020 (Meldezeitpunkt) nicht mehr beanspruchen können. Angesichts der aktuellen Zubauzahlen dürfte dies letztlich einem Ausbaustopp im Biomassesektor gleichkommen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass Ende 2020 die ersten Biomasseanlagen ihr nach dem EEG vorgesehenes Förderende erreichen (lesen Sie hierzu unseren Beitrag in der ER 01 und 02/2019), so ist sogar mit einem signifikanten Rückgang der installierten Leistung in diesem Bereich zu rechnen. Ob sich dieses Szenario durch die für bestehende Anlagen vorgesehene Anschlussförderung in § 39f EEG 2017 abwenden lässt, dürfte in den Sternen stehen. Jedenfalls sind die Möglichkeiten der Anlagenbetreiber, ihre Bestandsanlagen für eine Teilnahme an der Ausschreibung zur Beanspruchung der Anschlussförderung fit zu machen, durch Auslaufen der Flexprämie massiv eingeschränkt.
Beim Satelliten-BHKW ist höchste Vorsicht geboten
Eine besondere Problematik stellte in diesem Zusammenhang zuletzt die Flexibilisierung von Satelliten-BHKW dar. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hatte in einem heftig kritisierten Urteil jüngst entschieden, dass die Flexibilisierung solcher Anlagen nicht in Betracht komme (wir berichteten hier). Das Urteil, das dem Vernehmen nach bislang nicht rechtskräftig ist, wirft ganz grundsätzliche Fragen für Biogasanlagen bzw. abgesetzte BHKW auf. Gemeinhin werden solche BHKW nämlich als eigenständige Anlagen im Sinne des EEG gewertet.
Der Anlagenbegriff wird an dieser Stelle wesentlich enger gehandhabt. Dies führt über Fragen der Flexibilisierung hinaus nun aber zu erheblichen Problemen. Wenn nämlich das einzelne BHKW als Anlage im Sinne des EEG gilt und wenn es wegen Verschleißes oder eines Defekts komplett ausgetauscht werden muss, dann wird zugleich immer die gesamte Anlage ersetzt. Für einen solchen Vorgang hält das EEG jedoch anders als im Fall des Ersatzes von defekten PV-Anlagen (§ 38b EEG 2017) keine Sondervorschrift bereit. Die Austauschregel des § 3 Nr. 30 a.E. EEG 2017 dürfte hier vielfach nicht greifen.
Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Inbetriebnahme des Ersatz-BHKW als Inbetriebnahme einer gänzlich neuen Anlage zu werten ist. Auf diese wären dann das aktuell geltende Recht und nicht mehr die bisherigen Fördersätze anwendbar. Dabei wird es allerdings stets auf den jeweiligen Einzelfall ankommen. Anlagenbetreiber, die sich mit dem Gedanken einer (gegebenenfalls erzwungenen) Änderung ihrer Satelliten-Konstellation tragen, sollten deshalb vorab unbedingt Rechtsrat einholen, um hier nicht gravierende rechtliche und wirtschaftliche Nachteile zu erleiden.
Es gibt viel zu tun! Packen wir`s an!
Alles in allem verheißen die aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur zum Ausbaustand nichts Gutes. Es wirkt fast, als ginge den Erneuerbaren die Luft aus. Zu allem Überfluss grüßt aus der Ferne bereits das Post-EEG-Zeitalter und damit der potentielle Rückbau von erneuerbarer Erzeugungskapazität in signifikanter Höhe. Dezentrale Versorgungskonzepte oder die gegenwärtig als Heilsbringer gepriesenen PPA sind aber mit einer ganzen Reihe bürokratischer Hürden und wirtschaftlichen Unsicherheiten verbunden und dürften aus diesem Grunde allenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Branchenverbände und Politik sind daher dringend dazu aufgerufen, die Energiewende am Leben zu halten, denn der nächste Dürresommer oder auch Tropenwinter kommt bestimmt.